Uhr

Messgerät, das den aktuellen Zeitpunkt anzeigt oder eine Zeitspanne misst
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Die Uhr (von mittelniederdeutsch: or(e), aus lateinisch: hora (die Stunde)) ist ein Instrument, das den aktuellen Zeitpunkt anzeigt oder eine Zeitspanne misst. In ihrer mehrere Jahrtausende umfassenden Entwicklungsgeschichte von der einfachen Elementaruhr bis zur hochpräzisen Atomuhr stand und steht sie noch heute in vielschichtiger Wechselwirkung zur kulturellen und gesellschaftlichen Entwicklung der Menschheit.

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Schweizer Bahnhofsuhr mit Analoganzeige (Minutensprung und „schleichendem“ Sekundenzeiger)
Digitale Funkuhr

Uhren werden in den unterschiedlichsten Lebensbereichen verwendet: Eine Armbanduhr begleitet ihren Träger als kleine ständige Zeitanzeige. Der Wecker markiert bestimmte Zeitpunkte, der Kurzzeitwecker oder die Eieruhr zeigen das Ende eines Zeitraums an. Die Küchenuhr ist durch Robustheit aber auch Gestaltung für den Gebrauch in einer Küche konzipiert. Die Glasenuhr gibt auf Schiffen den Zeitpunkt für den Wachwechsel vor. Immer paarweise gekoppelte, alternativ tätige Uhrwerke einer Schachuhr subtrahieren separat vorgegebenen Zeitraum bis zum Ablauf (count down). Die Mondphasenuhr zeigt zusätzlich zur Tageszeit die Mondphasen an, die Astronomische Uhr zusätzlich den Stand der Sonne zu den Gestirnen. Historisch wurde zur Navigation die Längenuhr zur Längenbestimmung eingesetzt. Besondere Bauweise und Funktionen weisen die Taucheruhr und die Fliegeruhr auf. Sie müssen höheren Belastungen standhalten als normale Uhren.

Uhren dienen im Wesentlichen der Bestimmung der Tageszeit oder zum Messen von Zeitunterschieden (Chronograph, Stechuhr). Eine genau gehende, nach bestimmten Regeln geprüfte Uhr wird auch als Chronometer bezeichnet.

Darüber hinaus gibt es eine lange Tradition, Uhren mit verschiedenen Zusatzfunktionen auszurüsten. Einige weit verbreitete Funktionen sind Schlagwerke und zusätzliche Anzeigen für Datum, Wochentag, Monat und Jahr und die Mondphasen. Spezielle Anzeigen für bestimmte Einsatzgebiete sind z. B. Weckfunktionen, Tachymeter, Kurzzeit-Messungen (z. B. Drehlünetten bei Taucheruhren) oder ein Countdown. Darüber hinaus gibt es weitere Zusatzfunktionen, die nicht direkt mit der Anzeige der Zeit zu tun haben, so z. B. der automatische Aufzug oder die Gangreserveanzeige.

Uhren, die sehr viele komplizierte Funktionen in einem Werk vereinen, nennt man Complication oder Grande Complication.

Geschichte und Entwicklung

 
Antike Sonnenuhr (Skaphe)
 
Wasseruhr mit Schwimmer, Gegengewicht und Zifferblatt zur Zeitanzeige

Altertum

Schon im Altertum teilte der Mensch seinen Tagesablauf durch Beobachtung der Himmelsgestirne Sonne und Mond ein. Auf- und Untergang der Sonne, sowie ihr höchster Stand am Mittag waren ihm markante Zeitpunkte, am wandernden Schatten konnte durch einfache Markierungen die Zeit eingeteilt werden. Im Alten Ägypten wurden hieraus die Schattenuhr entwickelt. Die Tage wurden in eine bestimmte Anzahl von saisonale Stunden unterteilt, deren Länge sich allerdings stetig im Verlauf der Jahreszeiten änderte. Spätestens seit dem Mittleren Reich waren Diagonalsternuhren in Gebrauch, deren Stundeneinteilung auf Bewegungen von Sternbildern beruhte und nach dem äqualen Stundenprinzip ausgerichtet waren. Sargtexten der jeweiligen Epoche ist zu entnehmen, dass die Diagonalsternuhren gemäß ägyptischer Mythologie den Verstorbenen bei ihrem Himmelsaufstieg behilflich sein sollten.

Seit dem 16. Jahrhundert v. Chr. ist die Verwendung der Wasseruhr im Alten Ägypten bekannt, die der Beamte Amenemhet in der Regierungszeit des Amenophis I. erfand. Wasseruhren bestanden aus einem Gefäß, in das Wasser entweder ein- oder auslief. Am Wasserstand konnte man die Zeit unabhängig vom Tageslicht und in gleichmäßigen Zeiteinheiten ablesen. Wasseruhren erlaubten so die Verwendung der gleichmäßigen, äqualen Stunden, die in abgewandelter Form in Babylonien beispielsweise als Danna Anwendung fanden. Später verwendete man an den Wasseruhren auch mit Räderwerken verbundene Schwimmer, die eine Zeitanzeige auf Zifferblättern ermöglichten. In Griechenland wurden diese Uhren zur Begrenzung der Redezeit vor Gericht eingesetzt. Die Redewendung „Die Zeit ist abgelaufen“ lässt sich darauf zurückführen.

Die Technik der Sonnenuhren und der Wasseruhren wurde von den Römern übernommen und im Imperium Romanum verbreitet. In Trier, dem römischen Augusta Treverorum, wurden 1913 die Grundmauern eines Turmes entdeckt, der dem Turm der Winde, einer kombinierten Sonnen- und Wasseruhr in Athen, fast identisch gewesen sein dürfte [1]. Es ist also davon auszugehen, dass diese Techniken spätestens zur Zeit der Germanischen Provinzen Roms in unseren Breiten bekannt waren, auch wenn das Wissen mit dem Niedergang des Römischen Reiches wieder für Jahrhunderte verloren ging.

Es folgte eine Blütezeit der Wissenschaften in islamischen Ländern. Araber und Mauren forschten auf verschiedenen Gebieten und erbrachten große Leistungen in der Mathematik, der Zeitmessung und der Astronomie. Prachtvolle Wasseruhren, die mit komplizierten Figurenautomaten ausgerüstet waren, sind aus dem arabischen Raum bekannt. Ein beeindruckendes Beispiel ist die Elefantenuhr des al-Dschazarī, eine anderes die Wasseruhr mit Automaten, die Karl der Große im Jahr 807 vom Kalifen Hārūn ar-Raschīd geschenkt bekam. Neben den Wasseruhren wurde auch das Astrolabium, ein ursprünglich griechisches Messinstrument zur Bestimmung von Sternenstandpunkten und Uhrzeit, weiter entwickelt. Die Astrolabien fanden ihren Weg zurück nach Europa und langsam entstanden vor allem in Klöstern die wissenschaftlichen Grundlagen für eine eigenständige Fertigung. An vielen mittelalterlichen Monumentaluhren sind solche Astrolabien zu finden.

Mittelalter

Neben den Sonnen- und Wasseruhren etablierte sich ab 900 n. Chr. in Europa auch die Kerzenuhr. Kerzen mit definierten Formen und Größen brannten in einer bestimmten Zeitdauer ab und anhand von Markierungen konnte man die abgelaufene Zeit ablesen. Diese Uhren konnten nicht nur unabhängig vom Tageslicht genutzt werden, sondern waren auch einfach im Umgang und leicht verfügbar. Neben den Kerzen wurden auch Öllampen, langsam abbrennende Zündschnüre und in China auch Feueruhren, zum Teil mit im Verlauf der Zeit wechselnden Düften verwendet.

 
Nachbildung einer Türmeruhr
 
Astronomische Uhr am Rathaus Heilbronn

Sanduhren sind mindestens genauso alt wie Wasseruhren, verbreiten sich in Mitteleuropa aber erst im 13. Jahrhundert. Zentren für ihre Herstellung waren Nürnberg und Venedig, die über geeignete Sandvorkommen verfügten.[2] Sanduhren sind nur für die Messung von relativ kurzen Zeitabständen geeignet und waren vor allem in der Schifffahrt als Glasenuhr lange in Gebrauch.

Das mittelalterliche Leben wurde durch eine Vielzahl von Glockenzeichen der Kirch- und Stadttürme geregelt. Nicht nur die Gebetszeiten der Klöster, sondern z. B. auch Öffnungszeiten von Stadttoren, Gerichts- und Marktzeiten und andere wichtige Zeiten des Tages und der Nacht wurden von den Türmern eingeläutet. Hierzu war eine zuverlässige Anzeige der Zeit erforderlich; eine Notwendigkeit, der die Sonnen- und Wasseruhren nicht genügten.

Als epochale Erfindung muss die Hemmung angesehen werden, die erst die Entwicklung der Räderuhr ermöglichte. Bereits seit vorchristlicher Zeit wurden Getriebe verwendet [3] und von den arabischen Wasseruhren waren komplizierte Automaten bekannt, aber erst die Hemmung machte aus dem frei ablaufenden Getriebe eine Uhr. Ab wann die mechanische Uhr verwendet wurde, ist nicht überliefert.[4]

Die Räderuhr fand bei Türmern schnell Verwendung zur Anzeige der rechten Zeit für das Anschlagen der Glocken. Zunächst hing die Türmeruhr mit Weckwerk und Stundenschlag in der Stube des Türmers, später wanderte sie als große, schmiedeeisene Turmuhr in die Rathäuser, Kirch- und Uhrentürme um der Allgemeinheit die Zeit anzuzeigen. Der Gangregler früher Räderuhren war das Foliot, eine einfache aber robuste Einrichtung, die Ganggenauigkeiten von etwa 10 Minuten pro Tag zuließ. Zur Kontrolle der Uhrzeit waren weiterhin Sonnenuhren erforderlich, was auch dazu führte, dass jede Stadt eine eigene Ortszeit hatte.

Die erste urkundliche Erwähnung einer Räderuhr datiert auf das Jahr 1335 und bezieht sich auf ein Gerät in der Kapelle des Palastes der Visconti in Mailand. Mit der Erfindung der Schlaguhr war es 1344 erstmals möglich, äquinoktiale Stunden mechanisch abzulesen. Im Jahr 1370 wurde in Paris eine erste öffentlich sichtbare Schlaguhr an dem Tour de l'Horloge genannten Eckturm des Palais de la Cité angebracht. Innerhalb des 14. Jahrhunderts entstanden in Europa in schneller Folge rund 500 öffentliche Räderuhren, die heute noch dokumentiert sind. Darüber hinaus ist eine große Anzahl Uhren zu vermuten, die nicht namentlich erwähnt wurden.

Vor allem die Erkenntnisse aus der Astronomie und der Mathematik nahmen zu dieser Zeit großen Einfluss auf die Entwicklung der Räderuhr. Einige monumentale, astronomische Uhren mit einer Vielzahl von komplizierten Anzeigen entstanden in dieser Zeit. Für europäische Monarchen und wohlhabende Bürger wurden nach gleichem Prinzip kleinere Uhren aus Eisen gefertigt. Obwohl auch sie über astronomische Anzeigen verfügten, dienten sie meist repräsentativen Zwecken. Gleichzeitig vollzog sich damit der Wandel von der öffentlichen zur häuslichen Uhr.

Zunächst wurden Räderuhren, abgesehen von einigen Einzelkünstlern, vor allem von Schlossern oder Büchsenmachern angefertigt und repariert, die bereits im Hochmittelalter in Zünften organisiert waren. Aus ihren Reihen spezialisierten sich Meister auf das Handwerk des Uhrmachers. Bereits um 1450 sind eigenständige Uhrmacherzünfte, z. B. in Wien nachweisbar [5]. Sehr früh nach der Erfindung der eisernen Räderuhr gab es aber auch Versuche, solche Uhren aus Holz zu bauen. Auch Turmuhren, die teilweise aus Holz gefertigt waren, sind bekannt[6]. Entgegen der üblichen Meinung waren die ersten Holzräderuhren keineswegs einfache Gebrauchsgegenstände, sondern oft kunstvoll gefertigt und für Fürsten oder hohe Geistliche bestimmt. Erst ab dem frühen 17. Jahrhundert kam es zu einer schnellen und weiten Verbreitung einfacher Holzräderuhren in Mitteleuropa, vor allem in der Schweiz, in Frankreich und in Süddeutschland[7].

Neuzeit

 
Tischuhr nach Peter Henlein (Replik)

Mit dem Zeitalter der Renaissance kam es zu zwei bedeutenden Entwicklungen, die den weiteren Weg der Uhr entscheidend beeinflussten.

Zum einen hatten die häuslichen Uhren ein Gehäuse erhalten, um sie vor Staub und damit vor Abnutzung zu schützen. Die Gestalt der Uhren war fortan dem jeweiligem Geschmack und der Mode ihrer Zeit unterworfen und nicht selten trat die Funktion der Zeitmessung hinter den Schmuck der äußeren Form zurück.

Zum anderen wurde es möglich, die Uhren durch neue Erfindungen, andere Materialien und bessere Werkzeuge im weiter zu verkleinern. Durch die Verwendung von Messing für die Zahnräder konnten diese wesentlich kleiner gefertigt werden. Die von Türschlössern bereits bekannte Feder wurde als Energiespeicher für das Uhrwerk übernommen und machte sie dadurch unabhängig vom Aufstellort. Peter Henlein aus Nürnberg baute um 1504 diesen Federantrieb in Verbindung mit einer Unrast als einer der ersten in eine Uhr ein und konnte sie so auf Taschengröße verkleinern.

Die Uhr war damit nicht nur unabhängig vom Aufstellort, sie konnte auch getragen werden und dabei kontinuierlich die Zeit anzeigen. Die Entwicklung teilte sich also in zwei wesentliche Uhrentypen, der ortsfesten Großuhr und der tragbaren Kleinuhr, an die später grundlegend unterschiedliche Anforderungen gestellt wurden.

Hauptartikel: Taschenuhr

 
Jost Bürgi: Mechanischer Himmelsglobus, hergestellt 1594 in Kassel, jetzt im Schweizerischen Landesmuseum in Zürich
 
John Harrisons Chronometer H5

Als typische Beispiele für Uhren der Renaissance sind viele Tischuhren erhalten. Sie zeichnen sich aus durch Werke mit Spindelhemmung und Radunruh, Federhaus mit Kraftübertragung über Darmsaiten und Schnecken, Räder aus feuervergoldetem Messing oder Kupfer, Werkplatinen aus Messing und profilierte Pfeiler. Teilweise haben sie ein Stunden- oder Viertelstundenschlagwerk auf Glocke und Wecker. Die Gehäuse weisen eine geometrische Grundform auf, sind aus vergoldetem Messing oder Bronze und in filigraner Arbeit durchbrochen. Seltene Exemplare haben astronomische Anzeigen oder phantasievolle, figürliche Automaten.[8]

Noch vor der Einführung des Pendels baute man vereinzelt bereits Uhren mit Minutenzeiger. Aus dem 16. Jahrhundert sind Stücke von Jost Bürgi bekannt, die sogar Hilfszifferblätter für Sekundenzeiger hatten [9], auch wenn die Ganggenauigkeit der Uhren eine so exakte Zeitmessung erst ab etwa 1700 zuließ.

An der Schwelle zum Barock erfolgte mit der Einführung des Pendels als Gangregler eine revolutionäre Entdeckung, die den Grundstein für die wissenschaftliche Chronometrie und den Bau von Präzisionsuhren legte. Galileo Galilei, genialer Wissenschaftler und Vorreiter des Kopernikanischen Weltbildes, beschrieb 1583 die Pendelgesetze und entdeckte den Isochronismus. Er erdachte einen Mechanismus mit Freier Hemmung und Pendel, den er aber zu Lebzeiten nicht mehr vollenden konnte. 1656 entwickelte der holländische Astronom, Mathematiker und Physiker Christiaan Huygens unabhängig von Galilei die gleiche Idee und ließ von Salomon Coster die erste Pendeluhr anfertigen. Nur kurze Zeit später, um 1680, wurde von William Clement die Ankerhemmung für Großuhren entwickelt[10]. Die Räderuhr gelangte damit zu einer noch nicht gekannten Präzision von durchschnittlich wenigen Sekunden Gangabweichung pro Tag. In der Folge wurden die Gangregler vieler alter Uhren durch Pendel ersetzt und der Minutenzeiger allgemein eingeführt.

Brennpunkte der Uhrmacherei waren in der folgenden Zeit die Niederlande und England, dort vor allem London. Die Grundzüge der wesentlichen niederländischen Uhrentypen, Haagse Klok, Stoelklok und die friesischen Uhren lassen sich direkt auf die von Salomon Coster gebauten Uhren zurück führen. In England entstanden mit der Einführung der Ankerhemmung die ersten Bodenstanduhren, die sogenannten Grandfather Clocks, die zusammen mit den Bracket Clocks zum Synonym für englische Großuhren wurden. Die Pendule als mittelgroße, auf eine Tisch oder eine Wandkonsole zu stellende Pendeluhr entwickelte sich in Frankreich (Blois und Paris) mit verschiedenen Gehäusestilen und regionalen Formen, später dann auch in der Schweiz (Neuchâtel und Genf). In Deutschland wurde die Bedeutung des Pendels lange verkannt und so verloren die deutschen Zentren Augsburg und Nürnberg ihre führende Rolle und gerieten ins Hintertreffen.

Der blühende, aber auch konkurrierende Handel europäischer Mächte mit den Kolonien in Übersee stellte höchste Anforderungen an die Seeschifffahrt. Für eine sichere Navigation war eine präzise Zeitmessung essentiell wichtig. Die Suche nach einer Lösung für das Längenproblem, also der Bestimmung der geographischen Länge auf dem offenen Meer, dauerte trotz ausgelobter Preisgelder in enormer Höhe über 150 Jahre an. Das Problem wurde schließlich 1759 von John Harrison mit dem Bau seiner Marinechronometer gelöst.

Moderne

In der Folge der Industrialisierung entwickelte sich ab Mitte des 19. Jahrhunderts in verschiedenen Zentren die Massenproduktion von Uhren. In Deutschland war vor allem die Uhrenindustrie im Schwarzwald bedeutend, in Frankreich mag die Entwicklung der Comtoise-Uhr als Beispiel gelten. Fortschritte in der Feinmechanik und später der Elektronik ermöglichten auch die sehr anspruchsvolle Fertigung von Taschenuhren mit einer Grande Complication.

Mit dem Aufkommen der flächendeckenden Stromversorgung zum Ende des 19. Jahrhunderts entstand schnell der Wunsch, Elektrizität auch für Uhren zu nutzen. Ein erster Schritt hierzu war das Aufziehen von Uhrwerken durch einen netzgespeisten Elektromotor. Turmuhren mit schweren Gewichten und Präzisionsuhren, die möglichst ungestört ablaufen sollten, wurde damit ausgerüstet. Elektrisch aufgezogene Unruh-Uhren wurden z. B. in Schaltuhren eingesetzt.

Der Gangregler (Pendel oder Unruh) mechanischer Uhren kann auch elektromagnetisch angetrieben werden und über eine Klinke das Räderwerk drehen. Solche Uhren gab es zum Beispiel als Wanduhr mit einer Dauermagnete tragenden „Unruh“, die mit feststehenden Spulen angetrieben wurde. Viele heute gehandelte elektrische Pendeluhren besitzen jedoch nur noch ein Scheinpendel, die Uhr selbst wird von einem Quarzwerk angetrieben.

Für die rasante Ausbreitung des überregionalen Eisenbahnverkehrs war es eine Notwendigkeit, Zeitsignale über weite Strecken zu übermitteln. Hauptuhren in öffentlichen Uhrenanlagen gaben zum Zeitabgleich elektrische Impulse an entfernt stehende Tochteruhren ab, die von einem einfachen Schrittschaltwerk angetriebenen waren. Dies läutete auch das Ende der regionaler Ortszeiten ein und führte zu einem gesellschaftlichen Wandel.

Hauptartikel: Bahnhofsuhr

Ein historisch kurzes aber dennoch wichtiges Intermezzo stellen die Synchronuhren dar, die die Netzfrequenz des Wechselstromnetzes als Zeitnormal nutzten. Sie waren preiswert herzustellen und als Großuhren in der Industrie und in öffentlichen Einrichtungen verbreitet.

Eine weitere Miniaturisierung des Uhrwerkes ließ zur Wende des 20. Jahrhunderts die Uhr auf Armbandgröße schrumpfen, die Armbanduhr. 1923 entwickelte John Harwood die Automatikuhr.

Hauptartikel: Armbanduhr

Die erste Quarzuhr wurde 1921 von H. M. Dadourian entwickelt, basierend auf kurz nach Ersten Weltkrieg von Paul Langevin durchgeführten Ultraschall-Experimenten mit Schwingquarzen. Der Taktgeber einer Quarzuhr ist kein mechanisches Pendel oder eine Unruh, sondern ein elektronischer Quarzoszillator, dessen Frequenz mit Hilfe eines Schwingquarzes besonders genau eingehalten wird.

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Die NIST-F1 Cesium fountain atomic clock gibt den Zeitstandard in den Vereinigten Staaten an.

Zunächst waren solche Uhren nicht als Konsumgut erhältlich, setzten sich aber Anfang der 1970er Jahre aufgrund der hohen Genauigkeit bei moderatem Preis und sehr geringem Wartungsaufwand am Markt durch und führten die traditionelle Uhrenindustrie in die Quarzkrise. Die klassische Räderuhr wurde von der Quarzuhr in fast allen Lebensbereichen vollständig verdrängt. Seit einigen Jahren erlebt sie als Armbanduhr ein beachtliches Revival.

Hauptartikel: Quarzuhr

Uhren, deren Zeitanzeige über ein Funksignal gesteuert wird, nennt man Funkuhren. Seit 1967 werden alle erreichbaren Funkuhren Mitteleuropas durch den Zeitzeichensender DCF77 mit einer Atomuhr der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt synchronisiert. Ein letzter Schritt zur derzeit höchsten Genauigkeit der Zeitmessung war die Entwicklung der Atomuhr, welche 1949 zum ersten Mal eingesetzt wurde. Atomuhren nutzen die Strahlungsübergänge freier Atome oder Ionen als Zeitgeber und finden in der Wissenschaft, zur Navigation in der Raumfahrt und als Zeitnormal Anwendung. Aus den Messwerten von über 260 Atomuhren an über 60 weltweit verteilten Instituten legt das Bureau International des Poids et Mesures in Paris die Internationale Atomzeit (TAI)[11] als Referenzzeit fest.

Hauptartikel: Atomuhr

Meilensteine der Entwicklung

Baugruppen einer Uhr

Im folgenden Abschnitt werden die Baugruppen einer einfachen, klassischen Räderuhr beschrieben. Elementaruhren und elektronische Uhren funktionieren nach grundlegend anderen Prinzipien.

Eine Räderuhr besteht aus den vier Baugruppen Energiespeicher, Übersetzung, Gangregler und Anzeige. Die vom Energiespeicher gelieferte Antriebsenergie wird durch die Übersetzung in einen Impuls umgewandelt, der die Schwingung des Gangreglers aufrecht erhält. Der Gangregler wiederum unterteilt das Ablaufen des Uhrwerks in gleichmäßige Zeitintervalle, die von der Anzeige abgelesen werden können.

Energiespeicher

Die einfachste und älteste Weise einer Räderuhr Antriebsenergie zu liefern ist die Verwendung eines langsam fallenden Gewichtes. Das Gewicht kann mit einem Seil, einer Darmsaite oder einer Kette am Antriebsrad des Uhrwerks befestigt sein. Je schwerer das Gewicht und je größer das Antriebsrad ist, desto mehr Drehmoment steht zum Antrieb des Gehwerks zur Verfügung.

Ein Gewichtsantrieb ist einfach zu konstruieren und liefert eine konstante Antriebsenergie. Die Laufdauer einer Gewichtsuhr wird durch die Fallhöhe des Gewichtes begrenzt. Ist das Gewicht abgelaufen, wird die Uhr entweder mit einem Schlüssel über den Aufzugvierkant oder, z.B. bei Kuckucksuhren oder Hausuhren direkt über den Kettenzug aufgezogen. Turmuhren mit schweren Gewichten verfügen oft über einen elektrischen Antrieb, der diese Arbeit übernimmt.

Eine andere Möglichkeit mechanische Energie zu speichern ist Verwendung einer Uhrfeder. In der Regel handelt es sich dabei um eine lange, aufgewundene Spiralfeder. Bei sehr einfachen Uhrwerken liegt die Feder frei, meistens befindet sie sich jedoch geschützt in einem Federhaus. Der Vorteil des Federantriebs liegt zum einen in der möglichen Verkleinerung des Uhrwerks, zum anderen in der Lageunabhängigkeit des Antriebs. Die Entwicklung des Federantriebs war eine der Voraussetzungen, um tragbare Uhren herstellen zu können.

Das von einer Spiralfeder abgegebene Antriebsdrehmoment ist nur im elastischen Bereich ihrer Federkennlinie konstant. Für gleichmäßig gute Gangergebnisse der Uhr sind also konstruktive Vorkehrungen erforderlich. Darüber hinaus kann aufgrund der begrenzten Federlänge nur eine geringe Menge Antriebsenergie gespeichert werden.

Elektrische Uhren werden entweder direkt über das Stromnetz, eine Batterie oder eine Knopfzelle mit Energie versorgt.

Übersetzung

Gehwerk

Das Räderwerk einer Uhr ist ein Getriebe aus Zahnrädern und Trieben, die fest auf Wellen angeordnet sind. Als Materialien wurden früher Holz, Eisen, Stahl oder Messing verwendet, bei modernen Uhren finden auch Kunststoffe oder z. B. Keramik Anwendung.

Räder und Triebe übertragen die vom Energiespeicher zur Verfügung gestellte Antriebskraft auf die Hemmung und bewegen die mit den Wellen verbundenen Zeiger. Durch die richtige Kombination der Zahnradpaare wird eine Abstufung der einzelnen Umlaufzeiten erreicht. So können verschiedene Zeiträume, z. B. Stunden und Minuten angezeigt werden.

Die Hemmung verhindert das freie Ablaufen des Uhrwerks und überträgt einen Impuls auf den Gangregler, der dadurch dauerhaft in Schwingung gehalten wird. Sie hat großen Einfluss auf die Präzision der Uhr und stand so stets im Mittelpunkt der Bemühungen, die Ganggenauigkeit der Uhren zu verbessern.

Schlagwerk

Viele Uhren verfügen zusätzlich über ein Schlagwerk, das vom Gehwerk zu bestimmten Zeitpunkten ausgelöst wird und ein akustisches Signal abgibt. Gehwerk und Schlagwerk sind in der Uhr getrennt, entweder neben- oder hintereinander, angebracht. Das Schlagwerk verfügt zusätzlich über Hebel, Rechen oder Scheiben, die die unterschiedlichen Funktionen steuern. Nachdem es ausgelöst wurde, läuft es einmalig ab und verharrt dann wieder selbsttätig. Zur Anzeige der Zeit werden meist Glocken oder Gongstäbe verwendet.

→ Hauptartikel: Schlagwerk (Uhr)

Gangregler

Das wichtigste Merkmal einer Uhr ist der Zeitgeber, der möglichst zeitsynchron laufen soll.

Einen natürlichen Zeitgeber hat die Sonnenuhr durch die Erdrotation, die Kerzenuhr durch die Abbrandgeschwindigkeit und die Vogeluhr, sie nutzt den Gesang der unterschiedlichen Vogelarten in den frühen Morgenstunden. Die Sanduhr und die Wasseruhr nutzen die relativ konstante Strömung von Sand bzw. Wasser in einer engen Passage aus.

Mechanische Zeitgeber werden Uhrwerke genannt. Der Isochronismus gibt der Pendeluhr (Pendel oder Drehpendel), der Unruhuhr und der Stimmgabeluhr den Takt vor. Die Quarzuhr nutzt die Eigenschwingung von Körpern, die Atomuhr, das derzeit genaueste Zeitmessgerät, die von Atom-Energieübergängen.

Bei vernetzten Uhren ist nur die Mutteruhr als Zeitgeber aktiv. Die Tochteruhren, wie beispielsweise bei Bahnhofs- und früheren Fabrikuhren verwirklicht, besitzen keinen eigenen Zeitgeber, sondern nur eine Anzeige, deren Schrittmotor durch Stromimpulse der Mutteruhr gesteuert wird.

Ein verwandtes Prinzip wird in der Funkuhr verwirklicht. Zwar verfügt sie über einen selbständigen Zeitgeber, zumeist ein Quarzwerk, welches einen vom Funknetz unabhängigen Betrieb bei Ausfall ermöglicht. Aber ihre weitaus höhere Genauigkeit erreicht sie nur durch Abgleich mit dem viel genaueren Zeitsignal eines Zeitsenders (z.B. DCF77) in Intervallen.

Zeit-Anzeige

 
Ein „Liquid-Chronometer“ in Ilmenau. Es zeigt die Zeit durch Flüssigkeitssäulen an
 
24-Stunden-Anzeige in Curitiba/Brasilien
 
Vielfältige Anzeige der Turmuhr (um 1920) zu Lier/Belgien
 
Einzeigeruhr

Die klassische Uhr ist eine Analoguhr mit zwei Zeigern, die auf dem Zifferblatt nur 12 Stunden anzeigt. Uhren mit einer Anzeige aller 24 Stunden sind dagegen selten. Nur noch selten wird auf das historische Vorbild einer Einzeigeruhr zurückgegriffen.
Eine besondere Analoguhr ist die Weltzeituhr.

Viele Uhren, vor Allem Armbanduhren, haben einen separaten Sekundenzeiger, der einmal pro Minute um das Ziffernblatt läuft. Eine Sonderform hierzu ist der Retrograph mit zwei Sekundenzeigern.

Bei den meisten Uhren laufen die Zeiger rechtsdrehend. Hiervon abgeleitet werden rechtsdrehende Bewegungen als „im Uhrzeigersinn“ bezeichnet. Nur sehr wenige Uhren laufen entgegengesetzt (linksdrehend, retrograd, im Mühlensinn).

Die Digitaluhr zeigt die Zeit mittels eines Displays numerisch an.

Die Lichtzeichenuhr ist eine Sonderform. Hier wird die Zeit durch abzählbare, diskrete Einzelelemente angezeigt, die digital interpretiert werden müssen. Die erste ihrer Art ist die Linear-Uhr in Kassel, eine funktionsgleiche große Variante befindet sich am Rheinturm in Düsseldorf.

Schlag-, Läute- und Spielwerk

Viele Großuhren, besonders Turmuhren besitzen ein Schlagwerk, um die Zeit hörbar zu machen, wobei einige außer zur vollen Stunde auch zur halben oder alle Viertelstunden schlagen. Hierfür nutzen Kirchenuhren gut tönende Glocken aus Bronzeguss. Die Spielwerke in Palästen und Rathäusern nutzen auch andere Klanggeber, beispielsweise Porzellanglöckchen. Sie bieten außer Melodien zur Unterhaltung mitunter auch bewegte figürliche Darstellungen und sind bereits nahe Verwandte der Spieluhren, die aber gar keine Zeit mehr anzeigen.

Auch Stand- und Wanduhren sind oft mit einem Schlag- und Spielwerk ausgestattet, wobei seltener Glocken als eher Stabgongs Stimmgabeln gleich Töne erzeugen. Einfache Wanduhren schlagen oft nur die Stunde und - mit dem gleichen Gong - die halbe Stunde (1 Anschlag). Sie müssen meist per Hand synchronisiert werden, wenn die Uhr gestellt wird. Hochwertige Wand- und Standuhren besitzen Viertelstundenschlag mit verschiedenen Gongs sowie ein sog. Rechenschlagwerk, welches nach dem Verstellen der Zeiger selbsttätig den korrekten Stundenschlag ausführt.

Schlag- und Spielwerk/?

Das weltweit berühmteste und zugleich häufigstnachgebildete ist der Westminsterschlag des Westminster Clock Tower. Bei elektronischen Uhrwerken werden häufig auch die Läutewerke elektronisch realisiert. Sogar Armbanduhren werden gerne mit Melodien für Zeitangabe und Weckalarm ausgestattet.

Westminster-Spielwerk/?

Hauptartikel: Schlagwerk (Uhr)

Natürliche Zeitgeber

Zur ungefähren Zeitmessung (Jahre bis hunderte Millionen von Jahren) werden auch allmählich oder periodisch in der Natur ablaufende Prozesse verwendet. In übertragenem Sinn kann man diese Veränderungen als biologische oder geologische „Uhren“ bezeichnen. Solche natürlichen Zeitgeber sind zum Beispiel

  • die Jahresringe und deren von den Klimaschwankungen abhängige Dicke bei Bäumen
  • der radioaktive Zerfall von Radioisotopen, zum Beispiel Kohlenstoff 14C (siehe Radiokohlenstoffdatierung). Das langlebigste zur Isotopen-Altersbestimmung verwendete Isotop, eines des Zirkon, wird zur Bestimmung des Alters der Erde herangezogen.
  • die Schichtung von Sedimenten, die anhand weltumspannender Ereignisse (Niederschläge des in die Atmosphäre getragenen Materials großer Vulkanausbrüche oder Meteoritenfälle) miteinander verglichen und zeitlich eingeordnet werden können.

Einzelnachweise

  1. Handwerkskammer Koblenz, Landesmuseum Koblenz: Meisterwerke. 2000 Jahre Handwerk am Mittelrhein. Band 8: Uhren, Koblenz 1992, ISBN:3925915389
  2. Reinhard Meis: Die Alte Uhr, Bd. 1. Klinkhardt & Biermann, Braunschweig 1978, ISBN 978-3781401167. S. 77ff
  3. z. B. der über ein Getriebe verfügende Wegstreckenmesser des Heron von Alexandria (um 100 v.Chr.)
  4. Der Begriff Uhrmacher jedenfalls wurde zum ersten Mal 1269 auf einer Bierrechnung für das Kloster Beaulieu erwähnt.
  5. Frederick Kaltenböck, Die Wiener Uhr [...]. Callwey, München 1988, ISBN 978-3766708991.
  6. Die älteste, nachweisbare, hölzerne Turmuhr wurde 1377 im Belfried von Gent errichtet. A. van Werveke aus den Archivalien des Reichsarchivs in Brüssel, 1928
  7. Berthold Schaaf: Holzräderuhren. Callwey, München 1986, ISBN 978-3766707918.
  8. Samuel Guye, Henri Michel: Uhren und Messinstrumente des 15. bis 19. Jahrhunderts. Orell Füssli, Zürich 1971.
  9. Nachweis dieser Uhren im Wiener Kunsthistorischen Museum und in der Sammlung J. Fremersdorf in Luzern.
  10. Fritz von Osterhausen: Callweys Uhrenlexikon. Callwey, München 1999, ISBN 978-3766713537. S.16
  11. http://www.bipm.org/en/scientific/tai/tai.html
  12. Eine teils im Vakuum arbeitende Pendeluhr, mit einer Ganggenauigkeit von einer Zehntelsekunde pro Tag. Spektrum der Wissenschaft: Spezial-ND1, 2007: Phänomen Zeit, S. 35

Siehe auch

Literatur

  • P. Fintan Kindler: Die Uhren. Ein Abriß der Geschichte der Zeitmessung. Benziger, Köln 1905.
  • Ernst von Bassermann-Jordan (Hrsg.): Die Geschichte der Zeitmessung und der Uhren. VWV Walter de Gruyter, Berlin 1920. (Digitalisat)
  • Ernst von Bassermann-Jordan, Hans von Bertele: Uhren. Klinkhardt & Biermann, Braunschweig 1969.
  • Reinhard Meis: Die Alte Uhr. Klinkhardt & Biermann, Braunschweig 1978, ISBN 978-3781401167.
  • Jürgen Abeler: Ullstein Uhren Buch. Eine Kulturgeschichte der Zeitmessung. Ullstein, Frankfurt am Main 1994, ISBN 978-3550068492.
  • Gerhard König: Die Uhr. Geschichte, Technik, Zeit. Koehler + Amelang, Berlin 1999, ISBN 978-3733800659.
  • Carlo M. Cipolla: Gezählte Zeit. Wie die mechanische Uhr das Leben veränderte. Wagenbach, Berlin 1999, ISBN 978-3803123435.
  • Gerhard Dohrn-van Rossum: Die Geschichte der Stunde. Anaconda, München 2007, ISBN 978-3866471399.
Commons: Uhren – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Uhr – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Wikiquote: Uhr – Zitate

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