Rainer Karlsch

deutscher Wirtschaftshistoriker, Mitarbeiter am Lehrstuhl für Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Humboldt-Universität
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Rainer Karlsch (* 1957) studierte Wirtschaftsgeschichte an der Humboldt-Universität in Berlin und wurde im Jahre 1986, also noch zu Zeiten der DDR, zum Dr. oec. promoviert.

Anschließend war er Mitarbeiter am Lehrstuhl für Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Humboldt-Universität und der "Historischen Kommission Berlin" und der Freien Universität Berlin. Hervorgetreten ist er durch zahlreiche wirtschaftsgeschichtlichen Veröffentlichungen. Zu seinen bekanntesten Werken gehören "Allein bezahlt? Die Reparationsleistungen der SBZ/DDR 1945-53"(1993); zusammen mit Zbynek Zeman "Urangeheimnisse" (2002); zusammen mit Raymond Stokes "Faktor Öl. Die Mineralölwirtschaft in Deutschland 1859-1974" (2003).

Sein neuestes Werk, "Hitlers Bombe. Die Geheime Geschichte der deutschen Kernwaffenversuche", löste ein heftiges Presse-Echo aus. Darin fördert Dr. Karlsch vollkommen neue Facetten der deutschen Rüstungsforschung während der letzten zwei Jahre des Dritten Reiches zu Tage. Es gelingt dem Verfasser deutlich zu machen, dass es noch ganz andere Gruppen neben Heisenberg und von Weizsäcker, den so genannten "Uranverein", gab, die sich mit der Erforschung der Nukleartechnologie befassten und dabei nicht ihr Augenmerk auf einen funktionsfähigen Reaktor hatten, sondern bewusst und zielstrebig an der Entwicklung von Waffen arbeiten. Der Autor konnte zahlreiche neue Quellen zu Tage fördern, so der Entwurf eines Patentes für eine Plutoniumbombe und ein russischer Spionage-Bericht mit samt einer wissenschaftlichen Beurteilung über einen durchgeführten Atombombentest in Thüringen. Das Presse-Echo mag nicht nur in der sensationserheischenden Ankündigung der "Deutschen Verlagsanstalt" zu suchen sein, sondern liegt in der These, dass es eben erfolgreiche Tests kleiner atomarer Waffen gegeben habe, obschon im "Dritten Reich" - wie auch Karlsch zu gibt - nur kleine Mengen von schwach angereichertem, er spricht von maximal 10 Prozent - radioaktiven Material vorhanden war. Nach gängiger Lehrmeinung sind mehrere dutzend Kilo Uran-235 oder Plutonium, die jeweils einen Anreicherungsgrad von mehr als 90 Prozent haben, nötig, um eine Explosion - wie sie aus Hiroshima und Nagasaki bekannt ist - zu erzeugen. Karlsch zeigt hier einen fast vollkommen unbekannten dritten Weg auf: durch die Fission leichter Elemente, welche nichts anderes darstelle als eine nukleare Hohlladung, sei es deutschen Forschern gelungen, in Thüringen im März 1945 einen erfolgreichen Test durchzuführen, welcher nur die Auswirkung einer taktischen Nuklearwaffe gehabt habe, er sprich in diesem Zusammenhang von einem Wirkungsradius von 500 Metern.

Diese "Ungeheuerlichkeiten", welche das gängige Geschichtsbild der nur friedlichen Forschung an einem Reaktor während des Zweiten Weltkrieges durch den so genannten "Uranverein" auf den Kopf stellt, zusammen mit der immer noch recht dünnen Quellenlage, mit denen Dr. Karlsch seine Ausführungen stützen muss, haben eine breite Front der journalistischen Ablehnung erzeugt. Es ist zu erwarten, dass nach diesem Buch ein neues Kapitel in der Wissenschaftsgeschichte aufgeschlagen werden wird, zumal das davon auszugehen ist, dass neue - uns jetzt noch unbekannte Quellen - an Licht kommen werden.

  • Zwei Rezensionen von "Hitlers Bombe" aus der Wochenzeitung Die Zeit vom 17.03.2005: Pro und Contra.
  • Rezension auf H-Soz-u-Kult: pro