Faulheit
Der Begriff Faulheit (von faul) bezeichnet ursprünglich den Zustand schlecht gewordenen Obstes und anderer Pflanzen, auch verwesender Tiere (Kadaver).
Im übertragenen Sinn bezeichnet er, was in Abwesenheit anderer Erklärungen den Menschen von innen heraus abhält zu arbeiten. Die verschiedenen Interpretationen der Faulheit reichen von einer allgemeinen Tendenz des Menschen zur Ruhe bis zu schlechtem Charakter des einzelnen. Ebenso reicht daher die Verwendung des Wortes von einem Einfordern gerechter Erholung bis zum Schimpfwort.
Meinungen zur Faulheit
Interessant ist, dass die Faulheit im Christentum seit alters her zu den sieben Hauptlastern gehört - in der Antike noch galt die Muße als erstrebenswertes Ideal. Acedia - so nannte man das betreffende Laster. Unter Acedia verstand man zugleich Trägheit des Herzens, Trübung des Willens, Verfinsterung des Gemüts und Verlust der Tatkraft. Faul herumzuliegen, war ein Kennzeichen der Trägheit. Auf älteren bildlichen Darstellungen, die das Laster der Faulheit anprangern, sind Bauern zu sehen, die neben ihrem Pflug eingeschlafen sind, oder Frauen, die am Spinnrocken ein Nickerchen halten. Mit Kontemplation oder Muße hatte die Sünde der Acedia nichts zu tun. Sie war auch kein produktives Nichtstun, wie es heute manche 'Kreativen' in unserer Gesellschaft für sich in Anspruch nehmen; die Faulheit war eine gezielte Abkehr von Gott.
Auch heute noch wird die Faulheit, die Trägheit des Herzens, zu den Sieben Todsünden gerechnet. Sie kann nach katholischer Lehre dazu führen, dass man tatenlos bleibt und dem Bedürftigen, Schwachen oder Kranken nicht hilft, selbst wenn man es könnte. Für den Protestantismus ist der Fleiss bei der Arbeit Zeichen eines gottgefälliges Lebens (Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus).
Immanuel Kant (Anthropologie in pragmatischer Hinsicht, 1798, §87) meinte zwar, dass von Lastern Faulheit, Feigheit und Falschheit "das erstere das verächtlichste" zu sein scheine, sah aber auch eine Schutzfunktion: "Denn die Natur hat auch den Abscheu für anhaltende Arbeit manchem Subjekt weislich in seinen für ihn sowohl als andere heilsamen Instinkt gelegt: weil dieses etwa keinen langen oder oft wiederholenden Kräfteaufwand ohne Erschöpfung vertrug, sondern gewisser Pausen der Erholung bedurfte." Doch nicht nur als Aktivierungsschwelle schützt Faulheit vor schädlichem Kräfteverzehr, sie kann auch Schlimmeres verhüten: "Wenn nicht Faulheit noch dazwischenträte, die rastlose Bosheit weit mehr Übels, als jetzt noch ist, in der Welt verüben würde"
Die Erfinder der sieben Hauptlaster warnten schon früh vor den Folgen der Faulheit: Träge Menschen seien besonders gefährdet, melancholisch und schwermütig zu werden – sie neigen zur "Depression", wie wir heute sagen würden. Denn wer nicht fleißig arbeitet und schafft, wer nicht sein Leben straff im Griff hat, der kommt schnell auf abwegige Gedanken und verfällt zu sehr ins Grübeln. "Müßiggang ist aller Laster Anfang", sagt der Volksmund. "Ora et labora" (bete und arbeite) - so lautete auch der Grundsatz der Benediktiner. Und das hieß für viele früher oft: schuften, ohne zu genießen. Muße und Faulheit galten als Laster. Für die Puritaner stand ein fleißiges Leben voller Bescheidenheit und Gottesfürchtigkeit an erster Stelle. Später sprach man sogar vom "Recht auf Arbeit".
Ganz anderer Ansicht war allerdings der Arbeiterführer Paul Lafargue. Er sprach sich für das Recht auf Faulheit aus: "O Faulheit, erbarme du dich des unendlichen Elends! O Faulheit, Mutter der Künste und der edlen Tugenden, sei du der Balsam für die Schmerzen der Menschheit!"
Arbeitet nie! war eines der Mottos, die Situationisten 1968 in Paris an Wände sprühten.
"Es gibt kein Recht auf Faulheit in unserer Gesellschaft", meint Bundeskanzler Schröder.
Krankheit als Ursache
In krankhafter Form kann Antriebslosigkeit und Apathie zu Verhalten führen, das als Faulheit interpretiert wird. Da Faulheit wie eine erhöhte Schwelle zur Auslösung menschlicher Aktivität wirkt, sind auch Verwechselungen mit anderen vor einer Handlungsaktivierung zu überwindenden Schwellen (Wahrnehmungsbehinderungen wie Seh- und Hörschwächen, Schmerzen, motorische Störungen usw.) mit Faulheit möglich.
Umwelt als Ursache
Eine bedeutende Ursache für Verhalten, das als Faulheit interpretiert werden kann, ist das Klima. Aber auch eine Resourcenlage, die wenig Vorratshaltung erfordert, kann "Faulheit" ermöglichen. Besonders in der Kolonialzeit kam es hier zu mißbräuchlichen Faulheitsvorwürfen seitens der Kolonialisten gegenüber den in den kolonialisierten Gebieten lebenden Menschen. Der Kampf gegen die vermeintliche "Faulheit" der "Eingeborenen" wurde zum Teil mit grausamsten Methoden geführt. Mehr Verständnis wurde unter schlechten klimatischen Bedingungen nur eingeschränkt arbeitsfähigen Menschen entgegengebracht, wenn sie die Eroberer selbst waren. So ermöglichte erst die Klimatechnik, dass die Menschen im Süden der USA Anschluss an den industriellen Fortschritt des Nordens finden konnten.
Geringe Motivation als Ursache
Nicht selten wird Arbeitnehmern "Faulheit" in Situationen vorgeworfen, in denen sie zum Beispiel wegen schlechter oder als ungerecht empfundener Entlohnung einfach ihre eigenen Kosten minimieren, also so wenig arbeiten, wie gerade möglich. Auch Mangel an anderer nicht-monetärer Motivation kann zu einer Haltung führen, die als "Faulheit" mißverstanden wird.
Preußen
Unter dem Soldatenkönig wurden in Preußen eine Reihe von Gesetzen erlassen, die Faulheit unter Strafe stellten. So war etwa Marktweibern das Quatschen bei Androhung von Prügelstrafe untersagt.
Schlaraffenland
Im Märchen vom Schlaraffenland wird die Faulheit dagegen als Tugend dargestellt. Der perfekte Lebensstil ist es hier, unter einem schattenspendenden Baum zu liegen und ab und zu den Mund zu öffnen, damit einem das Essen in ebendiesen Mund fliegt. Jede Form von Arbeit gilt hier als verpönt.
Zitat
- Aus dem Umstand, dass mittelmäßige Menschen oft arbeitsam sind und die intelligenten oft faul, kann man nicht schließen, dass Arbeit für den Geist nicht eine bessere Disziplin sei als Faulheit. – Marcel Proust (aus: Tage des Lesens, ISBN 3458344187, S. 41)
Literatur
- Peter Axt, Michaela Axt-Gadermann, Michaela Axt-Gadermann: Vom Glück der Faulheit, 2002, ISBN 3442164451
- Heinrich Droege, Ernst Petz: Faulheit adelt - Texte gegen das herrschende Arbeitsethos, 2000, ISBN 3852550491
- Inge Hofmann: Faulheit ist das halbe Leben, 2003, ISBN 3442165644
- Inge Hofmann: Lebe faul, lebe länger, 2003, ISBN 3442166314
- Carl Honore: In Praise of Slowness, 2005, ISBN 0060750510
- Paul Lafargue: Recht auf Faulheit - Widerlegung des "Rechts auf Arbeit" von 1848, ISBN 393178603X
- Corinne Maier: Die Entdeckung der Faulheit, 2005, ISBN 3442301130 (Bonjour paresse - De l'art et la nécessité d'en faire le moins possible en entreprise, 2004, ISBN 2841862313)
- Bertrand Russell: Philosophische und politische Aufsätze, 1930er Jahre, ISBN 3150079705 (In Praise of Idleness - And Other Essays, 1935, ISBN 0415325064)
siehe auch
Weblinks
- Otto Buchegger: Zur Erleuchtung über die Faulheit
- Professor Sofsky: Über die Trägheit (dradio.de)
- Artikel des Online-Magazins Telepolis: "Vom Menschenrecht auf Faulheit"
- Das Recht auf Faulheit - Widerlegung des »Rechts auf Arbeit« von 1848, Paul Lafargue (1883)
- Die Strafe der Faulheit, Wilhelm Busch