Joan Miró

spanischer Maler, Grafiker, Bildhauer und Keramiker (1893–1983)
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Joan Miró i Ferrà [ʒuˈan miˈɾo i fəˈra] (* 20. April 1893 in Barcelona; † 25. Dezember 1983 in Palma de Mallorca) war ein katalanischer Maler, Grafiker und Bildhauer. Seine frühen Werke weisen in ihrer naiven Bildsprache Einflüsse des Kubismus und des Fauvismus auf. Mitte der 1920-er Jahre vollzog der Künstler in Paris, beeinflusst von den dort herrschenden Kunstströmungen des Dadaismus und Surrealismus, den grundlegenden Stilwechsel, der ihn von der Gegenständlichkeit wegführte. Miró gehört als Vertreter der Klassischen Moderne mit seinen fantasievollen Bildmotiven zu den populärsten Künstlern des 20. Jahrhunderts.

Joan Miró, Barcelona, 1935. Fotoporträt von Carl van Vechten
Autograph von Joan Miró
Autograph von Joan Miró

Leben

Kindheit und Ausbildung

Miró wurde 1893 als Sohn des Goldschmieds und Uhrmachers Miquel Miró i Adzerias und seiner aus Palma stammenden Frau Dolors Ferrà di Oromí, Tochter eines Kunsttischlers, in Barcelona geboren. Sein Geburtshaus lag in der Passatge del Crèdit in der Altstadt Barcelonas. Als Kind begann er zu zeichnen – die frühesten erhaltenen Zeichnungen stammen aus dem Jahr 1901 – und stieß damit auf Ablehnung des kleinbürgerlichen Vaters, der kein Verständnis für kindliche Fantasie aufbringen konnte. Nachdem er 1907 wegen schlechter Zensuren das Gymnasium verlassen musste, begann Miró auf Wunsch des Vaters eine kaufmännische Ausbildung, nahm jedoch zusätzlich Kunstunterricht an der Kunstakademie „La Llotja“. Dort galt er als unbegabter Schüler, da er die von der Akademie geforderten Konventionen leidenschaftlich ablehnte.[1]

Datei:Sagrada Familia 1915.jpg
Gaudís Kirche Sagrada Família, Barcelona, im Jahr 1915

Von 1910 bis 1911 arbeitete er zunächst als Buchhalter der Drogerie Dalmau i Oliveiras. Nach einem Nervenzusammenbruch und einer Typhuserkrankung gab er jedoch den kaufmännischen Beruf auf und zog zur Genesung in das neu erworbene Haus seiner Familie nach Mont-roig del Camp bei Tarragona. Die Familie gab den Widerstand gegen eine künstlerische Ausbildung auf, und Miro schrieb sich an der privaten Kunstschule „Escola d'Art“ von Francesc Galí ein, die er von 1912 bis 1915 besuchte; Galí hielt seinen Schüler für hochbegabt, wie er dem Vater bei einem seiner wöchentlichen Besuche erklärte.[2] Galí führte seine Schüler in die moderne französische Kunst ein und in die Architektur des Antoni Gaudí, Barcelonas berühmten Künstler des Modernisme. Ab 1913 bis 1918 besuchte Miró außerdem die freie Zeichenakademie des „Cercle Artistic de Sant Lluc“ einer Gruppe, die zum „Cercle Artistic de Barcelona“ gehörte, deren Haltung von hohen moralischen Prinzipien und christlicher Tugend bestimmt war.[3]

Erster Weltkrieg – Mirós erste Einzelausstellung 1918

Nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs musste Miró ab 1915 Militärdienst leisten. Es war damals üblich, sich vom Militärdienst freizukaufen; der Vater zahlte jedoch nur einen relativ geringen Betrag, der immerhin dazu führte, dass sein Sohn nur insgesamt zehn Monate, verteilt auf mehrere Jahre, dienen musste. Sein erstes Studio teilte er im selben Jahr mit E. C. Ricart in der Calle Baja de San Pedro 51 in Barcelona. 1916 lernte er den Kunsthändler Josep Dalmau kennen, der seit diesem Zeitpunkt sein Förderer wurde[4], und ein Jahr später Francis Picabia, der ihn in den Kreis der Dadaisten einführte. Mirós Schaffen ist in den folgenden Jahren ebenfalls stark von den Fauves und den französischen Kubisten beeinflusst. Im Februar 1918 fand in den Galerías Dalmau in Barcelona Mirós erste Einzelausstellung statt, die 60 Werke, bestehend aus Landschaftsgemälden und Stillleben, zeigte. Miró gründete zusammen mit Ricart, J. F. Ràfols, Francesc Domingo, Rafael Sala und Josep Llorens i Artigas die Gruppe Courbet, benannt nach Gustave Courbet, dessen Radikalität sie bewunderten; der Name stand für den Wunsch, als progressive Künstler innerhalb Barcelonas zu gelten.[5]

Aufenthalte in Paris

Im März 1919 reiste er das erste Mal nach Paris und suchte gleich nach seiner Ankunft Pablo Picasso auf, den er aus Barcelona kannte.[1] Picasso erwarb von Miró dessen in diesem Jahr gemaltes Selbstbildnis. Für die Zeitschrift L’Instant entstand sein erstes Plakat, viele weitere sollten folgen. Ende 1920 bezog er in der 45, rue Blomet in Paris ein Atelier; sein Nachbar, mit dem er Freundschaft schloss, war André Masson. Sie lebten in kärglichen Verhältnissen, doch im Gegensatz zu Masson kleidete sich Miró bürgerlich, wählte zum Ausgehen weiße Gamaschen und trug ein Monokel, als ob er die Firma seines Vaters übernommen hätte.[6] Miró lebte abwechselnd im Sommer in Mont-roig del Camp, Spanien, und im Winter in Paris, wo er sich den Dichtern Max Jacob, Pierre Reverdy und Tristan Tzara zugesellte und an Dada-Aktivitäten teilnahm. Im Jahr 1921 organisierte Josep Dalmau Mirós erste Einzelausstellung in Paris, die in der „Galerie la Licorne“ gezeigt wurde, die für den Künstler jedoch wenig Erfolg brachte, weshalb seine materiellen Schwierigkeiten nicht abgewendet werden konnten. 1923 wurden einige seiner Werke im Salon d’Automne gezeigt[4] Die Kunstmetropole zog ihn an, doch blieb er seiner katalanischen Heimat verbunden. 1923 entstand sein erstes ungegenständliches, surrealistisches Bild La Terre Labourée. Durch Massons Vermittlung lernte er unter anderem Michel Leiris, Paul Éluard, Marcel Jouhandeau und Raymond Queneau kennen. Er machte ebenfalls Bekanntschaft mit Ernest Hemingway, der sich zu dieser Zeit in Paris aufhielt; dieser lieh sich Geld, um Mirós Gemälde Farm zu erwerben.[7]

Im Jahr 1924 lernte Miró die Surrealisten um André Breton kennen, so auch Louis Aragon, und schloss sich als Mitglied der Surrealistengruppe an, blieb jedoch unter ihnen ein stiller Außenseiter. 1925 fand seine zweite Einzelausstellung in Paris statt, die von der „Galerie Pierre“ ausgetragen wurde und ein reines surrealistisches Ereignis wurde. Im selben Jahr war Miró zudem an der ersten Surrealistenausstellung dieser Galerie beteiligt.[4] 1926 arbeiteten Miró und Max Ernst am Bühnenbild und an den Kostümen für Djagilews Ballett Romeo and Juliet, Musik von Constant Lambert, das von den Ballets Russes aufgeführt wurde. Diese Mitarbeit rief den Protest der Surrealistengruppe hervor. Im selben Jahr starb sein Vater in Mont-roig.

 
Paris, Montmartre, um 1925

1927 zog Miró in das von Jacques Viot verlassene Atelier in der 22, rue Tourlaque am Montmartre und hatte unter anderem Hans Arp, Paul Éluard, Max Ernst und René Magritte als Nachbarn. Im Jahr 1928 lernte er in Paris den Bildhauer Alexander Calder kennen, mit dem ihn eine lebenslange Freundschaft verbinden sollte, die sich auch in seinen Werken widerspiegelt. Ebenfalls 1928 schrieb Bréton mit Le Surréalisme et la Peinture eine kunsttheoretische Betrachtung surrealistischer Malerei, für die er als Beispiele Max Ernst, Pablo Picasso, Joan Miró und André Masson wählte. Miró besuchte 1928 die Niederlande und begann, inspiriert von den niederländischen Meistern, mit einer Serie von Bildern[4], den Intérieurs hollandais. 1929 schloss sich Salvador Dalí auf Anregung von Joan Miró der Gruppe der Surrealisten in Paris an. Im Oktober 1929 heiratete Miró die aus Mallorca stammende Pilar Juncosa Iglesias (1904–1995) in Palma. Das Paar nahm sich eine Wohnung in der rue François Mouton in Paris.[8] 1931 wurde seine Tochter Maria Dolors in Barcelona geboren. Aufgrund der Weltwirtschaftskrise konnte Mirós Kunsthändler Pierre Loeb seine Bilder nicht mehr kaufen, sodass ihn ab 1932 der Kunsthändler Pierre Matisse in New York unter Vertrag nahm. Im folgenden Jahr lernte Miró Wassily Kandinsky kennen.

Spanischer Bürgerkrieg – Zweiter Weltkrieg

Als 1936 der Spanische Bürgerkrieg ausbrach, verließ Miró bis zum Jahr 1940 Mont-roig und lebte ausschließlich in Paris. Neben Arp, Calder, Delaunay, Duchamp, Moholy-Nagy, Picabia und anderen unterzeichnete er das von Charles Sirato aufgesetzte Manifeste Dimensioniste, das in der Zeitschrift Revue N + 1 veröffentlicht wurde. Im selben Jahr war Miró mit 15 Werken an der Ausstellung „Fantastic Art, Dada, Surrealism“ im Museum of Modern Art, New York beteiligt sowie an der von Roland Penrose organisierten „International Surrealist Exhibition“ vom 11. Juni bis zum 4. Juli 1936 in den New Burlington Galleries in London.

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Paris zur Zeit der Weltausstellung 1937

Für den spanischen Pavillon der Weltausstellung 1937 in Paris stellte Miró neben Picassos Guernica und Calders Quecksilberspringbrunnen sein heute als verloren geltendes Monumentalgemälde Der Schnitter oder Katalanischer Bauer aus und entwarf für die Ausstellung ein Plakat mit dem Titel Aidez l’Espagne.

Nachdem die deutschen Truppen während des Zweiten Weltkriegs 1940 Frankreich besetzt hatten, kehrte Joan Miró von seinem Zufluchtsort Varengeville-sur-Mer, wo er die Sommermonate seit 1938 verbrachte[9], in sein Heimatland Spanien zurück und wohnte zunächst auf Palma de Mallorca, ab 1942 in Barcelona in seinem Geburtshaus. Im Jahr des Todes seiner Mutter 1944 begann er mit Keramikarbeiten zusammen mit seinem Freund, dem katalanischen Keramiker Josep Llorens i Artigas (1892–1980), und schuf erste Bronzeskulpturen.

1947 reiste Miró erstmals in die Vereinigten Staaten, um ein Wandbild für das Terrace Plaza Hotel in Cincinnati zu entwerfen. Er arbeitete daran neun Monate in einem Studio in New York und lernte während dieser Zeit Clement Greenberg und Jackson Pollock kennen.[10] Im selben Jahr nahm er an der Ausstellung Le Surréalisme en 1947: Exposition internationale du surréalisme bei der Galerie Maeght, Paris, teil, die von André Breton und Marcel Duchamp organisiert wurde. 1948 kehrte Miró nach Paris zurück, wo eine Ausstellung seiner Keramikskulpturen in der Galerie Maeght eröffnet wurde. Der Katalog zur Ausstellung enthielt unter anderem Texte von Tristan Tzara, seinem Freund, dem Hutmacher und Mäzen Joan Prats, sowie Paul Éluard. Im folgenden Jahr war er beteiligt an der Ausstellung LégerMatisse – Miró – Moore: Panels and Sculptures in der Buchholz Gallery, New York. 1950 gravierte er in Barcelona seine ersten Xylografien.[11]

Wohnsitz auf Mallorca ab 1956

1956 verlegte Miró seinen festen Wohnsitz nach Cala Major, einem Verwaltungsbezirk von Palma de Mallorca. Son Abrines wurde von Mirós Schwager, dem Architekten Enric Juncosa, entworfen und gebaut, sodass Joan Miró und seine Frau Pilar zwei Jahre später einziehen konnten. Zusammen mit Josep Llorens i Artigas hatte er zuvor zwei großflächige Wandreliefs (Mond- und Sonnenmauer) für das UNESCO-Gebäude in Paris gefertigt, für die beide Künstler mit dem Internationalen Guggenheim Award des Jahres 1958 ausgezeichnet wurden. Mit dieser Dotierung erwarb Miró das angrenzende Landhaus Son Boter, das ursprünglich als Skulpturenwerkstatt geplant war, aber im Lauf der Zeit zu seinem zweiten Atelierhaus wurde.

 
Mirós Werkstatt in Cala Major, geplant von Josep Lluís Sert

Den Bau einer neuen Werkstatt auf dem Gelände ließ sich Miró 1956 von dem Architekten Josep Lluís Sert, einem Freund des Künstlers, planen. Der Direktor der Harvard University Graduate School of Design galt als Wortführer der europäischen Avantgarde der Architektur. Als Kenner der Gedankenwelt Mirós schaffte Sert einen poetischen und funktionellen Raum, in dem Miró seinen künstlerischen Prozess zum Höhepunkt bringen konnte. Die Vorstellung von einer großen Werkstatt hatte Miró bereits im Jahr 1938 in der Zeitschrift Le XXe Siècle geäußert:

[…] mein Traum, wenn ich mich einmal irgendwo wirklich niederlassen kann, ist, eine große Werkstatt zu haben, nicht so sehr wegen der Beleuchtung, […] sondern um Platz zu haben, für viele Leinwände, denn je mehr ich arbeite, desto mehr Lust habe ich zu arbeiten.[12]

Im Jahr 1958 schuf Miró 80 Illustrationen zu Paul Éluards Buch À toute Epreuve, es gehört zu seinen besten Künstlerbüchern. Neben diesem Projekt arbeitete er hauptsächlich an Skulpturen in den folgenden Jahren. 1959 erfolgte sein zweiter Besuch der Vereinigten Staaten anlässlich einer großen Miró-Retrospektive im Museum of Modern Art in New York. 1960 arbeitete er zusammen mit Llorens i Artigas an einem Wandbild für die Harvard University und reiste 1961 ein drittes Mal in die Vereinigten Staaten. Er war dort beteiligt an den Ausstellungen Alexander Calder – Miró und The Art of Assemblage, beide in in New York.

Im Jahr 1964 wurde in Saint-Paul-de-Vence die Fondation Maeght, ein Museum für moderne Kunst, eröffnet; das Gebäude war wiederum ein Entwurf von Sert, zahlreiche Skulpturen aus Keramik, die in einer Zusammenarbeit mit Artigas entstanden waren, und ein Labyrinth Mirós, fertiggestellt 1968, sind Bestandteil der Ausstellung. 1968 wurde sein 75. Geburtstag mit einer ganzen Reihe von Ehrenbezeugungen gefeiert, insbesondere mit einer Ausstellung der Fondation Maeght. William Rubin organisierte die Ausstellung Dada, Surrealism and their Heritage im Museum of Modern Art, an der Miró beteiligt war. [13]

1974 schuf Miró einen Wandteppich für das World Trade Center in New York. Ursprünglich hatte er den Auftrag abgelehnt, befasste sich daraufhin jedoch mit der Webtechnik und schuf weitere Werke dieser Art. Der Wandteppich wurde ein Opfer des terroristischen Anschlags vom 11. September 2001. Er war einer der teuersten Kunstgegenstände, die durch die Attacke auf die Zwillingstürme zerstört wurden.[14]

Letzte Jahre

 
Die Fundació Joan Miró in Barcelona, eine weitere Planung von Sert
 
Keramikwand Mirós in Palma de Mallorca, 1983

Im Jahr 1975 öffnete die Stiftung Fundació Joan Miró – Centre d'Estudis d'Art Contemporani ihre Pforten für die Öffentlichkeit in einem ebenfalls von Sert geplanten Gebäude in Barcelona. Dort ist eine große Anzahl von Gemälden, Skulpturen, Wandteppichen und Lithografien ausgestellt. Wechselnde Präsentationen moderner Kunst ergänzen Mirós Werk. Die Idee zu dieser Stiftung geht auf den Jugendfreund des Künstlers, Joan Prats, zurück, der mit einer umfangreichen Schenkung den Grundstock zur heutigen Sammlung legte.

Aus Sorge, sein kreatives Umfeld könnte in Vergessenheit geraten oder durch die 1956 begonnene rege Bautätigkeit im Ort ganz verschwinden, übergab Miró einen Teil seines Besitzes als Schenkung der Stadtverwaltung von Palma. Auf Grund der Schenkung wurde 1981 die zweite Stiftung, die Fundació Pilar i Joan Miró, gegründet. Son Boter und die Werkstatt sowie ein im Jahr 1992 von dem Architekten Rafael Moneo erbautes Museum als Stiftungssitz, das 2500 Werke des Künstlers zeigt, sind im Rahmen der Ausstellung zu sehen. Son Abrines ist gegenwärtig Privatbesitz und kann nicht besichtigt werden. Mirós Beweggründe für diese zweite Stiftung werden aus dem folgenden Zitat ersichtlich:[15]

[…] ich wünsche nicht, dass eines Tages an dieser Stelle irgend einer dieser schrecklichen Wolkenkratzer gebaut werde, die mich von allen Seiten umringen […] Die Idee, dass eines Tages ein Vorschlaghammer die Wände von Son Boter niederreißen und die Bilder dort für immer verloren gehen könnten, verfolgt mich Tag und Nacht ...[16]
 
Miró-Wand: Fassade des Wilhelm-Hack-Museums Ludwigshafen, 1979

Am 25. Dezember 1983 starb Joan Miró in Palma de Mallorca und wurde am 29. Dezember im Familiengrab auf dem Friedhof von Montjuïc in Barcelona beigesetzt. Seine einzige Tochter, Maria Dolors Miró Juncosa, Ehrenvorsitzende der Miró-Stiftungen in Barcelona und Palma, starb Ende Dezember 2004 im Alter von 74 Jahren.

Joan Miró war Teilnehmer der documenta 1 (1955), der documenta II (1959), der documenta III (1964) und auch der documenta 6 im Jahr 1977 in Kassel. Er inspirierte Künstler wie beispielsweise den irisch-amerikanischen Maler Matt Lamb, die Amerikaner Jackson Pollock und Arshile Gorky sowie den Deutschen Otmar Alt.

Werk

Gemälde, Grafik

„Wie dachte ich mir all die Ideen für meine Bilder aus? Nun, ich kam spät nachts in mein Atelier in der rue Blomet zurück und ging zu Bett, manchmal ohne etwas zu Abend gegessen zu haben. Ich sah Dinge, ich hielt sie in meinem Notizbuch fest. Ich sah Erscheinungen an der Decke […]“

Joan Miró[17]

Zwischen 1912 und 1915, als Miró an der privaten Kunstschule „Escola d'Art“ von Francesc Galí eingeschrieben war, malte er die meiste Zeit in Mont-roig del Camp. Es entstanden Landschaften im Stil des Fauvismus, jedoch „in ganz düsteren, erdhaften Farben, die er der Schwere des Materiellen enthob und im Sinn eines poetischen Realismus auffrischte.“[1] Relativ abrupt erfolgte im Jahr 1924 der Übergang zum Surrealismus, wobei Miró jedoch seine eigene und unverwechselbare Bildersprache entwickelte. Genauso wie er den Kubismus als Lernstufe empfand, so empfand er gleiches beim Surrealismus, zumal er beide Kunstrichtungen als zu ideologisch und „beide Dogmen als künstlerisch zu einengend kategorisch ablehnte“.[1] 1924 bis 1925 entstand der Karneval des Harlekin, gefolgt von den Holländischen Interieurs I − III nach einer Reise in die Niederlande 1928. Diese entstanden nach Anregungen durch die alten niederländischen Meister. Beispielsweise inspirierte Jan Steens Katzentanzstunde (1626–1629) Miró zu Holländisches Interieur II, indem der Künstler Zeichen und Signaturen aus Steens Bild löste und in seinem Werk „übersetzt“ aufnahm.[18] Ab 1929 begann Miró mit der Lithografie zu experimentieren, die ersten Schnitte erschienen ab 1933.

Joan Miró: Die Addition, 1925
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Wie Paul Klee war auch Joan Miró fasziniert von der Zahl als Formsprache und Symbol. Ab Mitte der 1920-er Jahre tritt die Ziffer in seinen Werken auf, so vor allem im Gemälde 48 aus dem Jahr 1927. Miró war von dieser Zahl besessen; denn er hatte sie jedes Mal, wenn er aus seiner Wohnung in Paris aus der Rue Blomet 45 hinaustrat, als Hausnummer auf der gegenüberliegenden Straßenseite an einem Gebäude gesehen. Bei dem Gemälde L’Addition von 1925, so Hubertus Gaßner, heute Direktor der Hamburger Kunsthalle, stellen die Zahlen „die systematische Chiffrierung einer literarischen Quelle“[19] dar. Die rechts oben vor dem verschwimmenden Farbraum erscheinende Zahlenfolge bezieht sich auf den 1902 erschienenen Roman Le Sumâle (Der Übermann) von Alfred Jarry. Mirós Rechnung bezieht sich auf das „Abzählen der Liebesakte des ‚Übermannes‘, der angetreten ist, um in einem Experiment den Rekord im Dauerbeischlaf von mehr als siebzig Orgasmen zu brechen.“[19] Klee und Miró sind sich nie persönlich begegnet, doch hatte Miró dessen Gemälde in Galerien oder Kunstbüchern in Paris gesehen, und er schätzte sie sehr. Klee wiederum hat laut Wassily Kandinsky in der Bauhauszeit Miró lobend erwähnt und habe gesagt: „Man muß im Auge behalten, was dieser Mann macht“. Beide Maler sind häufig mit der Bezeichnung „infantil“ kritisiert worden.[20]

Zwischen 1940 und 1942 schuf Joan Miró die 23 Blätter umfassende Serie Konstellationen, Gouachen, in denen inmitten eines dichten Gewebes aus Kreisscheiben und linearen Zeichen größere Figuren, die häufig Frauen und Vögel darstellen, eingebettet sind.[21] Bezüglich der Konstellationen gab es Vorwürfe, Miró habe in schwerer Zeit mit dieser Serie „Harmlosigkeit“ und eine „Stereotypie der Unschuld“ geschaffen. Ähnliche Vorwürfe wie die des „Dekorateurs“ und „Organisators farbiger Oberflächen“ hat auch Henri Matisse – die Maler kannten und schätzten sich – ertragen müssen. Wie Matisse setzte Miró in den Konstellationen die Farbe auf der Fläche frei und benutzte Schwarz als Farbe, wollte die Fläche jedoch im Gegensatz zu Matisse mit dem Gewimmel von Figuren und Zeichen in Bewegung setzen, die nicht allein Sache der Farbe ist. Matisse’ Arbeiten waren einfacher zu identifizieren.[22]

Skulpturen, Keramik, Wandteppiche, Objets trouvés

in den 1930-er Jahren entstanden die ersten surrealistischen Skulpturen, bestehend aus bemalten Steinen und vorgefundenen Objekten. Ab 1941 arbeitete er gemeinsam mit Llorens i Artigas an Keramiken und begann sich auf die Herstellung von Druckgrafik zu spezialisieren. Von 1954 bis 1958 war das Arbeiten mit diesen Medien sein Hauptarbeitsfeld.[4] In seinem 1956 errichteten Atelierhaus in Palma de Mallorca griff Miró, inspiriert von den Entwicklungen der New York School, mit großformatigen abstrakten Bildern die Malerei wieder auf. In den letzten Jahren seines Lebens widmete sich der alten katalanischen Kunst der künstlerischen Verarbeitung von Wandteppichen und entwarf Bühnenbilder.[23]

Rezeption

Darstellungen von Zeitgenossen

Salvador Dalí, der ab 1927 von dem neun Jahre älteren Miró die für die Pariser Kunstszene wichtigen Kontakte zu den Kunsthändlern Pierre Loeb und Camille Goemanns vermittelt bekam, wurde zwei Jahre später von seinem Landsmann auch in den inneren Kreis der Surrealisten um André Breton eingeführt.[24] Dalí bezeichnete Mirós Malerei als „zu grandios für die dumme Welt unserer Künstler und Intellektuellen'“. Er stellte ihn als einen Erneuerer der Kunst dar, der nur mit Picasso vergleichbar sei; für ihn verkörpere er die „Osmose zwischen Surrealismus und Realität, grenzenlos geheimnisvoll, dazu fähig uns mit der lebendigsten Intensität ferner und ergreifend magischer Schöpfungen in den Bann zu ziehen“.[25]

Der Surrealist André Breton, der in den frühen 1920-er Jahren Miró noch als kindlich bezeichnet hatte, sah ihn später als Maler des reinen Automatismus an und schrieb in seinem Werk Der Surrealismus und die Malerei aus dem Jahr 1967: „Vielleicht ist es gerade das, weshalb er als der ‚surrealistischste‘ von uns gelten kann […] Keiner ist so geschickt wie er, das Unvereinbare zu vereinen, ist so gleichgültig, etwas zu zerstören, bei dem wir nicht einmal den Wunsch wagen, es zerstört zu sehen.“[26]

Der Kunstkritiker Clement Greenberg, der Miró während dessen Aufenthalt in New York 1947 kennengelernt hatte, bezeichnete sein Werk als zu dekorativ, aber immerhin habe er der Welt eine Lektion in „Farbe“ gegeben. Diese Kunst gehöre in das Reich des Grotesken, so wie es vom Kunsttheoretiker John Ruskin im 19. Jahrhundert definiert wurde: „Komponiert aus zwei Elementen, eines lachhaft, das andere erschreckend.“ Mirós Werk sei demnach Ruskins scherzhaftem Grotesken zuzuordnen, da er es in allem eher humoristisch als erschreckend fände.[27]

Antoni Tàpies, Katalane wie Miró, jedoch jüngerer Künstlergeneration, schrieb 1969 voller Bewunderung, daß Miró die Reinheit und Unschuld des Schöpfungstages wiedergefunden habe, indem er es vom Ballast der Jugend befreit hatte: „Gegen ein von Göttern geschaffenes und beherrschtes Universum stellte uns Miró das immerwährende Wogen, das wechselvolle und unendlche Fließen der Natur. Gegen unveränderliche Gesetze stellte er Rhythmen […]; gegen die drückende, mit Tabus besetzte Enge die Helle des offenen Raumes. Angesichts des monströsen Übermuts der Machthaber zeigte er, daß wir alle gleich sind, weil wir alle aus dem Feuer der Sterne gemacht sind. […] Damit die Dinge wüchsen und besser würden, müsse die Liebe alles durchdringen, sagte er uns.“[28]

Auszeichnungen (Auswahl)

Ausstellungen (Auswahl)

Werke (Auswahl)

Literatur

Schriften von Miró
  • Joan Miró: Ceci est la Couleir de mes rêves. Entretiens avec Georges Raillard. Paris 1977
  • Margit Rowell (Hrsg.): Joan Miró. Selected Writings and Interviews. Boston 1986
  • Ernst Scheidegger (Hrsg.): Joan Miró. Gesammelte Schriften, Fotos, Zeichnungen, Zürich 1957
Biografien
Darstellungen
  • Diether Rudloff: Unvollendete Schoepfung. Künstler im zwanzigsten Jahrhundert. Urachhaus, Stuttgart 1982, ISBN 3-87838-368-1
Ausstellungskataloge
  • Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf (Hrsg.): Einblicke. Das 20. Jahrhundert in der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf. Hatje Cantz, Ostfildern 2000, ISBN 3-7757-0853-7
  • Thomas Krens (Vorwort): Rendezvous. Masterpieces from the Centre Georges Pompidou and the Guggenheim Museums. Guggenheim Museum Publications, New York 1998, ISBN 0-89207-213-x
Untersuchungen
  • Riewert Ehrich: Miró und Jarry. Ein Beitrag zur literarischen Rezeption in der bildenden Kunst. Lang, Frankfurt/M. 2005, ISBN 3-631-54212-7
Wikiquote: Joan Miró – Zitate
Commons: Joan Miró – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b c d Diether Rudloff: Unvollendete Schoepfung. Künstler im zwanzigsten Jahrhundert. Urachhaus, Stuttgart 1982, S. 110
  2. Hans Platschek: Miró, S. 12–15
  3. Janis Mink: Miró, S. 14 f
  4. a b c d e Thomas Krens (Vorwort): Rendezvous. Masterpieces from the Centre Georges Pompidou and the Guggenheim Museums. Guggenheim Museum Publications, New York 1998, S. 671 Referenzfehler: Ungültiges <ref>-Tag. Der Name „Krens1“ wurde mehrere Male mit einem unterschiedlichen Inhalt definiert.
  5. Janis Mink: Miró, S. 18 ff
  6. Hans Platschek: Miró, S. 46 f
  7. Zitiert nach der Biografie der Miró-Stiftung, Barcelona
  8. Zitiert nach der Biografie der Miró-Stiftung, Barcelona
  9. Hans Platschek: Miró. S. 141 f.
  10. Janis Mink: Miro. S. 93
  11. Hans Platschek: Miró., S. 143
  12. Siehe Weblink Fundació Pilar i Joan Miró
  13. Hans Platschek: Miró. S. 144
  14. Art Works Lost in WTC Attacks Valued at, Insurance Journal, 8. Oktober 2001. Abgerufen am 12. Juni 2008
  15. Siehe Weblink Fundació Pilar i Joan Miró
  16. Siehe Weblink Fundació Pilar i Joan Miró
  17. Janis Minks: Miró. S. 41
  18. Hans Platschek: Miró. S. 72 f
  19. a b Karin von Maur (Hrsg.): Magie der Zahl in der Kunst des 20. Jahrhunderts. Verlag Gerd Hatje, Ostfildern bei Ruit 1997, S. 38 Referenzfehler: Ungültiges <ref>-Tag. Der Name „Maur1“ wurde mehrere Male mit einem unterschiedlichen Inhalt definiert.
  20. Hans Platschek: Miró, S. 85
  21. Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf (Hrsg.): Einblicke. Das 20. Jahrhundert in der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf. Hatje Cantz, Ostfildern 2000, S. 595
  22. Hans Platschek: Miró. S. 109 f
  23. Biografie Joan Miró
  24. Torsten Otte: Salvador Dalí. Eine Biographie mit Selbstzeugnissen des Künstlers, Königshausen & Neumann, Würzburg 2006, ISBN 3-8260-3306-X, S. 36 f
  25. Fèlix Fanés: Salvador Dalí. The Construction of the Image 1925-1930 Yale University Press, New Haven(Ct.) 2007, ISBN 0-300-09179-6, S. 98/99 (engl.)
  26. Volker Zotz: Breton, Rowohlt, Reinbek 1990, ISBN 978-3-499-50374-0, S. 102 f
  27. Janis Mink: Miró, S. 79
  28. Antoni Tàpies: Die Praxis der Kunst. St. Gallen 1976, S. 98 f., In: Diether Rudloff: Unvollendete Schoepfung. Künstler im zwanzigsten Jahrhundert, Stuttgart 1982, S. 112
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