Dieser Artikel behandelt eine kritische Diskussion in der politischen Linken und von Teilen der Schwulenbewegung, ob man an die Sexualität mit besonderen Strafnormen anknüpfen soll. Es wurde also unter anderem eine völlige Abschaffung des Sexualstrafrechtes, inkl. des § 176 StGB diskutiert. Diese Diskussion wurde von der breiten Öffentlichkeit meist abgelehnt und führte 1985 zu einem Skandal um die Grünen, wo die Landesarbeitsgemeinschaft "Schwule und Päderasten" im Landtagswahlkampf NRW ein Diskussionspapier vorgelegt hatte, welches explizit die Abschaffung des § 176 StGB forderte -- was von der Presse dankbar augegriffen wurde.
Sexualstrafrecht
Der 13. Abschnitt des Strafgesetzbuches regelt die Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung. Der Inzest Paragraph wird allerdings dem 12. Abschnitt zugeordnet. Bis zu den großen Strafrechtsreformen 1969 und 1973 waren außereheliche Sexualität, Homosexualität und Pornographie generell strafbar und Schutzgut war auch die Sittlichkeit und öffentliche Moral.
Diskussion der 1980er Jahre
In den 1980er Jahren gab es eine lebhafte Debatte über die Strafbarkeit der Homosexualität und die Streichung des § 175 StGB.
Pädophile versuchten diese Diskussion für ihre Interessen zu nutzen und warben - teils durchaus mit Erfolg - in der Schwulenbewegung um Solidarität und Hilfe bei ihrem Anliegen der Abschaffung des § 176 StGB.
Auch Teile der Krimnologie und der Sexualwissenschaften plädierten für einen neuen Umgang mit der Pädophilie. Sie unterschieden dabei zwischen pädophilen Akten und sexuellem Mißbrauch. Diese Sicht wurde von den meisten Wissenschaftlern im Lauf der 1990er Jahre korrigiert.
Diskussion innerhalb der Partei DIE GRÜNEN
Auch innerhalb der damaligen Partei DIE GRÜNEN gab es Diskussionen um eine Abschaffung des Sexualstrafrechts, und damit auch um eine Abschaffung des § 176 StGB über den sexuellen Mißbrauch von Kindern. Ein entsprechendes Diskussionspapier, das unter dem Titel "Sexualität und Herrschaft" von der Arbeitsgruppe "Schwule und Päderasten" des Landesverbands Nordrhein-Westfalen beschlossen wurde, sorgte im Landtagswahlkampf 1985 für Aufregung ("Kindersexskandal") und wurde breit in der Presse und Öffentlichkeit als Beleg für eine pädophilenfreundliche Haltung innerhalb der GRÜNEN zitiert.
Kernforderungen des Papiers waren
- Streichung der Paragraphen 174 bis 176 des StGB, die den sexuellen Mißbrauch von Gefangenen und Kranken sowie Abhängigen, homosexuelle Handlungen an Jugendlichen sowie den sexuellen Mißbrauch von Kindern unter Strafe stellen;
- jede sexuelle Handlung, die unter den Beteiligten gewaltfrei ausgeübt werde, müsse straffrei sein (Unterscheidung zwischen gewaltsamem "sexuellen Mißbrauch" und gewaltfreiem "Kindersex").
Im einzelenen heißt es in dem Papier:
- "einvernehmliche Sexualität (ist) eine Form der Kommunikation zwischen Menschen jeglichen Alters, Geschlechts, Religion oder Rasse und vor jeder Einschränkung zu schützen"; (Quelle: Frankfurter Rundschau, 16.03.1985, S. 3)
- Sex mit Kindern sei "für beide Teile angenehm, produktiv, entwicklungsfördernd, kurz: positiv"; Quelle:(Die Welt, 20.03.1985, S.4)
- "Einvernehmliche sexuelle Beziehungen dürfen grundsätzlich nicht kriminalisiert werden"; (Quelle: Die Welt, 20.03.1985, S.4)
- es sei nicht hinzunehmen, daß Erwachsene, die "die sexuellen Wünsche von Kindern und Jugendlichen ernst nehmen und liebevolle Beziehungen zu ihnen unterhalten", mit Gefängnis bis zu zehn Jahren bedroht würden. (Quelle: FAZ 16.03.1985, S.3)
Auch bei den "Realos" in der Partei war zu diesem Zeitpunkt weitgehend unumstritten, daß für sie eine wesentliche Forderung die Lockerung der Straftatbestände in den §§ 174 bis 184 StGB sei. (Quelle: Die Welt, 20.03.1985, S.4)
Dieses Diskussionspapier wurde am 9. März 1985 von der Landesdelegiertenkonferenz in Lüdenscheid mit 76 zu 53 Stimmen mehrheitlich als Diskussionspapier angenommen und somit ins Wahlprogramm der NRW-Grünen aufgenommen. Allerdings wurde -- wohl auch aufgrund der öffentlichen Diskussion -- wenig später eine revidierte Fassung des Programms beschlossen, in der diese Forderung nicht mehr auftaucht (Raschke 1993: 360).
Auch auf öffentlichen Druck hin rückte die Partei später deutlich von der Position nach einer kompletten Streichung der Sexualstraftatsbestände ab und der Politiker der Grünen Volker Beck trieb nach Gesprächen mit Opferschutzorganisationen sogar die Einführung des § 176a StGB (schwerer sexueller Mißbrauch von Kindern) stark voran.
Diskussion in der ILGA
Durch eine Intiative der US-Regierung kam Anfang der 1990er Jahre ans Tageslicht, dass in der ILGA auch die Pädophilenorganisation Northamerican Boy Love Association (NAMBLA) und Organisationen wie der Münchner Verein für sexuelle Gleichberechtigung oder Bundesverband Homosexualität (BVH) mit eigenen Pädophilen-Arbeitsgruppen Mitglied waren.
Die ILGA entschloss sich zum Ausschluss von Pädophilenorganisationen und Organisationen, die Pädophile unterstützten. Diese Entscheidung wurde vom Lesbenring und dem Lesben- und Schwulenverband (LSVD) mit unterstützt.
(problematische)Weblinks
Literaturangaben
- Raschke, Joachim (1993): DIE GRÜNEN: Wie wie sie wurden, was sie sind von Joachim Raschke, Köln: Bund-Verlag, insb. S. 360 ff. zum Landesverband Nordrhein-Westfalen.