Kanzlerkandidat
Der Kanzlerkandidat wird in der Bundesrepublik Deutschland im allgemeinen von den großen Parteien vor einer Bundestagswahl nominiert. Die Parteien geben damit zu verstehen, dass ihre Parlamentsfraktion den entsprechenden Kandidaten bei positivem Wahlausgang zum Kanzler wählen wird.
Rechtlicher Status
Der Kanzlerkandidat als Institution ist in der deutschen Rechtsordnung nicht verankert. Er kommt weder im Verfassungs- und Wahlrecht noch in den Parteisatzungen vor.
Nominierung
In der politischen Praxis wird im Vorfeld der Bundestagswahl zumindest von den großen Parteien eine Person als Kanzlerkandidat (oder -kandidatin), meist durch Abstimmung auf einem Bundesparteitag, nominiert. Der jeweilige Kanzlerkandidat ist dann im Wahlkampf die Hauptfigur der Partei, auch wenn sie nicht direkt gewählt werden kann, sondern nur indirekt durch die Stimmabgabe für die Partei, von der sie nominiert worden ist. Bei den Schwesterparteien CDU/CSU wird in der Praxis nur ein Kandidat von beiden Parteien (auf je einem verschiedenen Parteitag) nominiert.
Geschichte
In der Weimarer Republik war die Benennung von Kanzlerkandidaten noch nicht üblich, ebensowenig in den ersten Jahren der Bundesrepublik; die Benennung eines Kanzlers war vielmehr ein Gegenstand von Koalitionsverhandlungen und wurde erst nach der Wahl vom jeweils siegreichen Parteienbündnis durchgeführt. Der erste so bezeichnete Kanzlerkandidat in Deutschland war Willy Brandt, bei der verlorenen Bundestagswahl von 1961. Nachdem die Nominierung eines Kanzlerkandidaten traditionell nur von den beiden großen Parteien CDU und SPD erfolgte, ernannte die FDP bei der Bundestagswahl 2002 mit Guido Westerwelle erstmals einen Kanzlerkandidaten. Die Nominierung erfolgte mit der Zielsetzung, in einem personalisierten Medienumfeld in Augenhöhe mit den Kandidaten Gerhard Schröder (SPD) und Edmund Stoiber (CDU/CSU) zu handeln. Der Versuch, die Teilnahme an Rededuellen zwischen den Kandidaten durch eine gerichtliche Entscheidung zu erzwingen, brachte der FDP in der Bundesverfassungsgerichtsentscheidung 2 BvR 1332/02 eine Niederlage ein:
- Demnach scheidet eine Teilnahme des Vorsitzenden der Beschwerdeführerin aus, weil er - was die Beschwerdeführerin letztlich selbst nicht bestreitet - keine realistische Aussicht hat, nach der Wahl am 22. September 2002 das Amt des Bundeskanzlers zu übernehmen. (Auszug aus der Gerichtsentscheidung)
Der Versuch wurde meist kritisch bis hämisch kommentiert, auch Westerwelle selbst bezeichnet seine Auszeichnung als Kanzlerkandidat im nachhinein als Fehler.
Erfolglose Kanzlerkandidaten in der deutschen Geschichte waren:
- 1961 - Willy Brandt (SPD)
- 1965 - Willy Brandt (SPD)
- 1969 - CDU/CSU nominierten keinen Kanzlerkandidaten (die Kanzlerkandidatur von Kurt Georg Kiesinger (CDU) verstand sich von selbst)
- 1972 - Rainer Barzel (CDU)
- 1976 - Helmut Kohl (CDU)
- 1980 - Franz-Josef Strauß (CSU)
- 1983 - Hans-Jochen Vogel (SPD)
- 1987 - Johannes Rau (SPD)
- 1990 - Oskar Lafontaine (SPD)
- 1994 - Rudolf Scharping (SPD)
- 1998 - Helmut Kohl (CDU)
- 2002 - Edmund Stoiber (CSU) und Guido Westerwelle (FDP)
- 2005 - Angela Merkel(CDU) und Gerhard Schröder (SPD)
Kanzlerkandidaten für die Wahl zum 16. Deutschen Bundestag
Bei der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag werden sich als Kanzlerkandidaten der Bundeskanzler und SPD-Vorsitzende Gerhard Schröder und Angela Merkel, die Vorsitzende der CDU, gegenüberstehen.
siehe: Spitzenkandidat