Expressionismus (Architektur)

Stilrichtung in der Architektur
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Expressionistische Architektur ist ein fast ausschließlich deutsches Phänomen, das in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg bis Ende der 20er Jahre Bauten hervorbrachte. Zum ersten Mal hatte 1913 Adolf Behne die Architektur Bruno Tauts in der Zeitschrift Pan mit der aktuellen Entwicklung der Malerei verglichen und sie dem innersten Sinn nach „expressionistisch genannt. Viele der Architekten waren vorher vom Deutschen Werkbund und vom Jugendstil geprägt, die meisten wandten sich später dem Neuen Bauen zu.

Kennzeichen

 
Einsteinturm in Potsdam
 
Details der Fassade vom Anzeiger-Hochhaus in Hannover

Im Gegensatz zur Neuen Sachlichkeit nutzte die expressionistische Architektur runde und gezackte Formen.

Backsteinbauten sind besonders typisch für die expressionistische Architektur. Darüber hinaus wurde auch mit Beton gearbeitet. Mit dem um 1920 noch recht neuen Baumaterial wurde in allen Stilrichtungen der Zeit experimentiert. Dem Expressionismus kamen besonders die Möglichkeiten geschwungener Formen entgegen. Auch der Einsteinturm in Potsdam vermittelt den Eindruck, aus Beton geformt zu sein und war so auch geplant. Tatsächlich wurde er aber gemauert und dann verputzt – wahrscheinlich machte die Verschaltechnik noch zu große Probleme.

Auffällig ist der Hang zum Gesamtkunstwerk in fast allen Bauten und Inneneinrichtungen. Häufig wurden auch Skulpturen, insbesondere als Relief, in die Architektur einbezogen. Auch der junge Film bot Raum für Architekturphantasien, so baute Hans Poelzig 1920 die Filmarchitektur für „Der Golem, wie er in die Welt kam“. Viele expressionistische Entwürfe blieben aber ungebaute Utopie.

Architekten und Bauwerke

Deutschland

Für die meisten Architekten war der Expressionismus nur eine relativ kurze Phase in ihrem Schaffen. Das gilt z. B. für Hans Poelzig, der sich später der Neuen Sachlichkeit zuwandte. Von ihm stammt u. a. der Umbau des Großen Schauspielhauses in Berlin (1918–1919). Besonders die tropfsteinartige Innenarchitektur wurde berühmt.

1920–1921 errichtete Erich Mendelsohn den wohl berühmtesten expressionistischen Bau: den Einsteinturm in Potsdam-Babelsberg.

Einige Projekte des Bauhauses, wie das „Haus Sommerfeld“ in Berlin von Walter Gropius und Adolf Meyer waren 1920 noch expressionistisch geprägt. Das Haus war als expressionistisches Gesamtkunstwerk geplant. Dementsprechend arbeiteten Gropius und Meyer eng mit dem Holzkünstlern Jost Schmidt und mit Josef Albers, der die farbigen Glasfenster schuf, zusammen.

Von Fritz Höger stammen das 1922–1924 gebaute Chilehaus in Hamburg und das Anzeiger-Hochhaus in Hannover von 1927–1928.

Bernhard Hoetger arbeitete als Bildhauer in Worpswede und schuf bis 1931 die berühmte Böttcherstraße in Bremen.

Auch Hans Scharoun hatte sich nach dem Ersten Weltkrieg dem expressionistischen Architektenkreis Gläserne Kette von Bruno Taut angeschlossen und 1926 trat er der Architektenvereinigung Der Ring bei. Seine späteren Bauten, wie die berühmte Philharmonie in Berlin (1956–1963), die dem organischen Bauen zugerechnet werden, lassen Scharouns expressionistische Vergangenheit noch erkennen.

Weitere expressionistische Architektur oder Bauwerke mit expressionistischen Anklängen:

Außerhalb Deutschlands

Außerhalb Deutschlands war die Amsterdamer Schule mit Michel de Klerk von Bedeutung.

Auch der anthroposophische Bau des Goetheanum in Dornach (Schweiz), das 1924–1928 nach einem Entwurf von Rudolf Steiner errichtet wurde, weist sehr starke Bezüge zum Expressionismus auf.

Die Grundtvigskirche in Kopenhagen und die Hallgrímskirkja in Reykjavík sind Beispiele für vom Expressionismus beeinflusste Sakralgebäude.

Siehe auch

Commons: Expressionismus (Architektur) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Literatur

  • Wolfgang Pehnt: Die Architektur des Expressionismus. Hatje Cantz Verlag, Ostfildern-Ruit 1998, ISBN 3-7757-0668-2