Deutsches Literaturarchiv Marbach

größtes deutsches Literaturarchiv in freier Trägerschaft (1955-)
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Das Deutsche Literaturarchiv in Marbach am Neckar wurde am 12. Juli 1955 gegründet. Es ist das größte deutsche Literaturarchiv in freier Trägerschaft. Träger ist die Deutsche Schillergesellschaft e. V. mit 3.700 Mitgliedern aus aller Welt (Stand Mai 2005).

Seit April 2005 heißt es offiziell Deutsches Literaturarchiv Marbach.


Deutsches Literaturarchiv Marbach heute

Es bildet zusammen mit dem Schiller-Nationalmuseum die einheitliche Institution Schiller-Nationalmuseum und Deutsches Literaturarchiv mit

  • seinen sammelnden Abteilungen (Handschriftenabteilung, Bibliothek, Bild-Abteilung, Cotta-Archiv),
  • der Museums-Abteilung und
  • der Direktions- und Verwaltungsabteilung.

Ziele

Die gemeinsamen selbst erklärten Ziele der Marbacher Institute sind

  • Texte und Dokumente der neueren deutschen Literatur zu sammeln, zu ordnen und zu erschließen.
  • Die Ergebnisse
    • im Museum durch Ausstellungen und Kataloge,
    • vom Archiv durch wissenschaftliche Veröffentlichungen, Lese- und Studienausgaben und Verzeichnisse in verschiedenen Schriftenreihen der Deutschen Schillergesellschaft
der interessierten Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Die Sammlung

Die Sammlungen der Deutschen Literatur von 1750 bis zur Gegenwart umfassen:

  • in der Handschriftenabteilung mehr als 1.100 Nachlässe und Sammlungen von Schriftstellern, Philosophen und Gelehrten sowie Archive literarischer Verlage und Zeitschriften; dazu ca. 50.000 Einzelautographen.
  • in der Bibliothek eine Spezialsammlung zur neueren deutschen Literatur mit etwa 700.000 Bänden, darunter zahlreiche geschlossen aufgestellte Schriftsteller-, Verlags- und Sammlerbibliotheken; außerdem Antiquariats- und Autographenkataloge, Buchumschläge und Verlagsprospekte. Es sind ca. 1.000 Zeitschriften abonniert, die zum Teil für den Katalog ausgewertet werden. Angeschlossen ist eine Dokumantationsstelle für die "graue" Literatur, die nicht im Buchhandel erscheint: Rund 25.000 Mappen zur Zeitungsdokumantation und Rundfunk-, Fernseh- und Theaterprogrammsammlungen, dazu Ton- und Bildton-Dokumente.
  • in der Bildabteilung bildliche und gegenständliche Quellen zur Literatur, vor allem Schriftstellerporträts mit über 200.000 Sammlungsobjekten: Gemälde, Skulpturen, Medaillen, Graphiken und Scherenschnitte, Photographien, Plakate und Buchumschläge, Totenmasken und Erinnerungsstücke. Eine Musikaliensammlung mit Notendrucken und -Handschriften und eine Photowerkstatt sind angeschlossen.
  • im Cotta-Archiv das historische Verlagsarchiv des Tübinger und Stuttgarter Cotta-Verlags (1650-1900), des bedeutendsten Verlags der deutschen Klassik, mit ca. 150.000 Briefen, Vertragsakten, Verlagsregistratur und Produktionsbibliothek.

Veröffentlichungen

Museum und Archiv veröffentlichen regelmäßig aus den Sammlungen:

  • Jahrbuch der Deutschen Schillergesellschaft - Internationales Organ für neuere deutsche Literatur
  • Veröffentlichungen der Deutschen Schillergesellschaft
  • Marbacher Kataloge
  • Marbacher Magazine
  • Marbacher Bibliothek
  • Marbacher Faksimile-Drucke
  • Spuren
  • Deutsches Literaturarchiv. Verzeichnisse - Berichte - Informationen

Collegienhaus

Die Deutsche Schillergesellschaft konnte dank mäzenatischer Hilfe und öffentlicher Zuwendungen 1993 ein Collegienhaus (mit 30 Appartements) für das Deutsche Literaturarchiv eröffnen, gedacht für forschende Gäste, Autoren, Stipendiaten. Es trägt sich wirtschaftlich selbst.

Deutsches Literaturarchiv und Schiller-Nationalmuseum: die gemeinsame Geschichte

Die Geschichte des Deutschen Literaturarchivs ist untrennbar verbunden mit der Entstehung und Geschichte des Schiller-Nationalmuseums und der seines Trägervereins, der Deutschen Schillergesellschaft:

Zur Vorgeschichte im 19. Jahrhundert

Der Stuttgarter Liederkranz veranstaltete in der Residenzstadt Stuttgart am 9. Mai 1825 die erste Schiller Gedächtnißfeyer. Dabei wurden erste Vorstellungen über ein zu errichtendes Schillerdenkmal geäußert, die in Schillers Geburtsort Marbach Befremden auslösten.

Im Mittelpunkt der Marbacher Schiller verehrenden Kreise stand zu dieser Zeit der Amtsrichter Gottlob Rooschüz (1785-1847), der Vater der Schriftstellerin Ottilie Wildermuth. Er initiierte 1835 den Marbacher Schillerverein als erste deutsche Dichtergesellschaft.

1839 errichtete der Stuttgarter Liederkranz ein Schillerdenkmal auf dem Alten Schloßplatz in Stuttgart.

Der Marbacher Schillerverein kaufte Schillers Geburtshaus und eröffnete es 1859 als museale Gedenkstätte Schillerhaus. 1876 wurde das Schillerdenkmal auf der Marbacher Schillerhöhe errichtet, gegossen aus 32 Zentnern erbeuteter französischer Kanonen, überlassen von Kaiser Wilhelm I.

1889 warb Wilhelm Dilthey (1833-1911) für die Errichtung neuer Institutionen der Literaturpflege (Vortrag veröffentlicht in den Preußischen Jahrbüchern): Nach der Erlangung der politischen Einheit sehe man auch die "ganze deutsche Vergangenheit in einer neuen Beleuchtung", und damit auch "die Literatur mit anderen Augen". Es entstünden "aus der Pietät gegen unsere Schriftsteller und aus dem Bedürfnis unserer Forschung neue Anforderungen,...die sich auf Erhaltung, Sammlung und zweckentsprechende Eröffnung der Quellen beziehen....Die Hauptquelle für unsere neue Literatur sind natürlich die Bücher selber...Neben die Bücher treten als andere Quelle die Handschriften...Der handschriftliche Nachlaß der Schriftsteller ist...unschätzbar...Genuß und Verständnis unserer Literatur empfängt aus diesen Handschriften eine unberechenbare wertvolle Bereicherung, und die wissenschaftliche Erkenntnis ist an ihre möglichst ausgiebige Benutzung schlechthin gebunden....Diesen Aufgaben genügen die gegenwärtigen Einrichtungen nicht. Nur Archive ermöglichen die Erhaltung der Handschriften, ihre angemessene Vereinigung und ihre richtige Verwertung. Wir müssen also einen weiteren Schritt in der Organisation unserer Anstalten für historische Forschung tun. Neben die Staatsarchive...müssen Archive für Literatur treten." 1823 hatte bereits Goethe in seinem Essay Archiv des Dichters und Schriftstellers auf die Bedeutung eines gepflegten Schriftstellerarchivs hingewiesen. 1889 wurde in Weimar das Goethe- und Schiller-Archiv eingerichtet, nachdem Goethes letzter Enkel 1885 den Nachlaß Goethes, das Haus, die Sammlungen und das Archiv dem Weimarischen Staat einerseits und der Großherzogin Sophie andrerseits vermacht hatte und 1889 Schillers dichterischer Nachlaß hinzukam.

1890 fand in Stuttgart anläßlich des Vierten allgemeinen Neuphilologentags eine "Ausstellung von verschiedenen Ausgaben, Handschriften, Briefen und Bildnissen schwäbischer Dichter" statt (Cottas Allgemeine Zeitung vom 27. Mai 1890). Der hierfür Verantwortliche, Otto Güntter (1858-1949) schreibt in seinen Erinnerungen (Mein Lebenswerk), wie er während seiner Studienaufenthalte in London (1882/1883) in den Lesesälen des British Museums die reichhaltigen Handschriftensammlungen und im South Kensington Museum die "Bildnisse und Büsten hervorragender Engländer,...Briefe und andere Schriftstücke, sowie Gegenstände aus ihrem Besitz" besichtigte. "So etwas sollten wir Deutsche auch haben, oder doch wenigstens jedes deutsche Land für sich."

Traugott Haffner (1853-1903), der Marbacher Bürgermeister und Vorsitzende des Marbacher Schillervereins, besuchte die Stuttgarter Ausstellung und war sehr angetan. Bei der Schillerfeier am 9. Mai 1890 waren ihm von Schillers Enkelin Familienbildnisse übergeben worden, die sich nicht mehr im kleinen Schillerhaus unterbringen ließen. Beides, die Stuttgarter Ausstellung und die wachsende Sammlung, brachten ihn auf den Gedanken, in Marbach ein Schiller-Museum zu errichten. Der Schulmeister Johann Georg Fischer (1816-1897) vermittelte ihm den Kontakt zum Stuttgarter Bankier und Sammler Kilian Steiner (1833-1903), der half, die Sammlungen des Schillervereins durch Stiftungen auszubauen.

1891 entwickelten diese drei Persönlichkeiten den Plan des Schillermuseums und -archivs als Bildungs- und Forschungsstätte für die neuzeitliche Literatur Schwabens.

1892 finanzierte Steiner für den Marbacher Schillerverein den Erwerb einer großen Sammlung von einer Nachfahrin von Schillers Schwester, und nachdem auch König Wilhelm II. von Württemberg (der 1890 auch die Günttersche Ausstellung besucht hatte) von Steiner und Haffner für das Projekt gewonnen werden konnte, äußerte er am 8. Mai 1895 anläßlich des 60jährigen Jubiläums des Marbacher Schillervereins zur Feier am 9. Mai seine Sympathie zum Plan der "Unterbringung eines Schiller-Archivs und -Museums in einem selbständigen Bau". Der König wollte hierbei tatkräftig mitwirken, wünschte die Umbenennung in Schwäbischer Schillerverein und daß die Mitgliederliste des neuen Vereins mit seinem Namen eröffnet werde (zit. nach Der Postillion, Amts- und Anzeigenblatt für den Oberamtsbezirk Marbach vom 9. Mai 1895). Im Schreiben des Königs klang die künftige Nutzung der Sammlungen für Bildung und Wissenschaft bereits an. Der Sitz des Schwäbischen Schillervereins war Marbach und Stuttgart. Am 1. April 1897 gab es bereits unter den Stiftern 13 Fürstlichkeiten, 63 Körperschaften (Gemeinden) und 82 Privatpersonen, unter den ordentlichen Mitgliedern 65 Körperschaften und 975 Privatpersonen, insgesamt also fast 1.200 Mitglieder, darunter auch Bismarck und die Mitglieder der Weimarer großherzoglichen Familie. Auf der Marbacher Schillerhöhe wurden nun großzügige, vorausschauende Grundstückskäufe getätigt und die Sammlungen stark erweitert. Dabei waren jetzt schon Handschriften und Nachlässe anderer Schriftsteller: Hölderlin, Uhland, etc.

1899/1900 rückte die Verwirklichung des Museumsbaus näher: Mit der Planung konnte begonnen werden, nachdem deren Finanzierung durch Stiftungen, Mitgliederbeiträge und eine 10% der voraussichtlichen Baukosten umfassende Dotation des württembergischen Königs gesichert war. Am 29. Mai 1901 war die Grundsteinlegung des Schiller-Archivs und -Museums. Die Sammlung wurde weiter ausgebaut, der Nachlaß Justinus Kerners kam 1902 hinzu. Aber es hatten auch erste Kontakte zu lebenden Schriftstellern begonnen, die durch Dotationen des Vereins an diesen gebunden werden sollten. So erhielt Wilhelm Raabe zu Weihnachten 1896 eine Ehrengabe in Höhe von 2.500 Mark. Am 10. November 1903, an Schillers Geburtstag, wurde das neue Museum eingeweiht. Im Mai 1904 wurde Otto Güntter Leiter von Museum und Archiv und Stellvertreter des Vereinsvorsitzenden. Vereinsvorsitzende waren in den Jahren 1895-1918, also bis zum Ende der Monarchie, die jeweiligen Kabinettchefs des Königs, danach übernahm Güntter auch den Vorsitz des Vereins.

1905 Feier zu Schillers hundertstem Todestag

1909 Feier zur hundertfünfzigsten Wiederkehr von Schillers Geburtstag

Die Schillerforschung erhielt ihren wichtigen Platz, die Sammlungen wurden erheblich ausgebaut, was einen Erweiterungsbau dringend erforderlich erscheinen ließ. Es erschien die Volksausgabe von Schillers Werken zum Preis von 1 Mark.

Zwischen den Weltkriegen

Nach dem 1. Weltkrieg, der als verloren schmerzhaft empfunden wurde, warb der Vorstand des Vereins Otto Güntter im Mai 1920 um neue Mitglieder mit den Worten: "Der wertvollste Besitz des deutschen Volkes und der einzige, den ihm niemand rauben kann, sind seine geistigen Güter. Zu ihnen hinzuführen hat sich der Schwäbische Schillerverein, der im Mai 1920 auf 25 Jahre seines Bestehens zurückblicken kann, zur Aufgabe gesetzt. Er sucht diese zu erfüllen durch seine Veröffentlichungen und durch die ständige Ausstellung im Schillermuseum in Marbach, in dem unter dem größten unter ihnen auch die andern Dichter aus Schillers Heimat vereinigt sind und das eine Volksbildungsstätte im besten Sinne des Wortes genannt werden darf. - Die Not unseres Volkes gibt den Bestrebungen des Schwäbischen Schillervereins erhöhte Bedeutung. Aus den reichen Schätzen seines Schrifttums kann das deutsche Volk innere Kraft gewinnen und damit die Zuversicht, daß es sich aus seiner Erniedrigung wieder erheben werde."

Am 13. Mai 1922 wurde die Umbenennung des Museums in Schiller-Nationalmuseum beschlossen: "Die Pflege des Schillerschen Geistes...und...Erhaltung und Förderung der ...Erinnerungsstätte (sind) eine gemeindeutsche, nationale Sache." Auch das Weimarer Goethe-Museum wurde 1927 in Goethe-Nationalmuseum umbenannt.

Neben dem politischen Aspekt verdeutlichen diese Umbenennungen aber auch den Anspruch auf "nationale" finanzielle Unterstützung. Am 19. März 1927 regte der Abgeordnete Theodor Heuss in einer Plenarsitzung des Deutschen Reichstags an, dem Schiller-Nationalmuseum einen "Reichszuschuß" zu gewähren. Bis 1938 bestand daraufhin die gesamtstaatliche Förderung der Marbacher Institute, unter der Bedingung, daß auch das Württembergische Kultusministerium seinen finanziellen Beitrag erbrachte.

Mit dem Erwerb des Nachlasses von Cäsar Flaischlen 1930 kamen Handschriften von Dichtern, Künstlern und Gelehrten der Jahrhundertwende (Theodor Fontane, Hugo von Hofmannsthal, etc.) in den Besitz des Archivs und Museums. Seine Bedeutung wuchs weit über die schwäbischen Grenzen hinaus.

1933-1945

Mithilfe von staatlichen Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen wurde 1933/1934 der seit längerem angestrebte Erweiterungsbau des Museumsgebäudes geschaffen, den Otto Güntter in seinem Jahresbericht vor der Mitgliederversammlung im Mai 1934 rühmte: "Wenn am 10. November das neue Deutschland den 175. Geburtstag Schillers begehen wird, werden die Blicke der Deutschen aller Welt nach der Stätte gerichtet sein, an welcher unserem Volke der große nationale Dichter geschenkt wurde, dessen Bedeutung für Deutschlands Erhebung und Erneuerung Hans Fabricius in seinem Buche Schiller als Kampfgenosse Hitlers eindringlich gewürdigt hat....Einen Höhepunkt der festlichen Veranstaltung wird die Weihe des erweiterten deutschen Nationalmuseums für Schiller bilden."

Im Gremium des Vereinsausschusses hatte die Gleichschaltung bereits begonnen: Kilian Steiners Sohn Adolf Mut Steiner mußte aus "rassischen Gründen" ausscheiden, der Stuttgarter NSDAP-Stadtrat Fritz Cuhorst wurde sein Nachfolger.

Am 21. Juni 1934 "Schillerverehrung der deutschen Jugend", laut Jahresbericht des Vereins: "Eine eindrucksvolle Feier zum Gedächtnis Friedrich Schillers war die auf alle deutschen Sender übertragene Huldigung der deutschen Jugend am Denkmal des Dichters vor dem Schiller-Nationalmuseum am Abend des Sonnwendtages, 21. Juni 1934. In fünf Staffelläufen, an denen sich 25.000 Hitlerjungen beteiligten, (gaben) die jugendlichen Vertreter der deutschen Stämme dem Ausdruck, was Schiller ihnen bedeutet." Der Verein war nicht offizieller Mitveranstalter!

Bei der nationalsozialistisch geprägten Feier des 175. Geburtstags Schillers am 10. November 1934 trat der Schillerverein als Mitveranstalter auf.

Ende 1938 zog sich Otto Güntter von der Leitung des Vereins und des Museums zurück.

1939-1945: Der Jurist und Schriftsteller Georg Schmückle wurde Vereinsvorsitzender und Museumsdirektor. Er war gleichzeitig Kulturreferent beim Reichsstatthalter von Württemberg.

Die Sammlungen wurden kriegsbedingt ausgelagert in ein Salzbergwerk bei Heilbronn. Die Räume des Museums wurden von Stuttgarter Behörden genutzt.

1943 erschien der erste Band der Schiller-Nationalausgabe als Gemeinschaftswerk des Weimarer Goethe- und Schiller-Archivs und des Marbacher Schiller-Nationalmuseums: Gedichte in der Reihenfolge ihres Erscheinens 1776-1799.

Mit Wirkung vom 7. Oktober 1943 wurde in der Vereinssatzung, ohne Mitwirkung der Mitglieder, der Name des Schwäbischen Schillervereins in Schiller-Gesellschaft geändert.

Nach dem II. Weltkrieg

Im Juli 1945 wurde Georg Schmückle seines Amtes enthoben, Mut Steiner wurde in das beratende Gremium zurückgeholt. Dr. Erwin Ackerknecht (1880-1960), eine integre Persönlichkeit, Pionier des Volkshochschulwesens und der Volksbüchereibewegung während der Zeit der Weimarer Republik, wurde Direktor des Museums (bis Oktober 1953).

Am 20. September 1947 konnte das Museum bereits wiedereröffnet werden. Der Trägerverein nannte sich nun offiziell Deutsche Schillergesellschaft, und im Mai 1948 wurde Ackerknecht dessen Vorsitzender.

1948/1949 erschienen vier weitere Bände der Schiller-Nationalausgabe, die gemeinsam mit dem Goethe- und Schiller-Archiv in Weimar herausgegeben wurden.

Um den Erwerbungsetat aufzustocken, fanden an den württembergischen Schulen bis 1955 jährliche Sammlungen eines Schillergroschens statt. Ackermann veranstaltete erste Jahresausttelungen aus den Beständen des Museums.

Dr. Bernhard Zeller wurde am 1. November 1953 Archivar des Museums; er richtete innerhalb der Schausammlungen Wechselausstellungen ein. Dr. Wilhelm Hofmann, bis dahin Direktor der Württembergischen Landesbibliothek, wurde 1954 Präsident der Deutschen Schillergesellschaft (bis 1979). Im gleichen Jahr übergab der Verlag der Stuttgarter Zeitung das Cottasche Zeitungs-, Zeitschriften- und Produktionsarchiv als Leihgabe dem Museum. Damit wurde einmal mehr die überregionale Bedeutung des Museums deutlich gemacht.

Am 7. Mai 1955 stellten Hofmann und Zeller dem beratenden Ausschuß erstmals die Erweiterungspläne des Schiller-Nationalmuseums zu einem Deutschen Literaturarchiv vor, der diese billigt. Bernhard Zeller wurde zum Direktor des Schiller-Nationalmuseums berufen.

Am 8. Mai 1955, dem 150. Todestag Schillers, hielt Thomas Mann auf Einladung der Deutschen Schillergesellschaft in Stuttgart seine Rede über Schiller. (Er wiederholte sie am 14. Mai in Weimar.)

Am 12. Mai 1955 wurden in Stuttgart im Beisein von Repräsentanten des Landes und der Stadt die Gründung und Finanzierung des Deutschen Literaturarchivs beschlossen, unter der Voraussetzung, daß sich Bund, Land und die Stadt Stuttgart am Jahresetat (damals 120.000 DM) beteiligten.

In Marbach fand am 24. Januar 1956 eine Tagung von Germanisten, Bibliothekaren und Archivaren statt. Während dieser wurde die Entschließung Wesen und Aufgaben eines Literaturarchivs verabschiedet, deren Kernpunkte u. a. waren: 1. Die "Sicherung dichterischer und schriftstellerischer Nachlässe und Handschriften... zu gewährleisten, weitere Zersplitterung und Verlust (zu) verhindern". 2. wurde "empfohlen, das Schiller-Nationalmuseum in Marbach und das Goethe- und Schiller-Archiv in Weimar weiter auszubauen, um damit im Westen wie im Osten Deutschlands ein Literaturarchiv überregionalen Charakters zu schaffen".

1957 erschien der erste Band des Jahrbuchs der Deutschen Schillergesellschaft, das laut Editorial "der wissenschaftlichen Erforschung deutscher Literatur vom Beginn der Neuzeit bis zu einer der Geschichtserkenntnis bereits zugänflichen Gegenwart" dienen solle.

Die Reihen Jahresausstellungen wurden 1958 mit Die Großen und die Vergessenen begonnen. Einer von ihnen, der Exilierte Kurt Pinthus, besuchte auch die Ausstellung, und ließ sich später in Marbach nieder, wo er am 11. Juli 1975 starb. Die große Ausstellung 1960 Expressionismus. Literatur und Kunst 1910-1923 (von Paul Raabe und Ludwig Greve aufgebaut) machte Epoche: Die von den Nationalsozialisten Verfemten wurden neu entdeckt; die Ausstellung wanderte anschließend nach München, Berlin, New York, Hamburg und Florenz. Der Katalog begründete einen neuen Standard: Er dokumentierte nicht mehr allein die Ausstellung, sondern wurde ergänzt durch Quellenveröffentlichungen aus dem Archiv. Mit den weiteren Jahresausstellungen vervollkommnete das Archiv diesen Katalogtyp: Stefan George 1968, Fontane 1969, Hölderlin 1970, Als der Krieg zu Ende war 1973, Jugend in Wien 1974, Rilke 1975, etc. Die Kataloge werden zum größten Teil bis heute lieferbar gehalten.

Die Stuttgarter Zeitung Verlagsgesellschaft schenkte am 9. November 1961 die ursprüngliche Leihgabe Archiv des Cotta-Verlages "als unveräußerlichen Bestandteil" des Literaturarchivs.

Am 25. April 1970 fand die Grundsteinlegung für den Neubau des Deutschen Literaturarchivs statt (die Fertigstellung war im September 1972).

Bernhard Zeller betonte am 10. November 1970, dem 75. Jahrestag der Gründung des Schwäbischen Schillervereins, die Unabhängigkeit der Gesellschaft, des Museums und des Archivs durch die freie Trägerschaft; denn Museen und Archive dieser Größenordnung seien in Deutschland in der Regel staatliche oder kommunale Einrichtungen.

Ab Herbst 1972 erschienen die ersten Bände der Reihe Deutsches Literaturarchiv: Verzeichnisse - Berichte - Informationen mit Bestandsverzeichnissen, Findbüchern und Bibliographien (zum Beispiel von Siegfried Kracauer, Kurt Tucholsky, etc.). Außerdem wurde eine Arbeitsstelle für die Erforschung der Geschichte der Germanistik eingerichtet.

Der Neubau des Deutschen Literaturarchivs wurde am 16. Mai 1973 im Beisein von Bundes- und Landesprominenz offiziell eröffnet. Dabei erinnerte Eberhard Lämmert an Diltheys oben zitierten Aufruf, Literaturarchive und Staatsarchive gleich wichtig zu erachten.

(Forts. folgt bis Mitte Juni)

Neu: Das Literaturmuseum der Moderne (Eröffnung 2006)

(bis Mitte Juni)

Nach- und Vorlässe (Auswahl)

(bis Mitte Juni)

Literatur

  • Otto Güntter: Mein Lebenswerk (mit Teil 1 Entstehung und Entwicklung des Schiller-Nationalmuseums und Teil 2 Erwerbungen und Stiftungen 1904-1939 zugleich Überblick über den Gesamtbestand an Handschriften und Bildnissen). Klett, Stuttgart 1948.
  • Marbacher Chronik - Zur Geschichte der Deutschen Schillergesellschaft, des Schiller-Nationalmuseums und des Deutschen Literaturarchivs 1953-1979. Hrsg. von den Mitarbeitern. Deutsches Literaturarchiv - Verzeichnisse Berichte Informationen Bd. 8, 2. durchgesehene Aufl., Marbach 1979.
  • Das Marbacher Collegienhaus. Mit Beiträgen von Eberhard Lämmert, Dieter Herrmann und Ulrich Ott, 2. durchgesehene Aufl., Marbach 1993, ISBN 3929146150
  • Bernhard Zeller: Marbacher Memorabilien - Vom Schiller-Nationalmuseum zum Deutschen Literaturarchiv 1953-1973. Marbach 1995, ISBN 3929146355
  • Das Deutsche Literaturarchiv - Erweiterungsbau. Mit Beiträgen von Eberhard Lämmert, Ulrich Ott, Jörg Kiefner und Wolfgang Lauber, Marbach 1995, ISBN 3029146371
  • Marbach - Rückblick auf ein Jahrhundert 1895-1995, mit Beiträgen von Otto K. Deutelmoser, Heinz Georg Keppler, Eberhard Lämmert, Ulrich Ott und Friedrich Pfäfflin, Marbacher Schriften 43, Marbach 1996, ISBN 3933679141
  • Bernhard Zeller: Marbacher Memorabilien II - Aus der Museums- und Archivarbeit 1972-1986. Marbach 2000, ISBN 3933679508
  • Frank Druffner, Martin Schalhorn: Götterpläne und Mäusegeschäfte. Schiller 1759-1805. Marbacher Katalog 58, Marbach 2005, ISBN 3937384111