Ferdinand I. Karl Leopold Joseph Franz Marcellin, genannt der Gütige, tschechisch Ferdinand Dobrotivý, (* 19. April 1793 in Wien; † 29. Juni 1875 in Prag) war Kaiser von Österreich von 1835 bis 1848 und König von Böhmen und als Ferdinand V. seit 1830 auch König von Ungarn und Kroatien. Er stammte aus dem Haus Habsburg-Lothringen.

Leben
Ferdinand I., ältester Sohn von Kaiser Franz I. und Maria Theresia, Prinzessin beider Sizilien, wurde am 19. April 1793 in Wien geboren.
Der überglückliche Vater zeigte die Geburt in persönlichen Handschreiben einigen der im Ausland lebenden Verwandten an und sprach darin von einer glücklich geschehenen Entbindung, was der Wahrheit entsprach, aber auch einem gesunden Prinzen, was unrichtig war. Das schwache Baby hatte einen viel zu großen Kopf und konnte nur mit großer Mühe des Pflegepersonals und der Hilfe von Ärzten am Leben erhalten werden, entwickelte sich auch nicht altersgemäß. Auch lernte er sehr spät zu gehen und zu sprechen, und sein ganzes Benehmen und Verhalten gaben Anlass zu großer Sorge. So blieb er auch entgegen den üblichen Gepflogenheiten des Wiener Hofes bis zum neunten Lebensjahr in weiblicher Obhut, nicht bereits mit sechs Jahren unter der Obhut eines männlichen Erziehers.[1]
Von früher Jugend an von sehr schwächlicher Konstitution, an Epilepsie und Hydrocephalus leidend[2], erhielt er eine seiner künftigen Bestimmung wenig entsprechende Erziehung. Seine Lieblingsstudien waren heraldische und technologische, außerdem zog ihn die Landwirtschaft an.
Im April 1802 wurde seine Erziehung von Franz Maria von Steffaneo-Carnea übernommen. Dieser behandelte das Kind mit viel Verständnis und brachte ihn in seiner Entwicklung ein gehöriges Stück weiter. Maria Theresia, die Mutter, hielt allerdings nicht viel von ihm, und sie sorgte auch für seine Entlassung. Die erste Maßnahme seiner Stiefmutter Maria Ludovica war die Entlassung von ein paar Lehrern, die ihrer Meinung nach untauglich waren, und sich um einen geeigneten Erzieher für ihn zu kümmern. Sie fand für den inzwischen 15jährigen Ferdinand den Freiherrn Joseph von Erberg (seine Gattin wurde Aja bei den Kaisertöchtern). Der Schwererziehbare war bis dahin immer von der Öffentlichkeit abgeschirmt worden, hatte Launen, bekam Tobsuchtsanfälle, wenn es nicht nach seinem Willen ging. Der neue Erzieher erzog den Erzherzog zur Selbständigkeit, dieser lernte nun Schreiben und Lesen, bekam Reit-, Tanz-, Fecht und Klavierunterricht. Seine zeichnerische Begabung wurde gefördert und mit Billigung der Kaiserin erlernte er die Gärtnerei. 1814 zeigten sich jedoch bei Erberg Anzeichen einer beginnenden Schizophrenie und er wurde aus dem Dienst entlassen und die Kaiserin Maria Ludovica erklärte die Erziehung Ferdinands für abgeschlossen. Jedoch erhielt er Unterricht im Militärwesen, in naturwissenschaftlichen und technischen Fächern.[1]
Erst seit 1829 wohnte er den Sitzungen des Staatsrates bei und wurde vom Vater mit der Unterschrift und Erledigung gewisser Geschäftszweige beauftragt.
Auch seine am 28. September 1830 in Pressburg vollzogene Krönung zum König von Ungarn gab ihm keine größere Selbständigkeit. Das ihm herkömmlich von den ungarischen Ständen gereichte Ehrengeschenk von 50.000 Stück Dukaten verwendete er teils zur Unterstützung mehrerer verarmter ungarischer Gemeinden, teils zur Dotierung der in Pest zu errichtenden Akademie.
Im Jahre 1831 wurde er durch Prokuration mit Maria Anna (* 19. September 1803; † 4. Mai 1884), Tochter der Maria Theresia von Österreich-Este und Viktor Emanuel I., seiner Cousine 3. Grades, vermählt.
Einem Pistolenattentat des pensionierten Hauptmanns Franz Reindl, wegen Verweigerung einer Summe Geldes, am 9. August 1832 in Baden bei Wien entging er leicht verletzt[3].
Nach dem Tod seines Vaters Franz I. am 2. März 1835 folgte er ihm auf den Kaiserthron. Wegen seiner offensichtlichen Führungsschwäche bekam er den euphemistischen Beinamen Der Gütige. Der Volksmund verballhornte diesen Titel auch in „Gütinand der Fertige“.
Auch in heutigen geschichtswissenschaftlichen Arbeiten wird Ferdinand I. immer wieder als „geistesschwach“ beschrieben.[4] Zumindest im politischen Bereich, in seiner Funktion als Monarch, sei er weitgehend handlungsunfähig gewesen.[4] Andererseits sprach Ferdinand I. jedoch fünf Sprachen, beherrschte zwei Musikinstrumente, konnte sehr gut zeichnen, außerdem reiten, fechten und schießen und stand den Wissenschaften, den neuen technischen Erkenntnissen seiner Zeit und den Fortschritten in der Landwirtschaft aufgeschlossen gegenüber.
Aufgrund seiner Unfähigkeit, selbst zu herrschen, wurde eine Kabinettsregierung eingerichtet, die Staatskonferenz. Diese bestand aus dem Bruder des Kaisers, Erzherzog Franz Karl (dem Vater des nachmaligen Kaisers Franz Joseph), dem Staatskanzler Metternich und dem Grafen Franz Anton Graf von Kolowrat-Liebsteinsky und Erzherzog Ludwig, dem Onkel des Kaisers. Diese Zusammensetzung kam durch einen Kompromiss zwischen der Partei der Erzherzöge und der Minister im Dezember 1835 zustande.
Am 7. September 1836 empfing er in Prag die Krone von Böhmen, wobei er das übliche Krönungsgeschenk der Reichsstände von 50.000 Dukaten ebenfalls wohltätigen und sonstigen öffentlichen Zwecken widmete. Am Tag seiner Krönung als König der Lombardei (6. September 1838) erteilte er eine allgemeine Amnestie für alle bisher stattgefundenen politischen Vergehen seiner Untertanen in den italienischen Provinzen.
Die Unruhen der Märzrevolution 1848 veranlassten Ferdinand, mit seinem Hof nach Innsbruck zu fliehen. Zwar kehrte er Mitte August 1848 in die Hauptstadt zurück, begab sich aber nach dem Ausbruch des Oktoberaufstandes nach Olmütz. Dort legte er, da seine Ehe mit Maria Anna (vermählt 27. Februar 1831), kinderlos geblieben war, am 2. Dezember 1848 zu Gunsten seines Neffen Franz Josephs I. die Regierung nieder.
Nach seiner Abdankung lebte Ferdinand zurückgezogen in Mähren und Prag. Während seines Exils übernahm er selbst die Verwaltung der ererbten böhmischen Güter, deren Erträge er in kurzer Zeit enorm steigern konnte und die den Grundstock für das spätere Vermögen Kaiser Franz Josephs bildeten.
Am 29. Juni 1875 starb er in Prag, seine Witwe, die Ex-Kaiserin Anna, starb am 4. Mai 1884.
Titulatur
Ferdinands Großer Titel lautete (1839) auf:[5]
„Seine Kaiserlich-königliche Apostolische Majestät, Ferdinand I., von Gottes Gnaden Kaiser von Österreich, König von Hungarn und Böhmen, dieses Namens der Fünfte, König der Lombardei und Venedigs, König von Dalmatien, Kroatien, Slavonien, Galizien, Lodomerien und Illyrien; König von Jersualem etc. Erzherzog von Oesterreich, Großherzog von Toskana, Herzog von Lothringen, Salzburg, Steyer, Kärnthen, Krain, Ober- und Niederschlesien, von Modena, Parma, Piacenza und Gustalla, von Auschwitz und Zator, von Teschen, Friaul, Ragusa und Zara; Großfürst von Siebenbürgen; Markgraf von Mähren; Gefürsteter Graf von Habsburg und Tirol, von Kyburg, Görz und Gradiska; Fürst von Trient und Brixen; Markgraf der Ober- und Nieder-Lausitz und in Istrien, Graf von Hohenembs, Feldkirch, Bregenz, Sonnenberg etc. Herr von Triest, von Cattaro und auf der windischen Mark.“
Sein Wahlspruch war: Recta tueri – „Das Recht schützen“.
Familie
Abstammung
Franz Stephan von Lothringen (1708–1765), Haus Vaudémont | |||||||||||||
Leopold II. von Österreich (1747–1792) | |||||||||||||
Maria Theresia von Österreich (1740–1780), Haus Habsburg(-Lothringen) | |||||||||||||
Franz II. Joseph Karl von Österreich (1768–1835) | |||||||||||||
Karl III. von Spanien (1716–1788), Haus Bourbon-Anjou | |||||||||||||
Maria Ludovica von Spanien (1745–1792) | |||||||||||||
Maria Amalia von Sachsen (1724–1760), Haus Wettin | |||||||||||||
Ferdinand I. | |||||||||||||
Karl III. von Spanien (1716–1788), Haus Bourbon-Anjou | |||||||||||||
Ferdinando von Sizilien (1751–1825) | |||||||||||||
Maria Amalia von Sachsen (1724–1760), Haus Wettin | |||||||||||||
Maria Theresia von Neapel-Sizilien (1772–1807) | |||||||||||||
Franz Stephan von Lothringen (1708–1765), Haus Vaudémont | |||||||||||||
Maria Karolina von Österreich (1752–1814) | |||||||||||||
Maria Theresia von Österreich (1740–1780), Haus Habsburg(-Lothringen) | |||||||||||||
Nachkommen
Die Ehe mit Maria Anna, Prinzessin von Savoyen, Tochter von Viktor Emanuel I. und Maria Theresia von Österreich-Este blieb kinderlos.
Zugeschriebene Aussprüche
Kaiser Ferdinand wurde in der Volkslegende allmählich zu einer Klischeefigur, dem allerlei Sprüche in den Mund gelegt wurden.
Bei einer offiziellen Mahlzeit, bei der ihm das Essen nicht zusagte, soll er erklärt haben: „Ich bin der Kaiser und ich will Knödel.“
Ein kaiserlicher Leibjäger hatte einen Kaiseradler geschossen und die Trophäe dann dem Kaiser geschenkt. Ferdinand soll darauf gesagt haben: "Wie kann denn das a Kaiseradler sein, der hat doch nur einen Kopf?"
Bei Ausbruch der Märzrevolution soll sich folgende Szene zugetragen haben, die zum berühmtesten ihm zugeschriebenen und heute noch oft verwendeten Zitat geführt hat: Ferdinand betrachtet mit Kanzler Metternich von einem Fenster der Hofburg aus eine große aufgebrachte Menge. Er fragt Metternich in nasalem Schönbrunnerdeutsch: „Was mach'n denn all die viel'n Leut' da? Die san so laut!“ Dieser antwortet: „Die machen eine Revolution, Majestät.“ Ferdinand drauf erstaunt und konsterniert: „Ja, dürfen's denn des?“
Nach seinem Rücktritt wurde ihm bei jedem der zahlreichen Missgeschicke Franz Josephs von der Legende der Satz in den Mund gelegt: „Das hätt' ich auch noch z'ammbracht.“
Ein von einem Zeitgenossen (Hübner) miterlebter Ausspruch war bei der Amtsübergabe der Kaiserkrone an seinen Neffen Franz Joseph „Gott segne dich, sei brav, es ist gern geschehen.“[6]
Siehe auch
Literatur
- Schimmer: Ferdinand I. Wien 1849
- Holler Gerd: Gerechtigkeit für Ferdinand. Österreichs gütiger Kaiser. Wien 1986
Weblinks
- Vorlage:PND
- Ferdinand I. In: Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon. Band 2. Leipzig 1837, S. 25–26 (zeno.org).
- Ferdinand [4]. In: Herders Conversations-Lexikon. Band 2. Freiburg im Breisgau 1854, S. 684–685 (zeno.org).
- Constantin von Wurzbach: Ferdinand I., Kaiser von Oesterreich. Nr. 88. In: Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich. 6. Theil. Kaiserlich-königliche Hof- und Staatsdruckerei, Wien 1860, S. 197–200 ([http://Lua-Fehler in Modul:Vorlage:BLKÖ, Zeile 92: attempt to perform arithmetic on local 's' (a nil value) Digitalisat]).
- Felgel: Ferdinand I., Kaiser von Oesterreich. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 6, Duncker & Humblot, Leipzig 1877, S. 700 f.
- Ferdinand I. In: Brockhaus' Kleines Konversations-Lexikon. 5. Auflage. Band 1. Leipzig 1911, S. 569 (zeno.org).
- Vorlage:Aeiou
Einzelnachweise
- ↑ a b Friedrich Weissensteiner: Frauen auf Habsburgs Thron - die österreichischen Kaiserinnen. Ueberreuter Wien, 1998, ISBN 3-8000-3709-2
- ↑ Webseite über die Begräbnisstätten der Habsburger in Wien
- ↑ Wien, den 9. August. Heute gegen Mittag … Wiener Zeitung, 10. August 1832[1] sowie — Neues über den Attentäter Reindl. Badener Zeitung, 18. Mai 1912, unten Mitte[2]
- ↑ a b Thomas Nipperdey: Deutsche Geschichte 1800-1866. Bürgerwelt und starker Staat. C.H. Beck, broschierte Sonderausgabe 1998, S. 339
- ↑ Präambel Familienstatut der Habsburger 1839. Zit. nach François R. Velde: House Law of the Austrian Imperial Family. In: Heraldica → Royalty. 18. Januar 2007, abgerufen am 23. Juni 2009 (engl., mit, dt., orignaltexten).
- ↑ Museum-Online-Archiv 1996
Vorgänger | Amt | Nachfolger |
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Franz II. (als Franz I.) | Kaiser von Österreich 1835–1848 | Franz Joseph I. |
Franz II. (als Franz I.) | König von Ungarn als Ferdinand V. 1835–1848 | Franz Joseph I. |
Franz II. (als Franz I.) | König von Böhmen als Ferdinand V. 1835–1848 | Franz Joseph I. |
Franz II. (als Franz I.) | König von Kroatien-Slawonien und Dalmatien als Ferdinand V. 1835–1848 | Franz Joseph I. |
Franz II. | Erzherzog von Österreich als Ferdinand V. 1793 –1848 | Franz Joseph I. |
— | — | |
Franz II. von Österreich | Präsident des Deutschen Bundes 1835–1848 | Franz Joseph I. von Österreich |
Personendaten | |
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NAME | Ferdinand I. von Österreich |
ALTERNATIVNAMEN | Ferdinand Karl Leopold Joseph Franz Marcellin; Ferdinand der Gütige |
KURZBESCHREIBUNG | Kaiser von Österreich |
GEBURTSDATUM | 19. April 1793 |
GEBURTSORT | Wien |
STERBEDATUM | 29. Juni 1875 |
STERBEORT | Prag |