Unter einem Agentenaustausch versteht man, wenn zwei Geheimdienste gefangene Agenten der Gegenseite freilassen und im Austausch eigene Agenten von ihr erhalten.
Austauschgründe
Für den Tausch von Agenten können folgende Gründe vorliegen:
- Eigene, vom Gegner gefasste Agenten, zu erhalten, um
- zu verhindern, dass noch unentdeckte Strukturen des eigenen Agentennetzes beim Gegner aufgedeckt werden (Verrat).
- bislang unbekannte Informationen abzuschöpfen, die nach der Verhaftung nicht übermittelt werden konnten und auch nicht nach der Festnahme preisgegeben wurden.
- Erfahrungen des Agenten zu Ausbildungszwecken zu nutzen.
- den gefassten Agenten zu bestrafen.
- die Leistungen des Agenten im eigenen Land propagandistisch zu verwerten.
- Feindliche Aktionen zur Befreiung des gefassten Agenten zu verhindern.
Humanitäre Gründe (Befreiung, Rückkehr in die Heimat, Familienzusammenführung) spielen in der Regel keine Rolle. Sie werden jedoch gegenüber der Öffentlichkeit meist vorgegeben, wenn der Fall bekannt wird.
Austauschpraxis
In der Regel findet ein Austausch unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt, da keine Seite zugeben will, dass sie im Ausland spioniert. So einigt man sich meist auf eine stille Aktion. Nur in wenigen Fällen wird die Öffentlichkeit unbeabsichtigt oder gezielt einbezogen.
Agententausch auf der Glienicker Brücke
Für den Tausch Abel gegen Powers hatte man bewusst die Glienicker Brücke an der Grenze zwischen West-Berlin und Potsdam-Babelsberg (DDR) gewählt. Kein anderer Grenzort als Berlin wäre von den beteiligten Mächten USA und UdSSR besser erreichbar gewesen. Hier stand beiden Seiten eine perfekte Logistik für die Sicherung, den An- und den Abtransport zur Verfügung.
Die Glienicker Brücke hatte gegenüber allen anderen Grenzübergängen Zwischen West-Berlin und Ost-Berlin bzw. der DDR den Vorteil, dass sie hermetisch von der Öffentlichkeit abgeschottet werden konnte. An jedem anderen Grenzübergang war weitaus mehr unerwünschter Publikumsverkehr. Beim ersten Agententausch auf der Glienicker Brücke war mindestens von einer Seite nicht beabsichtigt, Öffentlichkeit herzustellen. Dennoch sorgte der Austausch für Schlagzeilen.
Zwischen 1962 und 1985 wurden auf der Glienicker Brücke drei Austauschaktionen mit insgesamt 38 Personen durchgeführt. Später ging sie unter dem Namen "Agentenbrücke" durch die Medien. Der englische Spitzname der Brücke ist "Bridge of Spies".
Eine maßgebliche Vermittlerrolle bei den Austauschen 1985 und 1986 spielte der Ost-Berliner Rechtsanwalt Dr. Wolfgang Vogel.
Austausch 1
- 11. Februar 1962 zwischen
- Oberst Rudolf Iwanowitsch Abel, Spitzenspion der Sowjets in den USA und
- Francis Gary Powers, dem amerikanischen Piloten, der bei einem "Aufklärungsflug" mit der U 2 über der Sowjetunion abgeschossen wurde.
Austausch 2
- 11. Juni 1985 zwischen
- 23 Häftlingen aus der DDR und
- vier im Westen von der CIA verhafteten Spionen.
Austausch 3
- 11. Februar 1986 Austausch 4(Ost) ./. 5(West) von
- 1. Anatoli (Nathan) Scharanski (Schreibweise auch Anatolij Schtscharanski (UdSSR, Kybernetiker; Dissident, Regimekritiker, Oppositioneller, aus Sicht der UdSSR ein Agent, verurteilt wegen Verrats und antisowjetischer Agitation) (heute Minister für Jerusalem in Israel)
- 2. Wolf-Georg Frohn, DDR
- 3. Jaroslav Javorsky, ČSSR
- 4. Dietrich Niestroj, BRD
gegen
- 1. Hanna Köcher
- 2. Karl Köcher
- 3. Semjiakow, Computerspezialist der UdSSR
- 4. Jerzy Kaczmarek, Geheimdienstler der VR Polen
- 5. Detlef Scharfenorth
Die Amerikaner wählten beim dritten Austausch gezielt den 11. Februar 1986 aus, da exakt 24 Jahre zuvor der Austausch zwischen Oberst Abel und Pilot Powers erfolgt war. Im Vorfeld gab es zwischen der Sowjetunion und den USA Meinungsverschiedenheiten darüber, ob Anatoli Scharanski als Freiheitskämpfer (Sicht der USA) oder Agent (Sowjetische Auffassung) zu behandeln sei. Die Amerikaner setzten sich mit ihrer Auffassung durch und erwirkten, dass Scharanski vor den drei Anderen zur Grenzlinie gefahren wurde.
Während von westlicher Seite ein spektakulärer Medienrummel inszeniert wurde, berichtete im Osten lediglich das Staatsorgan der DDR "Neues Deutschland" in der Ausgabe vom 12. Februar 1986:
- Austausch auf der Glienicker Brücke Auf Grund von Vereinbarungen zwischen den USA und der BRD sowie der UdSSR, ČSSR, der VRP und der DDR fand am Dienstag, den 11. Februar 1986 ein Austausch von Personen statt, die durch die jeweiligen Länder inhaftiert worden waren. Darunter befanden sich mehrere Kundschafter.