Helmut Krauch (* 2. Mai 1927 in Heidelberg) ist ein Pionier der interdisziplinären Systemforschung in Deutschland.

Leben und Werk.
Krauch studierte Naturwissenschaften in Heidelberg, arbeitete dort 1953-1956 am Max-Planck-Institut für Medizinische Forschung und promovierte bei dem Nobelpreisträger für Chemie Richard Kuhn. Als Stipendiat der National Science Foundation ging er 1956 in die USA und arbeitete dort als Forschungsassistent an der Yale University und am National Laboratory Brookhaven, New York. 1958 gründete er in Heidelberg die Interdisziplinäre Studiengruppe für Systemforschung. 1962 wurde er Mitarbeiter des Center for the Study of Democratic Institutions in Santa Barbara, California. 1965-1969 arbeitete er am Stanford Research Institute sowie als Gastprofessor an der University of California, Berkeley, an experimentellen und empirischen Untersuchungen über Planungs- und Entscheidungsprozesse. 1968 habilitierte er sich in Göttingen für experimentelle Soziologie und Wissenschaftssoziologie. Ab 1970 leitete er mehrere Projekte zur Systemanalyse in Regierung und Verwaltung, darunter im Bundeskanzleramt. 1972 ist er Professor für Systemdesign an der Kunsthochschule Kassel sowie Mitglied im Direktorium des Wissenschaftlichen Zentrums für Umweltsystemforschung an der Universität Kassel.
In der Heidelberger Studiengruppe entwickelten Krauch und seine Mitarbeiter die Methodik der maieutischen Systemanalyse, die nach dem Vorbild der sokratischen „Hebammenkunst“ eine Integration der Binnenperspektive von Akteuren mit der Außenperspektive des Systemforschers verbindet. Der Erkenntnisprozeß wird hierbei in einem dialogischen Verfahren organisiert, wobei Krauch auch erste Ansätze zu einer „Computerdemokratie“ entwickelte, die größere Bevölkerungsteile in wichtige Entscheidungen einbinden sollte. Hier wurden erste Weichen für die Technikfolgenabschätzung gestellt, die von Mitarbeitern Krauchs weitergeführt wurden.
Helmut Krauch hat schon früh Grenzen wissenschaftlicher Disziplinen überschritten. Seine Interessen reichten bald über seine ursprüngliche akademische Disziplin, die Chemie, hinaus und erfaßten soziale und politische Themen. Zudem war Krauch auch immer aktiver Gestalter, der nicht nur technische Projekte verfolgte (mehrere Patente für Wärme-Kraft-Maschinen), sondern auch künstlerische Interessen hatte (Ausstellung Konzeptkunst in der Dokumenta-Halle Kassel 1995). In seinem Erinnerungsbuch „Die Feuerbauchunken des Geheimrat Bosch“ wird die Atmosphäre im Haus seines Vaters, des Chemikers und Industriellen Carl Krauch, in den dreißiger Jahren wieder lebendig.
Werke
Reaktionen der organischen Chemie (mit Werner Kunz). Heidelberg 1961, 6. Aufl. 1997
Die organisierte Forschung. Neuwied 1970
Prioritäten für die Forschungspolitik. München 1970
Computer-Demokratie. Düsseldorf 1972
Die Feuerbauchunken des Geheimrat Bosch. Kassel 2007
Literatur
Andrea Brinckmann, Wissenschaftliche Politikberatung in den 60er Jahren. Die Studiengruppe für Systemforschung, 1958 bis 1975. Berlin 2006
Gotthardt Bechmann et al. (Hg.), Systemforschung – Politikberatung – öffentliche Aufklärung. Beiträge von und im Umfeld von Helmut Krauch. Kassel 2009