Plansprache
Als Plansprachen bezeichnet man erfundene, bewusst geschaffene Sprachen, die sich also nicht über einen langen Zeitraum im Sprachgebrauch einer ethnischen Gruppe entwickelt haben. Stattdessen werden sie als schon benutzbare Sprachen von einer Einzelperson oder einer kleinen Gruppe von Personen veröffentlicht. Danach entwickeln sie sich so wie andere Sprachen weiter.
Man betrachtet die Plansprachen meist als Untergruppe der künstlichen Sprachen. Eine künstliche Sprache nennt sich nur dann eine Plansprache, wenn sie mit dem Ziel, für menschlichen Kommunikation benutzt zu werden, entwickelt wurde. Meistens sollen Plansprachen entweder als „Welthilfssprachen“ eine Verständigung zwischen unterschiedlichen Sprachen und Kulturen ermöglichen oder als logische Basis zur Erforschung und Entwicklung neuer Sprachen dienen. Das bekannteste Beispiel ist Esperanto. Weitere Plansprachen sind z.B. Ido, Interlingua, Interlingue (früher: Occidental), und Volapük, sowie die nicht zur einfachen Verständigung geschaffenen logischen Sprachen wie z.B. Loglan, Lojban und Teran. Plansprachen bilden in ihren Aspekten die Forschungsgegenstände der Interlinguistik.
Neben gesprochenen bzw. geschriebenen Welthilfssprachen gibt es auch zwei Gebärden-Hilfssprachen, nämlich Gestuno, das gewisse Erfolge hatte und Signuno.
Kontroverse über die Basis einer Welthilfssprache
Schon früh entstand in der Weltsprachenbewegung eine Kontroverse. Es gab und gibt Fürsprecher einer Plansprache, die bei aller Aufnahme von Elementen ethnischer Sprachen, doch eine ausgeprägte Eigenständigkeit besitzt, und sich dementsprechend "autonom" weiterentwickelt. Bekanntestes Beispiel für eine autonome Plansprache ist das Esperanto. Einen anderen Standpunkt in der Debatte nahmen die Anhänger einer Plansprache ein, die sich möglichst eng an die romanischen Sprachen bzw. das Latein anlehnen sollte. Ziel war es eine „natürlichere“ Welthilfssprache zu entwickeln, die dem "gebildeten Westeuropäer" gleichsam auf den ersten Blick gewohnt und verständlich erscheinen sollte. Drei dieser „romanisierenden“ oder allgemeiner gesagt naturalistischen Plansprachen erlangten eine gewisse Bedeutung: Latino sine flexione, Occidental und Interlingua. Diese drei Sprachen ähneln sich sehr und sind auch gegenseitig einigermaßen gut verständlich. Sie ähneln allerdings in vielem Dialekten, denen verbindliche Normen fehlen. Ein passives Verständnis ist für Kenner romanischer Sprachen und des Englischen, wesentlich leichter zu erreichen als eine aktive Sprachbeherrschung. Darüber hinaus sind sie für Sprecher nicht-romanischer Sprachen wesentlich schwerer zu erlernen als Esperanto, da ihre Struktur stark europäisch-romanischen Mustern folgt. Esperanto hat ebenfalls eine weitestgehend auf romanischen Wurzeln bestehenden Wortschatz, ist aber von seiner Struktur eher mit den so genannten agglutinierenden Sprachen zu vergleichen, die im Allgemeinen mit geringerem Aufwand breitere Ausdrucksmöglichkeiten bieten.
Geschichte
Antike
Schon aus der griechischen Geschichte bekannt sind die ersten Versuche Welthilfssprachen zu schaffen, die dazu gedacht sind die Verständigung zwischen verschiedenen Sprachen zu erleichtern.
19. Jahrhundert
Nach Solresol 1817 bzw. 1856 (die Sprache der Kinder im Spielbergs Film Unheimliche Begegnung der dritten Art, 1977) war Volapük die zweite Plansprache überhaupt, die nennenswerte Verbreitung gefunden hat. Volapük wurde 1879/80 vom badischen Prälaten Johann Martin Schleyer geschaffen. Anfangs sehr erfolgreich, brach die Bewegung jedoch schnell wieder zusammen, da die Sprache doch relativ schwer zu erlernen war. Darüber hinaus betrachtete Schleyer Volapük als sein geistiges Eigentum, über das nur er zu verfügen hatte. Mit dem Erscheinen von Esperanto 1887, das wesentlich leichter zu erlernen ist, war Volapük praktisch gescheitert und viele der früheren Volapük-Anhänger wandten sich Esperanto zu.
20. Jahrhundert bis zum Zweiten Weltkrieg
1903 schlug der italienische Mathematiker G. Peano ein von M. Bodmer vereinfachtes Latein, das Latino sine flexione, vor. 1907 erschien dann Ido, eine Sprache die auf Esperanto aufbaute, jedoch einige Verbesserungen einführen wollte. Da aber Ido in immer kürzerer Zeit neue Verbesserungsvorschläge heraus gab, entstand ein Chaos, so dass schließlich auch Ido immer mehr Anhänger verlor, die sich teilweise wieder der Esperanto-Bewegung anschlossen. Mit dem ersten Esperanto-Weltkongress 1905 begann eine erstaunliche Erfolgsgeschichte, die innerhalb dreier Jahrzehnte eine große Zahl an Sprechern, Originalliteratur, wissenschaftlichen Werken etc. hervorbrachte. Mit dem Aufstieg Hitlers, Stalins sowie anderer totalitärer Regime begann eine Zeit, in der alle Anhänger von internationaler Verständigung zwischen einfachen Menschen als Staatsfeinde betrachtet wurden und so landeten vor allem viele Esperantisten als Anhänger der verbreitetsten Plansprache in KZs oder in sowjetische Straflagern (GULAG). Dadurch wurde Esperanto entscheidend geschwächt, da viele Aktivisten ermordet oder seelisch zerstört wurden. Die Esperanto-Vereine in fast ganz Europa waren zwangsaufgelöst oder zerstört und viele Menschen hatten nach dem Krieg andere Sorgen als den Wiederaufbau der Esperanto-Bewegung, die deshalb in einen „Dornröschenschlaf“ verfiel.
Seit dem Zweiten Weltkrieg
Mit dem Ausbruch des Kalten Krieges nach dem Zweiten Weltkrieg versuchten die jeweiligen Siegermächte ihre Nationalsprache jeweils zur internationalen Weltsprache zu machen. Französisch verlor nach dem Verlust seiner Kolonien in den 1960er Jahren und der Erweiterung der EU jedoch immer schneller an Bedeutung, Russisch verschwand nach den Zusammenbruch des Sowjet-Imperiums fast augenblicklich als internationale Welthilfssprache. In der englischsprachigen Welt gab es nach dem Sieg im Zweiten Weltkrieg kaum Bestrebungen, eine Welthilfssprache aufzubauen (einzige Ausnahme ist „Basic English“ bzw. sein Nachfolger „Simple English“) und aufgrund der politischen und wirtschaftlichen Dominanz der Vereinigten Staaten erlangte das Englische immer mehr Einfluß.
Als Ende der 1970er Jahre der Sieg des Englischen immer deutlicher wurde, waren fast alle Versuche eine andere Sprache als allgemeine Weltsprache zu etablieren gescheitert; nur die Esperanto-Bewegung verfügte noch über eine Vielzahl von zum Teil glühenden Anhängern. Deshalb entstand eine neue Richtung der Esperanto-Bewegung, die sich nicht mehr zum Ziel setzte, Esperanto statt Englisch zur Weltsprache zu machen, sondern ihre eigene gewachsene pazifistische-völkerverständigende Kultur zu pflegen. Diese neue Esperanto-Kultur hat dann auch bis heute nicht nur überlebt, sondern ist zwar langsam aber stetig gewachsen und dabei auch vielfältiger geworden.
Erst seit mit dem Beginn des Kampfes gegen den Terror und insbesondere dem Irak-Krieg der Unmut über die Dominanz des Englischen in weiten Teilen der Welt wächst, ist das Interesse an einer neutralen Sprache wiedererwacht. Einzig „überlebende“ Konkurrenten sind heute Esperanto und Interlingua, das seine beiden Latein-basierten Schwestersprachen (Latine sine flexione und Occidental) beinahe aufgesogen hat. Dabei ist Interlingua vor allem eine in wissenschaftliche Publikationen zur Verfassung von Resumées („Abstracts“) gebrauchte Sprache, die kaum je gesprochen wird. Esperanto dagegen ist eine auf einer vergleichsweise vielschichtige Bewegung „von unten“ ruhende, oft auch auf Kongressen für jedermann gesprochene Sprache, die mittlerweile jene oben skizzierte, eigene „Esperanto-Kultur“ entwickelt hat.
Neue Herausforderungen
Mit der Erweiterung der EU wird das Sprachproblem innerhalb der Gemeinschaft immer drängender. Statt elf hat die EU seit den 1. Mai 2004 zwanzig Amtssprachen. Nach einer Anfangsphase, in der Französisch in der damaligen EWG eindeutig dominierte, zeichnet sich heute ein völliger Sieg des Englischen in der EU ab. So wurden in den letzten Jahren hunderte Stellen in der EU nur für englische Muttersprachler ausgeschrieben, wogegen die Universala Esperanto-Asocio („Allgemeine Esperanto-Vereinigung“) am europäischen Gerichtshof klagte. In Zukunft wird die Frage sein, ob alle Europäer die Dominanz des Englischen akzeptieren und Englisch de facto zur EU-Amtssprache wird oder ob es eine Renaissance einer neutralen, einfacher zu erlernenden Sprache geben wird, die keine Sprachgemeinschaft der EU bevorzugt.
Liste der Plansprachen
Die bekanntesten der ca. 1000 Plansprachen sind:
|
Siehe auch
Weblinks
- Wege und Irrwege zur Weltsprache (aus Sicht des Occidental)
- Eine große Liste von künstlichen Sprachen (englisch)