Der Ausdruck Goldene Zwanziger (Jahre) bezeichnet für Deutschland den Zeitabschnitt zwischen 1924 und 1929.
Nach der Einführung der Rentenmark und dem zum Teil gelungenen Versuch, die Reparationszahlungen erträglich zu machen, setzte eine Phase wirtschaftlicher Aufwärtsentwicklung und politischer Beruhigung ein. Die politischen Spannungen zwischen Deutschland und Frankreich konnten durch die Verträge von Locarno erheblich gemildert werden. Der Beitritt Deutschlands in den Völkerbund 1926 trug ebenfalls zur politischen Beruhigung bei. In diesem Zeitraum entsteht eine allgemeine Entspannungsphase auf den politischen, aber auch wirtschaftlichen Ebenen. Dieses Phänomen ging von den USA aus. Sie wirkte sich jedoch schon nach kurzer Zeit auch positiv auf Deutschland, Frankreich und England aus.
Aber auch in den Bereichen Kunst, Literatur, Wohnungswesen, Lebenseinstellung, kam es zu zahlreichen Veränderungen. Allein 1925 bekamen 15 Deutsche den Nobelpreis. Auch im Kleinen war der Umschwung spürbar. In Preussen gab nicht mehr der Gardeoffizier den Ton an, wie noch 15 Jahre vorher, und die Berliner Staatsbibliothek war wichtiger geworden als die Wachablösung Unter den Linden.
In Berlin manifestierte sich das Lebensgefühl der Jungen an der Gedächtniskirche und Kurfürstendamm im Westen der Stadt. Dort entstanden am Ende der Stummfilmzeit die neuen Großkinos Capitol und Ufa-Palast - noch mit siebzigköpfigem Symphonieorchester in braunen Samtjacken - und machten den 'Floh-Kinos' Konkurrenz. Das gesetzte Alter spazierte Unter den Linden, wo Klappstühle für 5 Pfennig aus der Allee eine Kurpromenade machten, so z.B. Gerhart Hauptmann, der häufig im Hotel Adlon wohnte, oder Gustav Stresemann, der versonnen mit seinem Stock im Sand grub. Der Straßenzug zwischen Nollendorfplatz und Olivar-Platz hingegen war Berliner Laufsteg für einen neuen Schick: mit Erika und Klaus Mann ein Tanz auf dem Vulkan. Max Reinhardt baute seine beiden eleganten Theater am Kurfürstendamm, eingerahmt von Tribüne und Renaissancetheater. Expressionisten wie Ernst Toller, Georg Kaiser, Carl Sternheim, Walter Hasenclever sorgten sowohl für Schreie auf der Bühne als auch für Schreie der Entrüstung und Begeisterung im Publikum. Der Berliner Broadway bot aber auch jede Menge Kleinkunst: Bars, Nightclubs, Weindielen, russische Teestuben, neue Ballhäuser, wie das Ambassadeur oder die Barberina sowie die kleinere Königin oder das demimondäne Riorita, in denen man nicht nur tanzen, sondern auch soupieren konnte.
Der Filmkritiker Ernst Blaß schrieb dort seine gefürchteten Kritiken, teilweise auf der Rückseite seiner Rechnung; manche fanden ihren Weg ins Berliner Tageblatt oder in den Querschnitt, der Zeitung des Kunsthändlers Alfred Flechtheim. In der Nelson-Revue am Kurfürstendamm tanzte Josephine Baker in rührender Unschuld mit Bananengirlanden um die Hüften: der Kurfürstendamm hatte Sex-Appeal. Die Dichter der Kabarett-Revuen waren Kurt Tucholsky, Walter Mehring, Marcellus Schiffer, die Komponisten Walter R. Heymann, Friedrich Holländer, Rudolf Nelson, Theo Mackeben oder Mischa Spolianski versorgten mit unerhörten Tönen. Diseusen traten auf im Club Bühne und Film, bei Schwanneke, Änne Menz, Trude Hesterberg oder im Jockey. Die Berlinerin Marlene Dietrich schaffte den Karrieresprung nach Hollywood während Reichskanzler und Minister der Weimarer Republik auf dem Presseball im Marmorsaal anderen Ehrengästen den Rang streitig machten: Nobelpreisträger, Hochschulrektoren, Direktoren der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, Maler, Bildhauer und Dirigieten gaben sich ein Stelldichein.
Christopher Isherwood durchpflügt in seinen Büchern Mr. Noris steigt um und Goodbey to Berlin und live die Subkultur Berlins. Harold Nebenzal zeigt mit seinem Roman Cafe Berlin nur noch den Abglanz und Untergang zehn Jahren später. Politisch hatte sich seit 1919 viel geändert, nicht mehr das Dreistände-Wahlrecht Preußens, sondern Frauenstimmrecht und Frauenarbeit in den Rüstungsindustrien des Ersten Weltkriegs hatten zu einem neuen Frauenbild geführt: Greta Garbo verfilmte die berufstätige Frau als Schicksalskaleidoskop im Film Menschen im Hotel, geschrieben von Vicki Baum, die für Ullsteins Berliner Illustrierte arbeitete, als Kollegin neben Berühmtheiten wie Gerhart Hauptmann, Wilhelm Speyer und Bruno Frank.
Sport wurde zum Vergnügen der Massen. Propagandistisch begleitet von Zeitungskönigen wie August Scherl und den Brüdern Ullstein wurden Flugtage ein Renner. Ruderregatten, AVUS-Autorennen auf der ersten zweibahnigen Automobilstrecke Deutschlands mit steilster Nordkurve, Turnfeste und Sechstagerennen im Sportpalast zogen mehr Menschen an als alle anderen Veranstaltungen vorher. Carl Diem veranstaltete große Sportfeste und war für den Sport das, was Wilhelm Bode Jahrzehnte vor ihm für die Museumskunst gewesen war: der Organisator.
Im weiteren Sinne veranschaulicht der Begriff Goldene Zwanziger Jahre den wirtschaftlichen Aufschwung der weltweiten Konjunktur, er bezeichnet aber auch die Blütezeit der deutschen Kultur und Wissenschaft. Beteiligt am Aufschwung der Konjunktur sind ebenfalls die hohen Kredite, die Deutschland damals aus dem Ausland, besonders aus den USA, erhielt. Deshalb wird unter anderem von einer Scheinblüte gesprochen, da diese Schulden ja auch irgendwann zurückgezahlt werden mussten. Nach dem zweiten Weltkrieg begrüßten sich Berliner häufig mit der Frage: Bist Du auch ein Zwanziger?, womit man die Gemeinsamkeit der Altersgruppe der um 1900 Geborenen unterstreichen wollte. Trotz dieser eigentlich guten Voraussetzung scheiterte die Absicherung des republikanischen Staates durch fehlende Unterstützung breiter Bevölkerungsschichten. Hunger und Elend der letzten Kriegsjahre und die Finanzskandale von 1923 und 1929 sowie Putschversuche schürten das Misstrauen zur Weimarer Republik in weiten Teilen der Bevölkerung. Der von Otto Braun fast das ganze Jahrzehnt regierte Teilstaat Preußen blieb zwar ein Hort der politischen Stabilität, dies reichte jedoch schließlich nicht aus, wie mit dem Preußenschlag sichbar wurde.
Beendet wurden die "Goldenen Zwanziger" von der Weltwirtschaftskrise 1929, ausgehend vom Bankenkrach am Schwarzen Donnerstag der Wallstreet in New York. Soziale Spannungen brachen wieder auf und resultierten im Zeichen politischer Radikalisierung und von den Eliten unabgefedert zum Aufstieg des Nationalsozialismus.
Als ähnlicher Begriff existiert im US-amerikanischen Sprachraum der Ausdruck Roaring Twenties, der ähnliche Kultur- und Wirtschaftsphänomene bei anderen Rahmenbedingungen besonders in den USA fasst.
Weblinks
- [1] Viele Informationen, zusammengetragen von einem privaten "Zwanziger-Jahre-Fan"
Siehe auch: 1920er