Lactoris fernandeziana ist eine Pflanzenart, die endemisch auf der vor Chile gelegenen Insel Robinsón Crusoe vorkommt. Sie ist die einzige Art der Gattung Lactoris und wird von aktuellen Autoren entweder in eine eigene Familie Lactoridaceae oder in die Familie der Osterluzeigewächse (Aristolochiaceae) eingeordnet.
Lactoris fernandeziana | ||||||||||||
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![]() Illustration von Lactoris fernandeziana | ||||||||||||
Systematik | ||||||||||||
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Wissenschaftlicher Name der Familie | ||||||||||||
Lactoridaceae | ||||||||||||
Engl. | ||||||||||||
Wissenschaftlicher Name der Gattung | ||||||||||||
Lactoris | ||||||||||||
Phil. | ||||||||||||
Wissenschaftlicher Name der Art | ||||||||||||
Lactoris fernandeziana | ||||||||||||
Phil. |
Beschreibung
Vegetative Merkmale
Lactoris fernandeziana ist ein Strauch, dessen kleine und einfache Laubblätter wechselständig stehen. Die Blattspreiten sind umgekehrt eiförmig, ganzrandig und buchtig und wirken gepunktet durchscheinend. Die Nebenblätter sind miteinander und mit der achszugewandten (adaxialen) Seite der Blattstiele verwachsen, so dass um den Zweig herum eine Art Scheide gebildet wird.
Die Zweige verzweigen sich monopodial, sind leicht zickzack-artig und besitzen verdickte Knoten. Diese Verdickung entsteht durch eine stärkere Ausprägung von Mark- und Rindengewebe im Vergleich zu den Internodien.
Blütenstände und Blüten
Die kleinen, dreizähligen Blüten stehen einzeln in den Achseln oder an zwei- bis vierblütigen, traubenähnlichen Kurztrieben, die keine Blütenstände im eigentlichen Sinne darstellen. Die Blüten können zweigeschlechtlich, rein männlich oder rein weiblich sein, wobei in den letzten beiden Fällen rudimentäre Stempel beziehungsweise Staminodien gebildet werden. Alle Formen von Blüten treten gemeinsam an einer Pflanze auf, so dass die Art als polygam gilt. An der Basis der Blütenstiele steht ein achszugewandtes Tragblatt. Die drei Kelchblätter überlappen sich dachziegelartig, Kronblätter werden nicht gebildet.
Die Staubblätter stehen in zwei Kreisen aus je drei Stück. Sie sind kurz, besitzen abgeflachte Staubfäden und nach außen gewendete, sich durch Schlitze öffnende Staubbeutel. Der Pollen wird in beständigen Tetraden abgegeben. Der innere Kreis der Staubblätter, manchmal auch beide Kreise sind zu Staminodien umgewandelt. Die drei Fruchtblätter stehen in einem einzigen Kreis und sind an der Basis miteinander verwachsen, stehen aber ansonsten frei. Der Fruchtknoten verjüngt sich in einen kurzen Griffel mit einer herablaufenden Narbe. In jedem Fruchtknoten befinden sich vier bis acht Samenanlagen, die anatroph angeordnet sind.
Früchte und Samen
Die Früchte sind balgfruchtartig aufgebaut und geschnäbelt. Sie enthalten kleine Samen mit reichlich öligen Endosperm und einem sehr kleinen, zwei Keimblätter tragenden Embryo. Die Samenschale besteht nur aus einer etwas verdickten Innenwand, die übrige Zellstruktur ist zurückgebildet.
Sonstige Merkmale
Die Chromosomenzahl ist 2n = 40, es wird vermutet, dass der Chromosomensatz tetraploid ist.[1] Phytochemische Merkmale sind kaum bekannt, einzig unbedeutende Mengen an Kaempferol wurden nachgewiesen.
Vorkommen und Standorte
Die Art kommt endemisch auf der zu den Juan-Fernández-Inseln gehörenden Insel Robinsón Crusoe vor. Sie wächst dort in Wäldern des Bergvorlandes in Höhenlagen zwischen 400 und 600 m.
Meist ist sie an relativ feuchten Standorten als unauffälliger Vertreter der Strauchschicht zu finden, selten trifft man sie an sonnigen Waldlichtungen. Zum Teil galt die Art bereits als ausgestorben oder nur durch weniger als 10 Exemplare überlebend, jedoch wurde nach Expeditionen Anfang der 1990er Jahre der Bestand auf etwa 1000 Exemplare geschätzt. An den meisten Standorten waren weniger als 10 Pflanzen zu finden.[1]
Systematik
Molekularbiologische Untersuchungen platzieren die Art nahe der Familie der Osterluzeigewächse (Aristolochiaceae). Ob die Art jedoch innerhalb dieser Familie zu platzieren ist, oder sich eigenständig entwickelt hat, konnte bisher nicht genau geklärt werden. Die Angiosperm Phylogeny Group erkennt daher in der Systematik der Bedecktsamer nach APG II von 2003 die Familie Lactoridaceae vorübergehend an.[2] Dem widersprechend führt Peter Stevens auf seiner − auf dem System nach APG II aufbauenden – Webseite die Art als Teil der Osterluzeigewächse.[3] Die 2008 erschienene 36. Auflage des Strasburgers führt die Art jedoch wieder als eigenständige Familie.[4]
Eine molekularbiologische Untersuchung, die 105 Taxa aus der Ordnung der Pfefferartigen (Piperales) umfasst, stellte Lactoris fernandeziana als Schwesterklade der Unterfamilie Aristolochioideae gegenüber. Die Beziehungen zur zweiten Unterfamilie der Osterluzeigewächse − den Asaroideae − konnten jedoch nicht geklärt werden. Je nach verwendeter Methode wurde eine andere Hypothese über die kladistischen Zusammenhänge aufgestellt:[5]
Die erste, auf der Methode der Parsimonie beruhende Hypothese gliedert Lactoris fernandeziana in die Osterluzeigewächse ein, die Eidechsenschwanzgewächse (Saururaceae) und die Pfeffergewächse (Piperaceae) bilden wiederum eine Schwesterklade dazu:
┌───── Asaroideae │ ┌─┤ ┌── Lactoris fernandeziana │ └──┤ │ └── Aristolochioideae ─┤ │ ┌─── Sauruaceae └───┤ └─── Piperaceae Kladogramm nach [5]
Untersuchungen nach der Bayesschen und der Maximum-Likelihood-Methode jedoch stellen die Asaroideae den Saururaceae und den Piperaceae gegenüber, wodurch die Osterluzeigewächse paraphyletisch werden würden:
┌──── Lactoris fernandeziana ┌──┤ │ └──── Aristolochioideae ─┤ │ ┌───── Asaroideae │ │ └─┤ ┌── Sauruaceae └──┤ └── Piperaceae Kladogramm nach [5]
Entwicklungsgeschichte
Fossile Pollen, die den Lactoridaceae zugeordnet werden können, sind aus Südafrika, Kanada, den USA, Australien, Indien, der Antarktis, sowie aus Argentinien bekannt. Dabei stammen die ältesten aus der Kreidezeit Südafrikas und werden auf ein Alter von 93 bis 76 Millionen Jahren datiert. Die jüngsten Funde stammen aus dem frühen Miozän Argentiniens und sind damit auch die dem heutigen Verbreitungsgebiet nächsten Funde.[6]
Da die Juan-Fernández-Inseln vulkanischen Ursprungs und nur etwa 4 Millionen Jahre alt sind und auch nie mit anderen Landmassen verbunden waren, geht man davon aus, dass die Art ein Überrest einer alten Abstammungslinie ist, die in den letzten 4 Millionen Jahren auf die Insel gekommen, jedoch danach auf der restlichen Welt ausgestorben ist.[1] Es wird angenommen, dass sich die Lactoridaceae in Südarfrika entwickelt haben und sich noch während der Kreidezeit von dort aus nach Amerika, Indien, die Antarktis und Südamerika verbreitet haben. Über den genauen Verbreitungsweg bis nach Südamerika bestehen mehrere Theorien, möglicherweise sind auch mehrere Wege zu unterschiedlichen Zeiten entstanden.[6]
Belege
Einzelnachweise
Die Informationen dieses Artikels entstammen zum größten Teil den unter Literatur angegebenen Quellen, darüber hinaus werden folgende Quellen zitiert:
- ↑ a b c Daniel J. Crawford et al.: Lactoris fernandeziana (Lactoridaceae) on the Juan Fernandez Islands: Allozyme Uniformity and Field Observations. In: Conservation Biology, Band 8, Nummer 1, März 1994, S. 277–280.
- ↑ Angiosperm Phylogeny Group: An update of the Angiosperm Phylogeny Group classification for the orders and families of flowering plants: APG II. In: Botanical Journal of the Linnean Society, Band 141, 2003. S. 399–436.
- ↑ Peter Stevens: Aristolochiaceae. In: Angiosperm Phylogeny Website, abgerufen am 5. Juli 2009.
- ↑ Andreas Bresinsky, Christian Körner, Joachim W. Kadereit, Gunther Neuhaus, Uwe Sonnewald: Strasburger – Lehrbuch der Botanik. Begründet von E. Strasburger. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg, 2008 (36. Aufl.) ISBN 978-3827414557
- ↑ a b c Stefan Wanke et al.: Evolution of Piperales—matK gene and trnK intron sequence data reveal lineage specific resolution contrast. In: Molecular Phylogenetics and Evolution, Band 42, 2007. S. 477−497.
- ↑ a b Juan Carlos Gamerro und Viviana Barreda: New fossil record of Lactoridaceae in southern South America: a palaeobiogeographical approach. In: Botanical Journal of the Linnean Society, Band 158, Nummer 1, 2008. S. 41−50.
Literatur
- Klaus Kubitzki et al. (Hrsg): The Families and genera of vascular plants, Band II: Flowering Plants, Dicotyledons. Magnoliid, Hamamelid and Caryophyllid Families, Springer Verlag, 1990, ISBN 978-3540555094.