Dietzenschmidt

deutscher Dramatiker
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Dietzenschmidt, geb. als Anton Franz Schmid, als Dichter stets ohne Vornamen nur Dietzenschmidt genannt (* 21. Dezember 1893 in Teplitz-Schönau; † 17. Januar 1955 in Esslingen am Neckar) war ein deutscher Dramatiker, der für die Berufs- und Laienbühne das religiöse Drama mit Ausdrucksmitteln der Neuzeit belebte.

Leben

Dietzenschmidt lebte ab 1913 in Berlin und ließ seinen Künstlernamen Dietzenschmidt 1927 als bürgerlichen Namen anerkennen. Ab 1941 lebte er in Baden (Freiburg, Bonndorf), behielt bis zur Vertreibung 1945 seinen Wohnsitz in Böhmen (Brüx, Karlsbad).

Dietzenschmidts Vorfahren gehören zu den Deutschen, die im zwölften Jahrhundert, der Einladung des damaligen Königs folgend, „aus Schwaben“ in die Randgebiete Böhmens eingewandert sind. Meist einfache Leute: Häusler, Bauern, Handwerker. Dietzenschmidts Vater hatte sich als Hutmacher zum Fabrikanten emporgearbeitet. Beide Eltern des Dichters starben in seinem siebzehnten Lebensjahr. Das eigene Leben des Heranwachsenden war durch die damals noch fast unheilbare Tuberkulose stark gefährdet. Ärzten der Universität Prag gelang mit dem kurz zuvor entdeckten Salvarsan die Heilung, das Herz freilich blieb auf Dauer geschwächt, mit flächigen Narben im Gesicht und einer Lähmung des linken Beines blieb auch der Genesene für immer ein sichtbar Gezeichneter.

Eine Nahtod-Erfahrung während dieser Zeit (wie sie seitdem auch von vielen Anderen berichtet worden ist), das Erleben einer Phase tiefsten Friedens und unbedingter Einheit mit Allem machte den religiösen Skeptiker zum Gottsucher. Sein innerer Weg führte vorwiegend durch die mystischen Zweige der großen Weltreligionen, „bis dann die überquellende, wogende Vielfalt der mystischen Ströme mündete in den stillen, ruhenden, sonnen- und gottbeglänzten See klaren, reinen Wassers: der alle Mystik in demütiger Einfachheit, bedingungsloser Liebe und gottmenschlicher Ehrfurcht umfassenden Frohbotschaft Christi“ (Zitat aus Dietzenschmidts Selbstbiographie von 1953). Fortan lebte er ganz der Berufung und Pflicht, die erlösende Einsicht auch anderen Menschen zu vermitteln. Sein Wahlspruch damals: „Mein Amt sei Liebe. Aller Amt sei Liebe.“

Als Medium seiner Verkündung erkannte er das Drama: Erörtern von Schicksalen und Spannungen in gegenwärtigem Geschehen auf der Bühne. Seine oft derbe Diesseitsdarstellung verweist stets auf eine Kraft und Macht jenseits des Fasslichen, die Alles, was ist, erschafft, gestaltet und letztlich birgt.

Um die Jahrhundertwende hatten sich Jugendbewegung und Lebensreform von erstarrten Lebens-Formen und -Inhalten der vorangegangenen Epoche abgekehrt. Diese Erneuerung haben damals auch religiöse Vereinigungen aufgenommen, so der Bühnenvolksbund im deutschen Reich und die deutschböhmischen Jugendvereinigungen. Zu ihren geistigen Führern gehörte Dietzenschmidt. Seine Auffassung von menschlicher Schuld und göttlicher Gnade (Kern des religiösen Dramas) beruhte auf persönlichem Erleben und stand keineswegs immer im Einklang mit der Lehre der Amtskirche. Die Jugendlichen und jungen Erwachsenen in Böhmen jedoch, mit denen er Laien- und Stegreifspiele gestaltete und mit denen er nach Vorträgen zu diskutieren hatte, verstanden seine Art religiöser Dialektik und nahmen sie an, ebenso die Leiter dieser Gruppen.

Lyrische Texte Dietzenschmidts gestalten (mitunter intimes) erotisches, religiöses und auch historisches Erleben in herkömmlicher Form. Er hat solche Gedichte aber nur nebenher oder gar nicht veröffentlicht.

Dem national-sozialistischen Regime war Dietzenschmidt wegen seiner Themen aus jüdischer und christlicher Überlieferung als Bühnenautor unerwünscht. Immerhin durfte er nach 1933 noch Kunstberichte schreiben für das Berliner Tageblatt bis zu dessen Schließung Ende Januar 1939. Danach war er freier Schriftsteller, unterstützt von dem Freiburger Erzbischof Dr. Conrad Gröber. Die Notzeit nach dem Ende des Krieges überstand er mittellos und entkräftet. Seine Fähigkeiten bewies er ein letztes Mal, als er 1951 zu politischem Anlass ein Festspiel verfasste und die Aufführung mit erwachsenen Laien gestaltete. Abgesehen davon schaffte er trotz zahlreicher Pläne als Künstler keinen Neubeginn. Seit 1945 haben nur noch vereinzelt Jugendgruppen Stücke von Dietzenschmidt aufgeführt.

Leistungen

1919 erhielt Dietzenschmidt zusammen mit Kurt Heynicke den Kleist-Preis. Seit 1921 war er Mitglied des Kunstrates der Kleist-Stiftung in Berlin. In den Zwanzigerjahren war er als katholischer Theaterautor im gesamten deutschen Sprachraum erfolgreich. 1928 erhielt er den tschechoslowakischen Staatspreis für deutsche Dichtung. Seit 1926 hielt er Vorträge und leitete Laienspielgruppen bei Werkwochen des Reichsbundes der deutschen katholischen werktätigen Jugend in Böhmen, in der Grenzland-Volkshochschule „Heimgarten“ des Quickborn (Arbeitskreis) in Neiße-Neuland und bei der katholischen Jugend der Deutschen in Polen. 1930 war er Mitgründer und Vorstandsmitglied der Sudetendeutschen Kultur-Gesellschaft (Berlin), die bis zum Münchner Abkommen 1938 mit Ausstellungen, Vorträgen und Konzerten auf sudetendeutsches Kulturschaffen aufmerksam machte. 1933 bis Anfang 1939 Mitarbeit am Berliner Tageblatt (Chefredakteur zeitweise Paul Scheffer, Feuilletonredakteur Paul Fechter).

Werke

  • Mord im Hinterhaus (Uraufführung als „Hinterhauslegende“ Staatstheater Berlin unter Leopold Jessner mit Alexander Granach und Veit Harlan).
  • Christofer (Uraufführung Königsberg, Intendant Richard Rosenheim, Titelrolle Robert Müller).
  • Die Sanct-Jacobsfahrt (Vorlage für die Oper „Die Jakobsfahrt“ von Fidelio Fritz Finke).
  • Mariens siebente Herrlichkeit (Mysterienspiel nach dem Mittel-Niederländischen, ohne Verfassernamen erschienen).
  • Vom lieben Augustin (Uraufführung Kassel, Intendant Paul Bekker, Bühnenmusik Ernst Krenek)
  • Der Verräter Gottes.
  • Hunderte Kunstberichte für das Berliner Tageblatt.

Literatur

  • Max Brod: Der Prager Kreis. Stuttgart: Kohlhammer, 1966.
  • Dietzenschmidt: Eine Selbstbiographie aus dem Nachlaß des Dichters mit einer Einführung und Proben aus seinen Dichtungen. Enthält Werkverzeichnis. Königstein (Taunus), 1959.
  • Paul Fechter. Das europäische Drama. Band III. Mannheim: Bibliographisches Institut, 1958,
  • Daniel Langhans. Der Reichsbund der deutschen katholischen Jugend in der Tschechoslowakei 1918 - 1938. Bonn: Kulturstiftung der Deutschen Vertriebenen, 1990.
  • Josef Mühlberger. Geschichte der deutschen Literatur in Böhmen 1900 - 1939. München: Langen/Müller, 1981.
  • Helmut Sembdner (Hrsg.). Der Kleist-Preis 1912 - 1932. Berlin: Erich Schmidt, 1968.
  • Jürgen Serke. Böhmische Dörfer: Wanderungen durch eine verlassene literarische Landschaft. Wien: Zsolnay, o. J. (1987).
  • Rainer Stommer. Die inszenierte Volksgemeinschaft: Die "Thing-Bewegung" im Dritten Reich. Marburg: Jonas, 1985.
  • Carl Zuckmayer: Geheimreport. Göttingen: Wallstein, 2002.