Augustin Barruel, S. J. (* 2. Oktober 1741 in Villeneuve de Berg (Ardeche); † 5. Oktober 1820 in Paris) war Abbé und Domherr in Paris, französischer Jesuit, konservativer Publizist und Verschwörungstheoretiker.
Leben
Barruel stammte aus einer alten Adelsfamilie und trat mit 14 als Novize den Jesuiten bei, wo er bis zur Aufhebung des Ordens in Frankreich als Lehrer in Toulouse arbeitete. Anschließend lehrte er in Böhmen und Mähren, bis die Jesuiten 1773 auch in Österreich verboten wurden. Nun kehrte er nach Frankreich zurück, wo er als Hauslehrer in hochadligen Häusern ein Auskommen fand.
Mehrere Veröffentlichungen, die aus dieser Zeit überliefert sind, zeigen seine königstreue, anti-aufklärerische Gesinnung, die er auch durch seine Mitarbeit an der konservativen Zeitschrift „Année littéraire“ unter Beweis stellte. In den Anfangsjahren der Französischen Revolution gab er das romtreue „Journal Ecclesiastique“ heraus, in dem er die Kirchenpolitik der revolutionären Regierung mit dem Protestantismus gleichsetzte und gegen die „Sekte“ der Aufklärungsphilosophen wetterte. Hier stritt er auch gegen den Eid auf die Verfassung, der von allen Priestern des Landes gefordert wurde und der den französischen Katholizismus in eine tiefe Krise führte. Abbé Barruel edierte alle katholischen Pamphlete in diesem Streit in seiner „Collection Ecclésiastique“, deren neunter Band 1793 erschien. Es fällt auf, dass er bis zu diesem Zeitpunkt die Revolution noch nicht mit einer Verschwörungstheorie erklärte, sondern mit dem Zorn Gottes, der durch die Aufklärung, den Sittenverfall und die Lauheit der Priesterschaft verursacht worden sei. Erste Anzeichen einer noch vagen Verschwörungstheorie tauchen erst in seiner damals berühmten „Historie du Clergé pendant la Revolution Francaise“ („Geschichte des Klerus während der Französischen Revolution“), die er im gleichen Jahr in London veröffentlichte. Hierhin hatte er nämlich wie viele andere romtreue Geistliche vor dem zunehmend blutigen Verfolgungsdruck der Jakobiner bereits 1792 fliehen müssen.
In London, wo er als Almosenpfleger für einen ebenfalls vor der Revolution geflohenen französischen Adligen tätig war und unter anderem von Edmund Burke protegiert wurde, veröffentlichte er 1797/ 1798 auch das Werk, das ihn berühmt machen sollte: Die fünfbändigen „Mémoires pour servir à l'histoire du Jacobinisme“, eine Synthese aller zu der Zeit grassierenden Verschwörungstheorien, die weite Verbreitung fanden und in viele Sprachen übersetzt wurden. 1802 erschienen sie unter dem Titel „Nachrichten zur Erörterung der Geschichte der Entstehung, der Fortschritte und Folgen der Jakobiner in und außer Frankreich“ auch auf deutsch.
Das Werk beschäftigt sich mit der Frage, wie es zur Französischen Revolution kommen konnte. In Band eins werden die Aufklärungsphilosophen beschuldigt, mit ihren Lehren absichtlich Thron und Altar unterwühlt zu haben, in Band zwei unterstellt er Ähnliches den Freimaurern, nimmt sie aber auch gegen Vorwürfe in Schutz, bei ihren geheimen Feiern und Riten würde es zu sexuellen Ausschweifungen kommen. Er selbst behauptet im Haus eines Freundes „nach Tisch“ Freimaurer geworden zu sein und leitet die Freimaurerei von den Manichäern und Tempelrittern her. Als regelrecht verbrecherisch bezeichnet er lediglich das angebliche innerste Geheimnis der Freimaurerei, das in der Lehre von der Freiheit und Gleichheit aller Menschen bestünde. Die folgenden Bände rückten dann das angebliche Treiben des 1784 verbotenen Illuminatenordens in den Mittelpunkt, der für die Revolution direkt verantwortlich gemacht wird. Abbé Barruel kannte die Illuminaten, die er sehr drastisch als Anarchisten und Satanisten portraitierte, im Unterschied zu Aufklärungsphilosophen und Freimaurern nicht aus eigener Anschauung – schließlich hatte der Orden ja nur in Deutschland existiert und waren bereits verboten worden, bevor sich Barruel für Verschwörungstheorien zu interessieren begann. Daher musste er sich erst einmal aus der deutschen verschwörungstheoretischen Literatur gegen die Illuminaten munitionieren. Dementsprechend sind die letzten beiden Bände „Mémoires ... “ sachlich und literarisch deutlich schwächer als die ersten beiden, was ihrem Erfolg allerdings keinen Abbruch tat.
1802 konnte Barruel unter dem Direktorium nach Paris zurückkehren, wo er ehrenhalber zum Kanoniker an Notre-Dame de Paris ernannt wurde. Diese Sinekure ließ ihm Zeit für weitere Publikationen, unter anderem ein großes Werk über den Konkordat zwischen Napoleon und Papst Pius VIII., den er gegen die Angriffe von katholischen Ultra-Konservativen verteidigte. Weitere Großprojekte wie eine Widerlegung der Philosophie Kants oder eine Geschichte der Geheimgesellschaften im Mittelalter blieben unverwirklicht, weil der Abbé 1820 starb. Dass er gegen Ende seines Lebens auch die Verdächtigungen gegen die Juden in seine Verschwörungstheorie eingebaut hätte, ist eine oft geäußerte Vermutung, die quellenmäßigen Belege hierfür sind jedoch schwach.
Literatur
- J.M. Roberts: The Mythology of the Secret Societies. London 1972
- Johannes Rogalla von Bieberstein: Die These von der Verschwörung 1776 - 1945. Philosophen, Freimaurer, Juden, Liberale und Sozialisten als Verschwörer gegen die soziale Ordnung. Bern 1976
Weblinks
Personendaten | |
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NAME | Barruel, Augustin |
ALTERNATIVNAMEN | Abbé Barruel |
KURZBESCHREIBUNG | französischer Jesuit und Verschwörungstheoretiker |
GEBURTSDATUM | 2. Oktober 1741 |
GEBURTSORT | in Villeneuve de Berg, Frankreich |
STERBEDATUM | 5. Oktober 1820 |
STERBEORT | Paris |