Unter dem Begriff des New Hollywood werden amerikanische Filme zusammengefasst, die zwischen den späten 60er und mittleren 70er Jahren das traditionelle Hollywood-Kino modernisierten. Im allgemeinen datiert man den Beginn des New Hollywood auf das Jahr 1967. Damals entstanden mit Die Reifeprüfung und Bonnie und Clyde zwei Filme, die sich formal wie thematisch von den bis dato gängigen Hollywood-Produktionen unterschieden.
Nahezu alle New-Hollywood-Filme zeichnen sich durch eine – deutliche oder latente – gesellschaftskritische Grundhaltung aus. Viele stellen in einer radikalen, ungewohnt deutlichen Weise Sex und Gewalt dar. Einige Regisseure modernisierten die klassischen Genres des Hollywood-Kinos (Western, Film Noir...) oder „dekonstruierten“ sie, indem sie absichtlich gegen Genre-Konventionen verstießen.
Die relativ kurze New Hollywood-Ära gilt als eine der künstlerisch bedeutendsten Phasen des amerikanischen Films.
Das Old Hollywood
Bis in die frühen 60er Jahre wurde ein Großteil der Hollywood-Filme nach einem Baukastensystem hergestellt. Bekannte Stars (wie John Wayne oder Cary Grant) traten jahrzehntelang in nahezu identischen Rollen auf und bedienten dabei immer dieselben Genres (Western, Komödie …). Wichtige Regisseure wie Alfred Hitchcock (Thriller / Krimi) oder John Ford (Western) arbeiteten jahrzehntelang im selben Genre und bildeten so ihre Meisterschaft heraus. Gängige Erfolgsrezepte wurden in der Regel jahrelang variiert (Rock Hudson / Doris Day in einer romantischen Komödie). Als das Fernsehen aufkam und zu einer ernsthaften Konkurrenz für das Kino wurde, reagierte Hollywood mit erfolgreichen Monumentalfilmen wie Die zehn Gebote oder Ben Hur. Die meisten der alten Hollywood-Filme spielten in einer Traumwelt und bedienten die eskapistischen Bedürfnisse eines Publikums, das im Kino nicht mit den sozialen Realitäten konfrontiert werden wollte.
Mitte der 60er Jahre war die Traumfabrik Hollywood mit ihren bewährten Rezepten jedoch an einem toten Punkt angelangt. Die berühmten Regisseure und Darsteller waren in die Jahre gekommen oder tot, und die Studios wurden von alten Männern wie Jack Warner geleitet, die teils seit der Stummfilmzeit ihren Posten bekleideten und keinen Kontakt mehr mit der gesellschaftlichen Realität hatten. Bedeutende Filmemacher wie John Ford, Alfred Hitchcock oder Billy Wilder hatten ihr Hauptwerk abgeschlossen und ihren künstlerischen Zenit überschritten. Als Folge wurden immer mehr Filme am Publikum vorbei produziert. In einem verzweifelten Versuch, ihre Zuschauer zurückzugewinnen, pumpten die Studios enorme Summen in künstlerisch unbedeutende Monumentalfilme und Musicals, die niemand mehr sehen wollte.
Ein Stil setzt sich durch
Erste Hits
Das künstlerische Vakuum, das Mitte der 60er Jahre in Hollywood sichtbar wurde, ermöglichte es jungen Filmemachern, eine neue Art von Kino zu etablieren. Arthur Penn drehte mit Bonnie und Clyde (1967) einen erfolgreichen Gangsterfilm, dessen skeptische Anti-Establishment-Haltung – kombiniert mit einem lyrischen, modernen Erzähl-Stil – haargenau den Zeitgeist traf. Ähnliches gelang Mike Nichols mit Die Reifeprüfung (1967), in dem Dustin Hoffman (dem mit dieser Rolle der Durchbruch gelang) als frustrierter College-Absolvent gegen die langweilige, moralisch korrupte Spießerwelt der Elterngeneration rebelliert.
Der Erfolg dieser beiden Filme ebnete unter anderem den Weg für Hippie-Regisseur Dennis Hopper, der 1969 den Motorrad-Streifen Easy Rider realisierte. Der billig produzierte Film wurde von der Woodstock-Generation mit Begeisterung aufgenommen und weltweit zu einem großen Hit. Die Hippie-Helden des Films – dargestellt von Dennis Hopper, Peter Fonda und Jack Nicholson – fallen mordlüsternen Hinterwäldlern zum Opfer.
Der ehemalige TV-Regisseur Robert Altman drehte mit M*A*S*H (1970) einen ätzend-satirischen Anti-Kriegsfilm über den Koreakrieg, dessen hippieske Helden (unter anderem Donald Sutherland) soldatische Tugenden ad absurdum führen. Der ehemalige Cutter Hal Ashby realisierte mit Harold und Maude (1971) und Das letzte Kommando (1973) zwei New-Hollywood-Filme mit einem ganz eigenen Blick auf die gesellschaftlichen Verhältnisse. John Cassavates arbeitete als Schauspieler in kommerziellen Hollywood-Produktionen (Das dreckige Dutzend) und sezierte als Regisseur die Krisen und Neurosen von Durchschnittsamerikanern in mittleren Jahren (Eine Frau unter Einfluß, 1974).
Western
Hollywood-Veteran Sam Peckinpah realisierte in einem kraftvollen, unverwechselbaren Stil pessimistische Spät-Western wie The Wild Bunch – Sie kannten kein Gesetz (1969) oder Pat Garrett & Billy the Kid (1973). Peckinpahs sympathische Outlaws scheiterten - wie auch die liebenswerten Wildwest-Ganoven in Zwei Banditen (1969) - an einer massiv aufmarschierten Staatsmacht, die sie gnadenlos zusammenschoss. In dem unterhaltsam-satirischen Anti-Western Little Big Man (1969) spielte Dustin Hoffman einen freundlichen Nicht-Helden inmitten der Indianerkriege. Die sympathischen Indianer des Films wurden von dem vermeintlichen Nationalhelden General Custer brutal abgeschlachtet, der sich als Psychopath entpuppte. Robert Altman verweigerte sich in McCabe & Mrs. Miller (1971) allen Regeln des Genres und zeigte illusionslose Glücksritter in einer verschlammten Western-Stadt. In Arthur Penns Duell am Missouri lieferte Marlon Brando 1975 als bizarrer Killer die Travestie eines Western-Schurken. Für Sydney Pollack spielte Robert Redford die Rolle eines jungen Trappers, der die Schönheit und Grausamkeit der Rocky Mountains kennenlernt (Jeremiah Johnson, 1971).
Komödien
Der ehemalige Bühnenkomiker Woody Allen begann Ende der 60er Jahre damit, die (Sexual-)Neurosen des modernen urbanen Mannes in originellen Komödien wie Der Stadtneurotiker (1977) zu thematisieren. Der bebrillte, schmächtige, hibbelige Allen, der als sein eigener Hauptdarsteller agierte, war einer der typischen Anti-Helden der Ära. Mel Brooks gelang eine Reihe origineller Genre-Parodien wie z.B. Frankenstein Junior (1974) oder Silent Movie (1976), in denen das klassische Hollywood respektlos, doch liebevoll verulkt wurde.
Horrorfilme
George A. Romero begründete mit dem aggressiven No-Budget-Streifen Die Nacht der lebenden Toten (1969) den modernen Horrorfilm. Die Bedrohung ging von zu Zombies mutierten Bürgern aus. John Carpenter drehte eine Reihe brillanter, niedrig budgetierter Thriller wie Assault - Anschlag bei Nacht (1976) und Halloween - Die Nacht des Grauens (1978), die sich durch ihre düstere, pessimistische Grundhaltung auszeichneten. Im Horror-Kultfilm Kettensägenmassaker (1974) von Tobe Hooper wurden friedliche Hippies in der US-Provinz von psychopathischen Farmern abgeschlachtet. In Rosemaries Baby (1968), inszeniert von Roman Polanski, wird eine junge Frau von ältlichen Satansanhängern manipuliert.
Science Fiction
Der amerikanische Science Fiction-Film dieser Ära zeichnet sich durch eine durchweg zivilisationskritische, pessimistische Stimmung aus. In Planet der Affen (1967) und Der Omega-Mann (1970) erlebt Charlton Heston in postapokalyptischen Welten beklemmende Abenteuer. Jahr 2022... die überleben wollen (1973; wieder mit Heston) zeigt die Endphase der westlichen Zivilisation, die von Smog, Umweltverschmutzung und einem neuen Kannibalismus geprägt ist. In Silent Running (1972) von Douglas Trumbull werden die letzten Wälder des Planeten Erde in einem Gewächshaus-Raumschiff gepflegt (das auf höheren Befehl gesprengt werden soll). In Andromeda - Tödlicher Staub aus dem All (1971) von Regie-Veteran Robert Wise attackieren außerirdische Mikroorganismen ein Geheimlabor, in Crazies (1973) von George A. Romero lassen biologische Kampfstoffe friedliche Dorfbewohner zu Killern mutieren. John Carpenter zeigte in Dark Star - Finsterer Stern (1974) die absurden Abenteuer einer Raumschiffbesatzung, die damit beauftragt ist, "instabile Planeten" zu sprengen. In THX 1138 (1971) von George Lucas rebellieren die kahlgeschorenen Opfer einer aseptischen Zukunftsdiktatur gegen ihre Peiniger. Phase IV (1974) von Saul Bass zeigt ein Wissenschaftler-Team im vergeblichen Kampf gegen die überlegene Intelligenz eines Ameisen-Kollektivs. Ridley Scotts stilbildender Kultfilm Alien (1978) erzählte in alptraumhaften Bildern, wie eine Raumschiffbesatzung von einem unbesiegbaren Außerirdischen dezimiert wird.
Der Regisseur als auteur
All diese New-Hollywood-Filme hatten gemeinsam, dass die Person des Regisseurs eine zentrale Bedeutung bei der Produktion gewann. War in früheren Zeiten oft der Produzent oder Studioboss die entscheidende Figur bei der Herstellung eines Films, rückten die Regisseure nun in die wichtigste Machtposition vor.
Die meisten von ihnen sahen sich in der Tradition des europäischen Autorenfilms als den so genannten "auteur" ihrer Werke, der in die Produktion, die Drehbucherstellung, den Schnitt involviert war. Tatsächlich gingen viele der inhaltlichen und stilistischen Entwicklungen des New Hollywood auf die wegweisenden Filme der französischen Nouvelle Vague zurück.
Die meisten New-Hollywood-Regisseure waren von den Qualitäten des europäischen Kinos begeistert und bewunderten Regisseure wie Francois Truffaut, Jean-Luc Godard, Jean Renoir, Ingmar Bergman, Federico Fellini, Luchino Visconti oder Michelangelo Antonioni. Sie hatten für die standardisierten Kommerzfilme Hollywoods nur Verachtung übrig und wollten einer individuellen Vision folgen. Sie wollten Filme drehen, die tiefgründig, subtil und künstlerisch relevant waren.
Neue Themen, neue Technik, neue Stars
Themen
New-Hollywood-Filme waren meist nahe an der gesellschaftlichen Realität und nahmen oft die Themen der Protestbewegungen auf, die gegen die erstarrten sozialen Strukturen und den Vietnamkrieg rebellierten und eine gesellschaftliche Liberalisierung forderten. In einigen New-Hollywood-Filmen wurde die populäre Musik dieser Ära eingesetzt: Bob Dylan, Cat Stevens, Simon & Garfunkel, The Doors, Steppenwolf, The Rolling Stones.
New-Hollywood-Geschichten spielten nicht in einer hermetischen Traumwelt, sondern erzählten in der Regel von echten Menschen mit realen Problemen. Die Protagonisten wurden nicht heroisiert, sondern in ihren Handlungen und Motiven hinterfragt und analysiert. Viele von ihnen gingen an den Realitäten zugrunde oder wurden in ihrem - oft tödlichen - Scheitern zu Märtyrern, die "das System" im moralischen Sinne besiegt hatten.
Die Vertreter der staatlichen Autoritäten waren korrupt, psychopathisch, intrigant. Mächtige Männer und hohe Funktionsträger erwiesen sich als moralische Bankrotteure. Undurchsichtige Geheimdienst-Intrigen bedrohten harmlose Durchschnittsbürger. Hinter den Fassaden der Wohlanständigkeit taten sich Abgründe auf. Das New Hollywood spiegelte auf diese Weise die Verunsicherung und die Paranoia der Vietnam- und Watergate-Ära wider. Noch während das New Hollywood seine größten Erfolge feierte, wurde Präsident Richard Nixon als Lügner entlarvt und musste zurücktreten.
Technik
Auf der technischen Seite wurde die neue Art des Geschichten-Erzählens durch kleine, handliche Kameras und empfindlicheres Filmmaterial möglich. Die Filmemacher konnten die Studios verlassen und on location drehen, teilweise in einem fast dokumentarischen Stil ohne zusätzliches Licht. Der typische Look vieler Filme dieser Ära hat genau diesen Charme des inszenierten Dokumentarfilms (Asphalt-Cowboy, Hexenkessel, French Connection).
Männliche Stars
Die Rollen im New-Hollywood-Kino wurden in der Regel nicht mit etablierten Hollywood-Stars besetzt (für viele von ihnen begann zu dieser Zeit ein Karriere-Abstieg). Statt dessen kamen unangepasste, unglamouröse, doch hochtalentierte Darsteller zum Einsatz, die einen ganz neuen Realismus in ihr Spiel einbrachten: Gene Hackman, Robert Duvall, Martin Sheen, John Cazale, Gene Wilder, Richard Dreyfuss, Donald Sutherland, Elliott Gould oder Bruce Dern. Viele von ihnen kamen vom New Yorker Off-Broadway und hätten im alten Hollywood-System bestenfalls Nebenrollen erhalten.
Jack Nicholson, Robert De Niro, Dustin Hoffman und Al Pacino waren die wichtigsten Schauspieler der Ära. Sie stiegen durch ihre brillanten Rollengestaltungen zu Superstars auf und konnten sich für Jahrzehnte an der Spitze von Hollywood halten.
Warren Beatty und Robert Redford erreichten während der New-Hollywood-Ära Top-Star-Status. Sie entsprachen zwar äußerlich dem Typus des Filmstars, brachten aber eine skeptische, „unglamouröse“ Grundhaltung in ihr Spiel ein. (Sowohl Beatty wie Redford profilierten sich auch als Regisseure und Produzenten.) Auch die gutaussehenden Darsteller Ryan O'Neal und Jon Voight spielten wichtige New-Hollywood-Rollen. Top-Stars wie Paul Newman, Burt Reynolds oder Burt Lancaster arbeiteten für die wichtigsten Regisseure der Ära. Der legendäre Marlon Brando wurde nach einem jahrelangen Karrieretief erfolgreich reaktiviert und spielte unter anderem die berühmte Rolle des "Paten".
Weibliche Stars
Da die New-Hollywood-Filme in der Regel "männliche" Themen behandelten und mit männlichen Hauptdarstellern gedreht wurden, konnten sich während dieser Ära nur relativ wenige Schauspielerinnen durchsetzen. Wichtige Protagonistinnen des New-Hollywood-Kinos waren Faye Dunaway, Jane Fonda, Barbra Streisand, Diane Keaton, Jill Clayburgh, Ellen Burstyn oder Karen Black.
Weitere wichtige Protagonisten
Auch die folgenden Personen waren für das New Hollywood bedeutsam:
- Produzenten: Bert Schneider (Easy Rider, Ein Mann sucht sich selbst, Die letzte Vorstellung), Robert Evans (Der Pate, Chinatown, Der Marathon-Mann)
- Drehbuchautoren: William Goldman (Zwei Banditen, Die Unbestechlichen, Der Marathon-Mann), Robert Towne (Bonnie & Clyde, Das letzte Kommando, Chinatwon), Rudy Wurlitzer (Asphaltrennen, Pat Garrett jagt Billy The Kid), Buck Henry (Die Reifeprüfung, Catch-22, Is' was, Doc?), Mario Puzo (Der Pate, Der Pate 2), John Milius (Jeremiah Johnson, Der weiße Hai, Apocalypse Now), Robert Benton (Bonnie & Clyde, Is' was, Doc?), Paul Schrader (Taxi Driver, Schwarzer Engel, Wie ein wilder Stier),
- Kameramänner: Vilmos Zsigmond (McCabe & Mrs. Miller, Beim Sterben ist jeder der erste, Sugarland Express), László Kovács (Easy Rider, Ein Mann sucht sich selbst, Shampoo), Conrad Hall (Zwei Banditen, Der Marathon Mann]), Gordon Willis (Klute, Der Pate, Zeuge einer Verschwörung, Die Unbestechlichen)
- Cutter / Cutterinnen: Marcia Lucas (American Graffiti, Alice lebt hier nicht mehr, Krieg der Sterne), Verna Fields (Is' was, Doc?, Paper Moon, Der weiße Hai), Owen Roizman (French Connection, Der Exorzist, Die drei Tage des Condor), Thelma Schoonmaker (Woodstock, Wie ein wilder Stier), Sam O'Steen (Die Reifeprüfung, Catch-22, Chinatown )
Pauline Kael, Amerikas einflussreichste Filmkritikerin, förderte das New-Hollywood-Kino durch positive Artikel und Besprechungen und war mit einigen der Protagonisten befreundet.
Der Höhepunkt
In den frühen 70er Jahren erreichte das New-Hollywood-Kino seinen künstlerischen und kommerziellen Höhepunkt. Regisseure, die kurz davor noch Low-Budget-Filme gedreht hatten, eroberten sich ein weltweites Massenpublikum. William Friedkin inszenierte 1971 mit French Connection den Prototyp des modernen Polizeifilms und zeigte Gene Hackman als fanatischen, latent rassistischen Drogenfahnder. Friedkin toppte diesen Erfolg zwei Jahre später mit dem unglaublich erfolgreichen, auch künstlerisch überzeugenden Horrorklassiker Der Exorzist, der zu einem weltweit diskutierten Phänomen wurde.
Der Film-Narr Peter Bogdanovich war zuerst mit dem melancholischen Coming-of-Age-Film Die letzte Vorstellung (1970) und dann mit der übermütigen Komödie Is' was Doc? (1972) sehr erfolgreich. Der Pole Roman Polański lebte seit vielen Jahren in Hollywood und überzeugte Kritik und Publikum mit dem doppelbödigen, brillant inszenierten Krimi Chinatown (1974), in dem Jack Nicholson eine denkwürdige Vorstellung als Privatdetektiv mit aufgeschlitzter Nase gibt.
Noch erfolgreicher war der Italo-Amerikaner Francis Ford Coppola, der 1972 mit dem Mafia-Epos Der Pate Kritik und Publikum faszinierte. Der Pate, für viele der beste Film aller Zeiten, zeigte Marlon Brando in der gerne parodierten Rolle des barocken Mafia-Chefs, dessen altmodische Ehrbegriffe von seinen skrupellosen Nachfolgern und Konkurrenten nicht geteilt werden. Mit dem ebenso brillant inszenierten Nachfolger Der Pate II (1974) und dem faszinierenden Vietnam-Epos Apocalypse Now (1979) etablierte sich Coppola als wichtigster Regisseur der 70er Jahre.
Den Filmen von Coppola, Friedkin und Bogdanovich ist gemein, dass sie den radikalen Chic des New Hollywood in einen gemäßigten, massentauglichen Stil transformierten. Dass sie damit auch den Niedergang des New Hollywood einläuteten, indem Sie das Blockbuster-Kino erfanden, konnte wohl niemand ahnen.
Die Endphase
Regisseur Martin Scorsese war Italo-Amerikaner wie Coppola. Wie dieser und viele andere New-Hollywood-Stars und -Regisseure kam er aus der Schule des B-Movie-Produzenten Roger Corman, der sich ein gut funktionierendes und sehr lukratives Off-Hollywood-Studiosystem aufgebaut hatte. Hier erlernten die späteren Regie-Stars ihr Handwerk, und Darsteller wie Nicholson, Hopper, De Niro, Dern oder Sylvester Stallone spielten bei Corman ihre ersten Rollen.
Scorsese überzeugte zunächst 1973 mit Hexenkessel, einem betont realistischen Porträt New Yorker Straßenganoven. 1975 gelang ihm mit Taxi Driver ein zeitloses Meisterwerk. Robert De Niro brillierte in der Rolle eines entwurzelten Vietnam-Veteranen, der in den Straßen von New York einen Rachefeldzug startet. Das beklemmende Boxerdrama Wie ein wilder Stier - mit einer legendären Darstellung De Niros - wurde 1980 ein weiterer Klassiker.
Bis Mitte der 70er Jahre drehten etablierte New-Hollywood-Veteranen wie Nichols, Altman oder Penn mit wechselndem, oft nachlassendem Erfolg regelmäßig Filme. Andere Regisseure wie z.B. George Roy Hill, Sydney Pollack, Milos Forman oder Alan J. Pakula fertigten in einem modernen, interessanten, kommerziell erfolgreichen Stil Filme wie Der Clou (1973), Einer flog übers Kuckucksnest (1975) oder Die Unbestechlichen (1975), die sich dezent die Traditionen des New Hollywood nutzbar machten, aber betont massenkompatibel inszeniert wurden.
Der Niedergang
Lucas, Spielberg und das Blockbuster-Kino
Der Niedergang des New Hollywood vollzog sich parallel zum Aufstieg der Regisseure George Lucas und Steven Spielberg. Der ehemalige TV-Regisseur Spielberg war mit der ambitionierten Bonnie-&-Clyde-Variante Sugarland Express (1973) an den Kinokassen nicht erfolgreich. Seinen Nachfolgefilm Der weiße Hai (1975) designte er deshalb zum superkommerziellen Hit. Tatsächlich machte Spielbergs genialisches Talent den thematisch anspruchslosen Film zu einem weltweiten Phänomen (das die Badestrände leerfegte). Der weiße Hai wurde zu einer Art Blaupause für alle künftigen Sommer-Blockbuster. Mit dem optimistischen, visuell spektakulären UFO-Film Unheimliche Begegnung der 3. Art setzte Spielberg 1978 ein deutliches Gegengewicht zu den apokalyptischen Science Fiction-Visionen der vorangegangenen Jahre.
Noch erfolgreicher als Spielberg war zu dieser Zeit George Lucas, dem 1973 mit dem wehmütigen American Graffiti ein erster Hit gelungen war. 1977 sprengte er mit dem Weltraumabenteuer Krieg der Sterne alle Rekorde und etablierte eine Art popkulturelle Ersatzreligion. Krieg der Sterne war ein guter, emotional ansprechender Märchenfilm, der im Kern jedoch banal und infantil blieb. Auf Jahrzehnte hinaus definierte er die neue, global akzeptierte Hitfilm-Formel von Hollywood (die Guten besiegen die Bösen, der Junge kriegt das Mädchen, viele Spezialeffekte). Der Blockbuster-Film inklusive weltweitem Merchandising (und zwei bis drei Fortsetzungen) wurde zu einem Erfolgsrezept, das Hollywood bis heute anwendet.
Mit dem Auftauchen von Spielberg und Lucas, die den „positiven“ Blockbuster-Film etablierten, war der Niedergang des „alten“, skeptischen, kritischen New Hollywood besiegelt. Nach dem Endes des Vietnam-Krieges und dem Sturz Richard Nixons wollte das Massenpublikum wieder leichte und positive Filme mit Happy-End sehen, die gut zu konsumieren waren und nicht ständig die gesellschaftlichen Verhältnisse hinterfragten. Da die meisten New-Hollywood-Regisseure parallel dazu entweder künstlerisch ausbrannten oder an ihrer eigenen Egomanie scheiterten, gab es plötzlich keine Basis mehr für ihre Art von Kino. Als Ende der 70er Jahre teuer produzierte Anti-Establishment-Streifen wie Heaven's Gate, Blues Brothers oder 1942 kommerziell scheiterten, stellten die Studios ihre Produktion radikal auf stromlinienförmige Hit-Filme um. Dabei wurde auch gezielt die Macht der Regisseure beschnitten.
Die 80er Jahre
Während der Reagan-Ära der 80er Jahre etablierte sich ein optimistisch-patriotisches Hit-Kino (Rambo 2, Top Gun), das künstlerisch wertlos war, vom Publikum aber begeistert aufgenommen wurde. Spielberg und Lucas festigten ihre Position, indem sie als Regisseure/Produzenten im Fließband-Stil kommerziell höchst erfolgreiche Serienfilme herstellten (Krieg der Sterne, Indiana Jones, Zurück in die Zukunft), die harmloses Entertainment boten und durch teure Spezialeffekte aufgewertet wurden. Aufwändige Actionfilme ohne inhaltliche Ambitionen wie Aliens oder Stirb langsam wurden zu weltweiten Hits und begründeten ein erfolgreiches neues Sub-Genre. Die schicken Oberflächenreize von Werbespots und Musikvideos wurden erfolgreich für die große Leinwand adaptiert (Flashdance, 9 1/2 Wochen).
Wichtige New-Hollywood-Filmemacher wie Coppola, Penn oder Nichols drehten währenddessen als Auftragsregisseure unerhebliche Routinefilme. Die Karrieren von Friedkin, Bogdanovich, Ashby, Altman, Scorsese stagnierten.
Die Ära des New Hollywood war für immer vorbei, auch wenn Veteranen wie Altman oder Scorsese in den 90er Jahren bei der Kritik wieder Erfolge feiern konnten.
Literatur
- Biskind, Peter: "Easy Riders, Raging Bulls" - Heyne, 2004. - ISBN 3453877853
- Prinzler, Hans Helmut, Jatho, Gabriele: "New Hollywood 1967-1976. Trouble in Wonderland" - Bertz + Fischer, 2004. - ISBN 3865051545
- Müller, Jürgen: "Filme der 60er Jahre" - Taschen Verlag, 2004. - ISBN 3822827975
- Siegel, Mike, Bruckner, Ulrich P.: "Passion & Poetry - Sam Peckinpah in Pictures" - Schwarzkopf & Schwarzkopf, 2003. - ISBN 3896024728
- Müller, Jürgen: "Filme der 70er Jahre" - Taschen Verlag, 2003. - ISBN 382282190X
- Seeßlen, Georg: "Martin Scorsese" - Heyne, 2003. - ISBN 3929470721
- Jansen, Peter W.: "Jansens Kino: Taxi Driver / Apocalypse Now, 1 Audio-CD" - Bertz + Fischer, 2003. - ISBN 3865051421
- Jansen, Peter W.: "Jansens Kino: Bonnie und Clyde / Der eiskalte Engel, 1 Audio-CD" - Bertz + Fischer, 2003. - ISBN 3865051316
- Hehr, Renate: "New Hollywood" - Heyne, 2002. - ISBN 3930698943
- Yule, Andrew: "Steven Spielberg. Die Eroberung Hollywoods" - Heyne, 1997. - ISBN 3785284004
- Schnelle, Frank: "Suspense Schock Terror. John Carpenter und seine Filme" - Uwe Wiedleroither, 1991. - ISBN 3924098042
- Weiss, Ulli: "Das Neue Hollywood. Francis Ford Coppola, Steven Spielberg, Martin Scorsese." - Heyne, 1986. - ISBN 3453860977
Essentielle New-Hollywood-Filme
- 1967: Die Reifeprüfung von Mike Nichols, Bonnie und Clyde von Arthur Penn
- 1968: Die Nacht der lebenden Toten von George A. Romero
- 1969: Easy Rider von Dennis Hopper, The Wild Bunch von Sam Peckinpah, Asphalt Cowboy von John Schlesinger
- 1970: M*A*S*H von Robert Altman
- 1971: Die letzte Vorstellung von Peter Bogdanovich, French Connection von William Friedkin
- 1972: Der Pate von Francis Ford Coppola
- 1973: American Graffiti von George Lucas
- 1974: Chinatown von Roman Polanski
- 1976: Taxi Driver von Martin Scorsese
- 1977: Der Stadtneurotiker von Woody Allen
- 1978: Halloween von John Carpenter, Die durch die Hölle gehen von Michael Cimino
- 1979: Apocalypse Now von Francis Ford Coppola
Die wichtigsten New-Hollywood-Regisseure mit ausgewählten Filmen
- Woody Allen: Woody, der Unglücksrabe (1969), Was Sie schon immer über Sex wissen wollten, aber bisher nicht zu fragen wagten (1972), Der Schläfer (1973), Der Stadtneurotiker (1977 - Oscar für beste Regie)
- Robert Altman: M*A*S*H (1970 - Für Oscar nominiert), McCabe & Mrs. Miller (1971), Der Tod kennt keine Wiederkehr (1973), Nashville (1975 - Für Oscar nominiert)
- Hal Ashby: Harold und Maude (1971), Das letzte Kommandol (1973), Shampoo (1975)
- Peter Bogdanovich: Bewegliche Ziele (1968) ,Die letzte Vorstellung (1971 - Für Oscar nominiert), Is' was, Doc? (1972), Papermoon (1973)
- John Boorman: Point Blank (1967), Beim Sterben ist jeder der erste (1972 - Für Oscar nominiert)
- Mel Brooks: Frühling für Hitler? (1968), Is' was, Sheriff? (1974), Frankenstein Junior (1974)
- John Carpenter: Dark Star (1974), Assault - Anschlag bei Nacht (1976), Halloween (1978)
- John Cassavetes: Ehemänner (1970), Eine Frau unter Einfluß (1974), Die Ermordung eines chinesischen Buchmachers (1976)
- Michael Cimino: Die durch die Hölle gehen (1978 - Oscar für beste Regie), Heaven's Gate (1980)
- Roger Corman: The Trip (1967), Bloody Mama (1970), G.A.S.S. oder - Es war notwendig, die Welt zu vernichten, um sie zu retten (1971)
- Brian de Palma: Schwestern des Bösen (1973), Phantom im Paradies, (1974) Carrie - Des Satans jüngste Tochter (1976)
- Peter Fonda: Der weite Ritt (1971)
- Francis Ford Coppola: Der Pate (1972 - Oscar für beste Regie), Der Pate 2 (1974 - Oscar für beste Regie), Der Dialog (1974 - Für Oscar nominiert), Apocalypse Now (1979 - Für Oscar nominiert)
- Milos Forman: Einer flog über das Kuckucksnest (1975 - Oscar für beste Regie), Hair (1978)
- Bob Fosse: Cabaret (1972), Lenny (1974 - Für Oscar nominiert)
- William Friedkin: French Connection (1971 - Oscar für beste Regie), Der Exorzist (1973 - Für Oscar nominiert)
- Monte Hellman: Das Schießen (1967), Asphaltrennen (1971)
- George Roy Hill: Zwei Banditen (1969 - Für Oscar nominiert), Schlachthof 5 (1972), Der Clou (1973 - Oscar für beste Regie)
- Tobe Hooper: Das Kettensägenmassaker (1974)
- Dennis Hopper: Easy Rider (1969), The Last Picture (1971)
- Norman Jewison: In der Hitze der Nacht (1967 - Oscar für beste Regie), Jesus Christ Superstar (1973)
- George Lucas: THX 1138 (1971),American Graffiti (1973 - Für Oscar nominiert), Krieg der Sterne (1977 - Für Oscar nominiert)
- Sidney Lumet: Serpico (1973), Hundstage (1975 - Für Oscar nominiert), Network (1976 - Für Oscar nominiert)
- Paul Mazursky: Bob & Caroline & Ted & Alice (1969), Alex im Wunderland (1970), Eine entheiratete Frau (1978 - Für Oscar nominiert)
- Russ Meyer: Megaxixens (1970), Blumen ohne Duft (1970)
- Alan Meyerson: Ganoven auf Abwegen (1973)
- John Milius: Jagd auf Dillinger (1973), Der Wind und der Löwe (1975)
- Mike Nichols: Die Reifeprüfung (1967 - Für Oscar nominiert), Catch-22 (1970)
- Jack Nicholson: Drive, He Said (1967)
- Alan J. Pakula: Klute (1971), Zeuge einer Verschwörung (1974), Die Unbestechlichen (1976 - Für Oscar nominiert)
- Sam Peckinpah: The Wild Bunch (1969), Pat Garrett jagt Billy the Kid (1973), Bring mir den Kopf von Alfredo Garcia (1974)
- Arthur Penn: Bonnie und Clyde (1967 - Für Oscar nominiert), Little Big Man (1970), Duell am Missouri (1976)
- D.A. Pennebaker: Don't look back (1967), Montery Pop (1968)
- Roman Polański: Rosemaries Baby (1968), Chinatown (1973 - Für Oscar nominiert)
- Sydney Pollack: Nur Pferden gibt man den Gnadenschuß (1969), Jeremiah Johnson (1972), Die drei Tage des Condor (1975)
- Bob Rafelson: Five Easy Pieces (1970 - Für Oscar nominiert), Der König von Marvin Gardens (1972)
- Carl Reiner: Wo is' Papa? (1970)
- George A. Romero: Die Nacht der lebenden Toten (1968), Zombie (1978)
- Herbert Ross: Die Eule und das Kätzchen (1970), Mach's noch einmal, Sam (1972)), Am Wendepunkt (1977 - Für Oscar nominiert)
- Richard Rush: Die wilden Schläger von San Francisco (1967), Psych-Out (1968)
- Jerry Schatzberg: Panik im Needle Park (1971), Asphalt-Blüten (1973)
- John Schlesinger: Midnight Cowboy (1969 - Oscar für beste Regie), Der Marathon-Mann (1976)
- Martin Scorsese: Wer klopt denn da an meine Tür? (1967), Hexenkessel (1973), Alice lebt nicht mehr hier (1974), Taxi Driver (1976 - Für Oscar nominiert), Wie ein wilder Stier (1980 - Für Oscar nominiert)
- Steven Spielberg: Sugarland Express (1974), Der weiße Hai (1975 - Für Oscar nominiert), Unheimliche Begegnung der dritten Art (1977), 1941 - Wo bitte geht's nach Hollywood (1979)
- Douglas Trumbull: Silent Running (1972)
- Michael Wadleigh: Woodstock (1970)
- Peter Yates: John und Mary (1969), Vier schräge Vögel (1972), Bei mir liegst du richtig (1974)