Josef Scheungraber

deutscher Offizier, Unternehmer, Kriegsverbrecher
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Josef Eduard Scheungraber (* 8. September 1918)[1] ist ein ehemaliger Leutnant der Gebirgstruppe der Wehrmacht. Er wurde in Deutschland und Italien wegen Kriegsverbrechen im Zweiten Weltkrieg zu lebenslanger Haft verurteilt. Das deutsche Urteil ist noch nicht rechtskräftig.[2]

Laufbahn in der Wehrmacht

Verwendungen

1937 meldete sich der gelernte Schreiner freiwillig zur 1. Gebirgs-Division in Mittenwald.[3] Im Zweiten Weltkrieg kämpfte er unter anderem in Polen, Frankreich und Russland sowie auf Kreta.[3] 1942 erlitt er im Kaukasus bei einer Minendetonation schwere Kopfverletzungen; nach seiner Genesung ging der mit dem Eisernen Kreuz I und II und Nahkampfspange dekorierte Leutnant auf eigenen Wunsch als Kompanieführer des Gebirgs-Pionier-Bataillons 818 nach Italien.[3] Dort war er zeitweise Ordonnanzoffizier des Oberbefehlshabers in Italien, Generalfeldmarschall Albert Kesselring. Ende 1943 war er nach eigenen Angaben an der Räumung des Klosters Montecassino beteiligt.[3]

Beteiligung an Kriegsverbrechen

Am Tag nach einem Partisanenangriff am 26. Juni 1944, bei dem zwei Soldaten des Gebirgs-Pionier-Bataillons 818 gefallen waren, erschossen Soldaten aus Scheungrabers Kompanie in Falzano di Cortona bei Arezzo zunächst drei zufällig angetroffene Männer und eine 74-jährige Frau. Sodann griffen sie willkürlich dreizehn weitere Zivilisten auf und sperrten elf davon in ein Bauernhaus. Sie sprengten das Gebäude und schossen mit Maschinengewehren in die Trümmer, nur ein fünfzehnjähriger Jugendlicher überlebte schwerverletzt. Scheungraber soll den Befehl zu diesem Kriegsverbrechen gegeben haben.[4]

Zivilleben

Scheungraber lebte nach dem Krieg in Ottobrunn bei München, wo er eine Schreinerei und ein Möbelhaus betrieb.[5] Er war Ehrenkommandant der Feuerwehr und 20 Jahre lang Gemeinderatsmitglied. 2005 wurde ihm aufgrund einstimmigen Beschlusses des Ottobrunner Gemeinderates vom 1. April 2005[6] wegen "besonderer Verdienste" die Bürgermedaille verliehen.[7] [8].

Juristische Aufarbeitung

Ermittlungen wegen der Kriegsverbrechen in Falzano wurden von der deutschen Justiz erst aufgenommen, nachdem ein italienisches Militärgericht in La Spezia Scheungraber am 28. September 2006 in Abwesenheit zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt und danach die Akten den deutschen Behörden übergeben hatte. Er wurde im Oktober 2008 vor dem Schwurgericht des Landgerichts München I angeklagt. Der einzige Überlebende von damals, inzwischen ein italienischer Polizeibeamter, wurde dabei als Zeuge vernommen und belastete den Angeklagten. Im noch nicht rechtskräftigen Urteil vom 11. August 2009 wurde er dort wegen der zehn in Falzano aus niedrigen Beweggründen begangenen Morde zu lebenslanger Haft verurteilt.[9] Scheungrabers Anwälte kündigten Revision an, aus Altersgründen wurde unter Meldeauflagen von Untersuchungshaft abgesehen.[2]

Einzelnachweise

  1. Handelsregister des Amtsgerichts München Blatt HRA 40079, Eintragung Scheungrabers als Kommanditist der Josef Scheungraber KG mit Geburtsdatum
  2. a b [1] Spiegel Online vom 11. August 2009, „Unser Leben wird jetzt heiter und fröhlich“
  3. a b c d [2] Süddeutsche Zeitung, Online-Ausgabe vom 30. September 2008 „Ich habe ein reines Gewissen“
  4. Martin Wittman: Er ließ Rache üben an Bauern
  5. Berliner Zeitung − Artikel „Der Vorfall von Falzano“ vom 12. September 2008. Aufgerufen 3. August 2009
  6. Gemeinderat 1. April 2005
  7. [3] Süddeutsche Zeitung, Online-Ausgabe vom 24. Mai 2008, „Kriegsverbrecher-Prozess: Das Blutbad in der Casa Cannicci“
  8. www.sueddeutsche.de, Artikel "Gerechtigkeit für Cortona", 12. August 2009
  9. [4] Süddeutsche Zeitung, Online-Ausgabe vom 11. August 2009, „Lebenslang für NS-Kriegsverbrecher“

Presseberichte