Die Freie Stadt Danzig – die Stadt Danzig und das mit ihr verbundene Gebiet – bestand als teilsouveräner, selbstständiger Freistaat unter dem Schutz des Völkerbundes von 1920 bis 1939.
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Amtssprache | Deutsch, Polnisch als anerkannte Minderheitensprache | ||||
Hauptstadt | Danzig | ||||
Staatsform | Republik | ||||
Staatsoberhaupt | nicht vorgesehen, faktisch Präsident des Senates | ||||
Regierungschef | Präsident des Senates | ||||
Fläche | 1938: mit–ohne Hafengewässer 1.966–1.893 km² | ||||
Einwohnerzahl | 1939: 388.195[1] | ||||
Währung | bis 1923: Mark ab 18. Dezember 1923: Gulden | ||||
Nationalhymne | Für Danzig von Paul Enderling | ||||
Nationalfeiertag | 15. November | ||||
Zeitzone | UTC+1 | ||||
Kfz-Kennzeichen | DA |
Geschichte
Die Gründung der Freien Stadt erfolgte durch die Siegermächte des Ersten Weltkrieges unter Protest eines großen Teiles der Danziger Bevölkerung, da diese Maßnahme ohne Volksabstimmung durchgeführt wurde.
Teil der Vierzehn Punkte Wilsons war einerseits der Grundsatz des Selbstbestimmungsrecht der Völker, andererseits sollte der neu errichteten Zweiten Polnischen Republik zusätzlich zur Ostseeküste am Polnischen Korridor ein weiterer freier Zugang zur See ermöglicht werden (Punkt 13). Der Danziger Hafen war traditionell der bedeutendste Umschlagplatz für Waren vom Oberlauf der Weichsel. Eine kleine Körperschaft wie Danzig konnte im Gegensatz zu einem großen Staat diesen Zugang nicht so leicht vereiteln. Während Frankreich einen starken polnischen Verbündeten aufzubauen suchte, war Großbritannien an einem Gleichgewicht der Kräfte auf dem Kontinent interessiert. Außerdem nahm man an, dass die Annexion Danzigs und seine Eingliederung in Polen einer dauerhaften friedlichen Lösung abträglich sei. Daher versuchte man an die Tradition eines selbstverwalteten Danzigs anzuknüpfen,[2] da das historische Danzig viele Jahrhunderte hindurch ein selbständiges Staatsgebilde gewesen war,[3] (Republik Danzig 1454–1793), welches als führendes Mitglied der Hanse, unter dem diplomatischen Schutz der polnischen Krone, dem europäischen Handel zu wirtschaftlicher Blüte verhalf. Dank der meisterlichen Aufbauleistung polnischer Restaurateure nach der Zerstörung durch den Zweiten Weltkrieg ist diese Erfolgsgeschichte Danzigs auch heute noch in den Fassaden der Stadt sichtbar.
Die Grundlage für die Aufnahme Danzigs in die Staatengemeinschaft als neutrales, freies und geschütztes Mitglied war der Versailler Vertrag, der den Bestand des Danziger Staatswesens sichern sollte.
Am 15. November 1920 konstituierte sich die neue Freie Stadt Danzig in einer feierlichen Bekanntmachung.
Die Proklamation erfolgte gegen 16 Uhr in einer feierlichen Sitzung durch die Verfassunggebende Versammlung, in Anwesenheit des gesamten diplomatischen Korps und vielen einheimischen Gästen. Der Präsident der Verfassunggebenden Versammlung Reinhard würdigte die Bedeutung dieses Tages verbunden mit dem Wunsch, dass durch Einheit und gegenseitiges Verständnis der Bestand des Staates gesichert sein möge. Der Vertreter des Völkerbundes Oberst Strutt vollzog die Proklamation und bestätigte die Schutzgarantie der Staatengemeinschaft für den Staat Danzig und seine Verfassung. Die Proklamation Danzigs fand am gleichen Tage auch vor dem Völkerbund in Genf statt. Oberst Strutt beendete seine Rede mit den Worten: „Laßt uns Frieden halten jederzeit, sowohl innerhalb wie außerhalb dieses Hauses. Die Welt braucht Frieden. Mögen Danzig und Polen dem östlichen Europa darin ein Vorbild sein. Beide Völker mögen glücklich und zufrieden nebeneinander leben, wachsen und gedeihen, durch gegenseitiges Vertrauen und Freundschaft, bei gegenseitiger Unterstützung. Hiermit erkläre ich feierlichst die Stadt Danzig und das sie umgebende Gebiet mit dem heutigen Tage zur Freien Stadt.“[4]
An ausländischen Mächten waren vertreten:
- Großbritannien durch Konsul B.H. Frey und Vizekonsul Keane,
- Frankreich durch Konsul Guèritte,
- Italien durch Konsul Bertanzi,
- die USA durch Konsul Dawson,
- Schweden durch Konsul Behnke,
- Norwegen durch Konsul Ganswindt,
- Dänemark durch Konsul Marks,
- die Niederlande durch Konsul Brinkmann jun.,
- Österreich durch Dr. Fritz Meyer,
- Griechenland durch Konsul Haber,
- Türkei durch Dr. Schopf,
- Guatemala durch Herrn Weber und den Berliner Konsul A. Wiatrak.[5]
Dieser völkerrechtliche, einmalige Status, wurde Danzig gegen den Willen Polens durch den Völkerbund verliehen. Danzig wurde ein autonomer Staat und war in staatsrechtlicher Beziehung von Polen völlig unabhängig. Allerdings wurde durch den Versailler Vertrag die Führung der auswärtigen Angelegenheiten, entsprechend den Wünschen und Anträgen Danzigs, der polnischen Regierung übertragen, ebenso der Schutz der Danziger Staatsangehörigen im Ausland. An internationalen Konferenzen nahm Danzig jedoch als selbständiger Staat teil, und trat internationalen Abkommen als vertragschließender Teil bei. Die Danziger Verfassung wurde am 16. Mai 1920 von der „Verfassunggebenden Versammlung“ (dem späteren Volkstag) beschlossen, und am 11. Mai 1922 durch den Hohen Kommissar des Völkerbundes genehmigt. Der Völkerbund hatte als seinen ständigen Vertreter einen Hohen Kommissar, auf gemeinsame Kosten Danzigs und Polens, in Danzig stationiert. Seine Aufgabe war es, in Streitfragen zwischen Danzig und Polen die ersten Entscheidungen, gegen die eine Berufung an den Völkerbund möglich war, zu fällen. Die Republik Polen unterhielt in Danzig eine diplomatische Vertretung. Außerdem waren fast sämtliche Staaten der Welt in Danzig konsularisch vertreten. Für die Einreise nach Danzig gab es keine Visumpflicht, ein gültiger Reisepass genügte.
Demgegenüber benötigten die Danziger für Polen ein Visum, im Jahre 1923 kostete allein schon ein Durchreisevisum umgerechnet 32 Schweizer Franken. Bis 1928 hatten nur Deutschland, Österreich, Schweiz und Tschechoslowakei die Visapflicht für die Danziger Staatsbürger beseitigt.[6]
Das Danziger Staatsgebiet umfasste 1950 km² einschließlich 58 km² Wasserfläche des Frischen Haffs. Die Grenzlinie hatte eine Länge von 290,5 km, davon entfielen auf die Seegrenze 66,35 km. Die Einwohnerzahl betrug am 31. August 1924 383.995 Köpfe (in den 5 Verwaltungsbezirken wurden gezählt: Stadtkreis Danzig 206.458, Stadtkreis Zoppot 26.906, Kreis Danziger Höhe 65.827, Kreis Danziger Niederung 33.031, Kreis Großes Werder 51.773). Die Bevölkerung nahm weiter zu. Im Gebiet der Freien Stadt lagen die Hauptstadt Danzig, und die Städte Zoppot, Tiegenhof und Neuteich.
Die gesetzgebende Körperschaft, der Volkstag (das Parlament), wurde nach dem allgemeinen Verhältniswahlrecht gewählt und bestand aus 120 Mitgliedern. Die Wahl der Abgeordneten erfolgte auf 4 Jahre. Die Regierung und oberste Landesbehörde war der Senat, der vom Volkstag gewählt wurde. Er bestand aus dem Präsidenten des Senats und 7 Senatoren im Hauptamt (auf 4 Jahre gewählt) und dem stellvertretenden Präsidenten und 13 Senatoren im Nebenamt (auf unbestimmte Zeit gewählt).
Gliederung des Senats: 11 Abteilungen:
- Präsidialabteilung und Auswärtige Angelegenheiten
- Abteilung des Innern
- Abteilung für Kirchliche Angelegenheiten
- Abteilung für Betriebe, Verkehr und Arbeit
- Finanzabteilung
- Abteilung für Handel und Gewerbe
- Justizabteilung
- Abteilung für Landwirtschaft, Domänen und Forsten
- Abteilung für Öffentliche Arbeiten
- Abteilung für Soziale und Gesundheitliche Angelegenheiten
- Abteilung für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung
Die Stärke der Fraktionen im Volkstag war zu Beginn 1926 folgende:
- 34 Deutsch-national
- 28 SPD (Sozial-demokratische Partei Danzigs)
- 16 Zentrum
- 12 Liberale
- 9 Kommunisten
- 7 Deutschsoziale
- 5 Deutsch-Danziger Volkspartei
- 5 Polen
- 4 Frei
Die Gemeindeangelegenheiten der Stadt Danzig galten als Angelegenheiten des Staates. Der Senat versah die Geschäfte des früheren Magistrats. Ihm zur Seite stand die Stadtbürgerschaft, die vom Volkstag gewählt wurde. In den übrigen Städten des Staatsgebietes bestanden Magistrate und Stadtverordnetenversammlungen wie zu preußischer Zeit.
Die Beziehungen Danzigs zu Polen wurden durch den Danzig-polnischen Vertrag, unterzeichnet in Paris am 9. November 1920, und das Warschauer Abkommen vom 24. Oktober 1921 (das zur Ausführung und Ergänzung des Vertrages vom 9. November 1920 abgeschlossen wurde) geregelt. Das einheitliche Zollgebiet bestand seit dem 1. Januar 1922, die Einheit des Wirtschaftsgebietes seit dem 1. April 1925.[7] Am 14. Juni 1922 gab sich der Staat eine Verfassung, die sich an der der Weimarer Republik orientierte.
Ein wichtiges Ereignis war die Wahl des dritten Volkstags am 13. November 1927. Im Verhältnis zu 1923 brachte sie eine starke Kräfteverschiebung nach links, die Sozialdemokraten wurden mit 42 Sitzen zur stärksten Partei. Auslöser hierfür war die spürbare Verbesserung der wirtschaftlichen Lage Danzigs, die sich nach der Lösung von Deutschland, vor allem aber durch die Einführung des Danziger Gulden und der Verbesserung des Verhältnisses zu Polen, nun freier entfalten konnte. Es war der Regierungsangehörige Senator Dr. Kamnitzer der sich in der Finanz- und der Verständigungspolitik große Verdienste erwarb. Die am 26. Januar 1928 dem Volkstag vorgelegte Erklärung der neuen Danziger Regierung entspannte das danzig-polnische Verhältnis und führte im Februar 1929 zum Besuch des polnischen Ministerpräsidenten Bartels in Danzig. Im gleichen Jahr reiste eine Danziger Delegation unter Führung des Präsidenten Sahm nach Rußland, um den einst blühenden Handel wieder zu beleben.[8]
Religion
Nach Religionsbekenntnis wurden 1924 gezählt: 220.731 Evangelische, 140.797 Katholiken, 9.239 Juden, 5.604 Mennoniten, 2.129 Dissidenten, 1.934 Reformierte, 1.093 Baptisten, 410 Freireligiöse, 1.394 Anhänger anderer Religionsgemeinschaften (z. B. Hugenotten, ), sowie 664 Religionslose. [9]
In den 1920er-Jahren wurde Danzig zu einem Zentrum der jüdischen Auswanderung aus dem Osten nach Übersee. Zwischen 1920 und 1925 emigrierten 60.000 Juden über Danzig nach Amerika und Kanada. Aber auch die Einwanderung von Juden aus Ost und West nach Danzig entwickelte sich sprunghaft mit weittragender Bedeutung für die Danziger Wirtschaft und das jüdische Geistesleben. Auf Grund gleicher Sprache und anerkannter Ausbildung siedelten sich viele Ärzte, Anwälte, Händler und Banken aus Deutschland hier in Danzig an und förderten jenen Geist, der die Danziger Börse zu internationaler Bedeutung erhob. War in den Jahrzehnten zuvor die Mitgliederzahl der jüdischen Danziger Gemeinden konstant geblieben, so stieg sie jetzt um das vierfache an. Keine Gemeinde im deutschsprachigen Raum hatte jemals solch einen Zuwachs zu verzeichnen, er ist nur mit der periodischen Einwanderung in Amerika vergleichbar. Mit der Gründung des "OSE", dem ostjüdischen Verein, wurden viele soziale Einrichtungen geschaffen wie Theater, Kindergarten, Volksküche, Kleiderkammer, Berufsberatung und Arbeitsvermittlung. Außerdem unterhielt die OSE in den Räumen der ehemaligen Friedländerschen Schule am Jakobstor 13 eine Poliklinik. Auch Vertreter von "Misrachi" und "Aguda" nahmen aktiv am Gemeindeleben teil und wurden als Vertreter der jüdischen Volkspartei in die Gemeindeverwaltung gewählt. Für die polnischen Juden, deren verfassungsmäßige Rechte in Polen mit Füßen getreten wurden, war Danzig in dieser Zeit eine Oase der Freiheit und der Hoffnung und sie nahmen für sich den Schutz der polnischen Minderheit Danzigs in Anspruch. Durch seinen internationalen Status wurde Danzig von internationalen jüdischen Organisationen zur Durchführung von Tagungen und Konferenzen gewählt. Auch der Zusammenschluß der jüdischen Jugend aus der ganzen Welt zum "Weltverband der jüdischen Jugend" wurde am 2. September 1924 im Schützenhaus vollzogen unter Teilnahme von David Ben Gurion. Eine für jüdische Danziger historische Konferenz wurde am 21. März 1926 abgehalten. Diese Weltkonferenz der Hechaluz wurde erstmalig in hebräischer Sprache durchgeführt. Die Begrüßung erfolgte durch Dr. Leibowitz für die "Zionistische Organisation" in Danzig, Dr. Landau für das "Danziger Palästina-amt" und Ephraim Reiser für "Brith Hanoar", der Hauptredner war Ben Gurion. Im Jahre 1927 wurde die Synagoge in Langfuhr erbaut und am 25. September eingeweiht.
Natur
Ein aus Schweden herüber driftender Gletscher hat in der Eiszeit im Danziger Gebiet deutliche Spuren hinterlassen und diese Landschaft geprägt. Ein Teil hiervon ist der pommerellen-ische Höhenrücken mit Hügeln, Tälern, Flüssen und Seen, welcher durch die Radaune, den historischen Trinkwasserfluß Danzigs, in nord und süd geteilt wird. Die Bodenbeschaffenheit wechselt ständig zwischen Lehm, Sand und Sumpf, stellenweise gibt es auch Landstriche die mit großen und kleinen Steinen und sogar Findlingen bestückt sind. Wälder befanden sich hauptsächlich auf den Danziger Höhen, einige am Dünungsgürtel, in der Ebene dem Danziger Werder jedoch nur an der Montauer Spitze. Torfmoore fanden sich in großer Anzahl auf der Höhe aber auch im Werder. Der mächtigste Strom des Freistaates war die Weichsel. Ihre ganze Länge beträgt 1068 km, wovon 20 %, also die Mündungsarme, zu Danzig gehörten. Das Mündungsgebiet von Weichsel und Nogat nennt man Weichseldelta. Beim Eintritt in das Danziger Staatsgebiet an der Montauer Spitze liegt die Weichsel noch acht Meter über dem Pegel der Ostsee. Die Strecke bis zur Mündung bei Schiewenhorst – Nickelswalde beträgt 50 km, ein so flaches Gefälle weisen nur die Danziger Niederungsflüsse auf. An seiner tiefsten Stelle liegt das Danziger Land 2,5 Meter unter dem Meeresspiegel.[10] Landschaftsschutz und Landgewinnung durch Eindeichung und Melioration haben im Weichseldelta die gleich große Bedeutung wie in den Niederlanden. Welche Gefahren bei einem Dammbruch lauerten beschrieb Theodor Storm sehr eindringlich in seiner Novelle Der Schimmelreiter. Ein weiterer Fluss ist die Mottlau, sie entspringt in der Nähe von Dirschau, trat bei Güttland in den Freistaat ein und erreicht schließlich den Danziger Hafen, wo sie am Krantor vorbei die Speicherinsel umfließt und in die Danziger Bucht mündet. Der Naturschutz, wie wir ihn heutzutage kennen und fördern, wurde insbesondere durch den Danziger Hugo Conwentz entwickelt.
Landwirtschaft
An Lebensmitteln brachte Danzig nicht genügend für seinen eigenen Bedarf hervor. Es mussten daher beträchtliche Mengen eingeführt werden. Mineralische oder sonstige Bodenschätze gab es nicht, man war auf die volle Nutzung des Hafens durch Handel, Industrie und Handwerk sowie die Landwirtschaft angewiesen. Sowohl in der Pferde- und Rindviehzucht als auch beim Getreideanbau wurden hervorragende Ergebnisse erzielt. Von der zur Verfügung stehenden Gesamtfläche waren 57 % Ackerland, 25 % Wald, 8 % Wiesen, und der Rest Umland. Über 37.000 Personen waren in Land- und Forstwirtschaft beschäftigt.[11]
Industrie
Hier ist traditionsgemäß der Schiffbau hervorzuheben, welcher sich durch seine Leistungen einen guten Weltruf erwarb. Neben Maschinen aller Art wurden auch Schienenfahrzeuge hergestellt. Bedingt durch die großen Mengen an Holz die durch eigene Forstung zur Verfügung standen war auch die Holzindustrie sehr umfangreich. Ferner ist die Verarbeitung von Bernstein zu Schmuck erwähnenswert, der in die ganze Welt exportiert wurde. Auch die Danziger Liköre und Schnäpse waren seit jeher weltweit beliebt, für das Danziger Goldwasser und den Danziger Machandel gilt dies auch heute noch. Sowohl die Tabakindustrie, als auch die Herstellung von Fisch- und Fleischkonserven entwickelten sich immer stärker.[12]
Handel
Der Handel bildete eine der Hauptgrundlagen der Danziger Wirtschaft. Es wurden am 1. Dezember 1923 insgesamt 5.515 Handels- und Verkehrsunternehmen mit 30.698 beschäftigten Personen gezählt. Die Danziger See- Handelsflotte umfasste 78 Schiffe. Regelmäßiger Personen- und Frachtverkehr bestand mit allen Küsten Nord-Europas und mit den USA und Kanada. Massengüter in Schiffsladungen bezog Danzig aus Skandinavien, Heringe aus Schottland, Kohle aus England, Südfrüchte aus Spanien und Nord-Afrika, Düngemittel und Rohstoffe aus Chile, und Baumwolle, Mehl, Schmalz und Fleischkonserven aus den Vereinigten Staaten. Ausgeführt wurden dagegen große Mengen Holz, hauptsächlich nach England, Belgien und Frankreich,[13], Danzig wurde zum bedeutendsten Holzhafen an der Ostsee.[14] Dieser Bedarf wurde durch das polnische Hinterland gedeckt und in 100 m langen Flößen die Weichsel herunter transportiert.
Währung
Am 20. Oktober 1923 wurde als Vorläufer der festen Währung der Danziger Zwischengulden eingeführt, der am 18. Dezember 1923 durch Silber-, Nickel- und Kupfermünzen ersetzt und am 2. März 1924 ganz aus dem Verkehr gezogen wurde. Die Einführung des Danziger Gulden (1 Gulden = 100 Pfennig) erfolgte durch die Bank von Danzig als Notenbank. Sie wurde am 5. Februar 1924 mit einem voll eingezahlten Kapital von 7,5 Millionen Gulden gegründet und eröffnete am 17. März 1924 ihren Geschäftsbetrieb. Der Diskontsatz betrug anfangs 12 % und ab dem dem 11. Mai 1926 7 %. Die Bank hatte das Recht, Guldennoten im Höchstbetrag von 100 G pro Kopf jedes Staatsbürgers (ca. 40 Millionen Gulden) herauszugeben. Der Gulden war an die britische Währung gekoppelt, 25 Gulden entsprachen 1 britischen Pfund. In dieser Zeit der weltweiten Inflation war der Danziger Gulden eine der beiden stabilsten Währungen.[15] Danzigs Währungsdeckung war in der Bank von England deponiert. Auf Beschluss der „Drei-Parteien-Kommission“ (USA, England, Frankreich) in Brüssel wurde dieser Goldlagerbestand im Jahre 1976 an das damals kommunistische Polen ausgeliefert.[16]
Verfassung
Die geschichtliche Bezeichnung Hansestadt wurde der Freien Stadt Danzig von den Alliierten und Assoziierten Hauptmächten verweigert. Im Übrigen trat der genehmigte Verfassungsentwurf als Verfassung am 11. August 1920 in Kraft; Veränderte Fassung vom 14. Juni 1922[17]
Danach fungierte als oberste Regierungsbehörde der Präsident des Senats. Dieser war seinerseits dem Parlament, d. h. dem Volkstag verantwortlich. Ein Staatsoberhaupt war nicht vorgesehen.
Am 6. Dezember 1920 erklärte sich die Verfassunggebende Versammlung zum Volkstag mit der Amtsdauer bis zum 31. Dezember 1923, Heinrich Sahm wurde mit 68 von 120 Stimmen zum Präsidenten der Freien Stadt Danzig gewählt.
Die eigentliche Stadt Danzig verlor ihre kommunale Selbständigkeit. Sie blieb zwar als Stadtgemeinde und Stadtkreis bestehen; ihre gemeindlichen Angelegenheiten galten aber als solche des Staates und wurden von Senat und Volkstag wahrgenommen. Einen Oberbürgermeister der Stadt Danzig gab es damit nicht mehr.
Die übrigen bisherigen Verwaltungsbehörden wurden den Danziger Verhältnissen angepasst und blieben im Allgemeinen bestehen.
Die Freie Stadt Danzig stand unter dem Schutz des Völkerbundes, der einen Hochkommissar[18] in Danzig einsetzte. Dieser entschied alle Streitigkeiten zwischen dem Freistaat und Polen als erste, der Völkerbundsrat in Genf als nächste, und Internationaler Gerichtshof in Den Haag als letzte Instanz.
Verwaltungsgliederung
Der Versailler Vertrag verfügte mit seinem Inkrafttreten am 10. Januar 1920 in den Artikeln 100 bis 108 die Abtretung von Kreisen und Kreisteilen der preußischen Provinz Westpreußen, Regierungsbezirk Danzig, an die Alliierten und Assoziierten Hauptmächte zur Bildung der Freien Stadt Danzig.[19]
Aus ihnen wurden die Stadtkreise Danzig und Zoppot gebildet und die Landkreise Danziger Höhe, Danziger Niederung und Großes Werder.
- Berent (teilweise),
- Danzig-Stadt,
- Danziger Höhe (teilweise),
- Danziger Niederung (teilweise),
- Dirschau (teilweise),
- Elbing (teilweise),
- Karthaus (teilweise),
- Marienburg (Westpr.) (teilweise),
- Neustadt i. Westpr. (nur Stadtgemeinde Zoppot).
Diese Kreise und Kreistrümmer wurden wie folgt zusammengeschlossen:
- Der Stadtkreis Danzig blieb in seiner bisherigen Form bestehen.
- Die Restkreise Berent, Dirschau (westlich der Eisenbahn Dirschau-Hohenstein liegende Ortschaften) und Karthaus traten zum Kreis Danziger Höhe.
- Der Restkreis Dirschau (östlich der Eisenbahn Dirschau-Hohenstein liegende Ortschaften) trat zum Kreis Danziger Niederung.
- Die Restkreise Elbing und Marienburg (Westpr.) bildeten den neuen Kreis Großer Werder, der am 20. Oktober. 1923 in Großes Werder umbenannt wurde. Sein Verwaltungssitz war vorläufig Marienburg (Westpr.), endgültig dann ab April 1920 die Stadtgemeinde Tiegenhof.
- Der Restkreis Neustadt i. Westpr. (nur Stadtgemeinde Zoppot) wurde zum neuen Stadtkreis Zoppot umgebildet.
Zum 24. Dezember 1920 wurde die Nordostgrenze der Freien Stadt Danzig zugunsten des Deutschen Reiches dahingehend abgeändert, dass die Landgemeinden Pröbbernau aus dem Landkreis Danziger Niederung und die Landgemeinde Zeyerniederkampen und der Gutsbezirk Nogathaffkampen aus dem Landkreis Großes Werder an den Landkreis Elbing zurückfielen. Jedoch blieben die Landgemeinden Zeyer und Zeyervorderkampen bei der Freien Stadt Danzig.
Zum 1. Juli 1926 und 15. August 1933 fanden größere Eingemeindungen zugunsten des Stadtkreises Danzig statt, 1929 wurden die im Danziger Gebiet noch bestehenden Gutsbezirke aufgelöst und mit anderen Landgemeinden vereinigt. Ausgenommen von dieser Regelung wurden lediglich die unbewohnten Forstgutsbezirke, die bestehen blieben.
Im übrigen veränderten sich die inneren Verwaltungsgrenzen bis zum Beginn des Zweiten Weltkrieges im wesentlichen nicht mehr.
Justiz
Nach Konstituierung der Freien Stadt übernahm das neu gegründete "Danziger Obergericht" die bisherigen Aufgaben des Reichsgerichts in Leipzig, des Berliner Kammergerichts und des Danziger Oberlandesgerichts. Im Übrigen blieb die bisherige Gliederung in ein Landgericht und vier Amtsgerichte bestehen.
Post
Das Post-, Telegraphen- und Fernsprechwesen in der Freien Stadt Danzig wurden von Danzig unbeschränkt betrieben und verwaltet. Daneben hatte auf Grund des Versailler Vertrages Polen das Recht, einen Post-, Telegraphen- und Fernsprechdienst für den Verkehr zwischen Polen und dem Hafen von Danzig sowie zwischen dem Ausland und Polen über den Danziger Hafen einzurichten. Hierdurch wurde indes der Post-, Telegraphen- und Fernsprechverkehr der Danziger Postverwaltung mit Polen nicht beschränkt.
Danzig gab auch eigene Briefmarken heraus, siehe dazu Danziger Postgeschichte.
Die Postversorgung wurde von Polen exzessiv dahin ausgelegt, dass am 5. Januar 1925 im gesamten Stadtgebiet zehn polnische Briefkästen aufgehängt wurden und polnische Postbedienstete in Danzig ihre Briefzustellungen vornahmen. Es entspann sich über die Zulässigkeit dieser Maßnahmen ein längerer Streit zwischen den Danziger und polnischen Behörden. Der in dieser Sache angerufene Völkerbundsrat traf daraufhin auf das Gutachten des Ständigen Internationalen Gerichtshofs vom 11. Mai 1925 die Entscheidung, dass in einem näher umgrenzten Gebiet, das den Hafen und die gesamte Danziger Innenstadt umfasste, polnische Postkästen aufgehängt bleiben durften.
Verkehr
Danzig war seit jeher ein idealer und wichtiger Verkehrsknotenpunkt für den europäischen und den Welthandel. Hier treffen die Landwege, Binnenschiffahrtswege und Hochseerouten zusammen. Bis 1945 war von einer Klimaerwärmung nichts zu spüren. Es kam oft vor, daß die Ostsee zufror. Bedingt durch die vorgeschobene Halbinsel Hela liegt Danzig vor Stürmen geschützt in der Danziger Bucht und in den meisten Wintern blieb der Hafen eisfrei.
Zoll
Die Organisation des Zolldienstes stand der Regierung der Freien Stadt Danzig zu. Das Landeszollamt erhob die Zölle durch Danziger Beamte nach dem polnischen Zolltarif, sowie die Verbrauchs- und Verkehrsabgaben nach den Danziger Gesetzen. Mehr als ein Drittel – 34 Prozent – aller im Danzig-polnischen Zollgebiet aufkommenden Zolleinnahmen wurden in der Freien Stadt Danzig erhoben, der Danziger Staatskasse verblieben nur 7,31 %.
Eisenbahnverkehr
Die Verwaltung der Eisenbahnen (Fernverkehr) im Gebiete der Freien Stadt wurden gemäß Artikel 104 des Versailler Vertrages der Republik Polen übertragen. Dienstsprache und Aufschriften blieben deutsch. Kleinbahnen und Straßenbahnen wurden von Danzig betrieben.
Der Güterumschlag der Bahn mit dem Danziger Hafen betrug im Jahre 1922 ca. 3 Mio. Tonnen, im Jahre 1923 ca. 2,5 Mio. Tonnen.
Im Personenverkehr bestanden direkte D-Zug-Verbindungen zu allen Zentren in Deutschland, Polen und den östlichen Staaten.
Kraftfahrzeuge
Das Danziger Unterscheidungskennzeichen (ovales Nationalitätszeichen) für Kraftfahrzeuge war „DA“[20]. Das Kraftfahrzeugkennzeichen (Nummernschild) dagegen begann mit DZ gefolgt von einer 1- bis 5-stelligen Nummer. 1956 wurden für die 1945 besetzten Ostgebiete des Deutschen Reiches und das Gebiet der Freien Stadt Danzig Kürzel reserviert, so DZ für Danzig (auch BR für Breslau, KP für Königsberg i. Pr. Siehe auch Ostzonenverzeichnis).
Luftverkehr
Das Danziger Staatszugehörigkeitszeichen für Flugzeuge war gemäß Verordnung über Luftverkehr vom 6. Januar 1937 (GBl. f. d. FS Danzig Nr. 8 vom 28. Januar 1937, Seite 29 ff.) aus den Buchstaben YM gebildet (gefolgt von einer Zahlen- und Buchstabenkombination); das Zeichen war gemäß diesem Gesetz mit der Staatsflagge am Heck sichtbar am Flugzeug zu führen.
Der Danziger Flughafen wurde 1923 in Langfuhr eröffnet und bildete den wichtigsten Knotenpunkt im skandinavisch - baltischen Raum Europas. Die Linie Danzig - Marienburg wurde täglich öfter geflogen. Mehrmals in der Woche verkehrten im unmittelbaren oder im Anschlußverkehr Flüge nach Berlin, Hamburg, Amsterdam, London, Kopenhagen, Warschau, Krakau, Lemberg, Königsberg, Riga, Moskau, Helsingfors und Stockholm. Es bestanden 1923 drei Danziger Luftverkehrsgesellschaften die Personen und Post beförderten: Danziger Luftpost - Danziger Luftreederei - Danziger Lloyd-Luftdienst.[21]
Hafen von Danzig
Zur Verwaltung des Hafens war ein Hafenausschuß eingerichtet worden, der aus jeweils 5 Danziger und polnischen Mitgliedern bestand, mit einem vom Völkerbund bestimmten Präsidenten schweizerischer Nationalität. Diesem Hafenausschuß war auch die Verwaltung der Weichsel in ihrem Laufe durch das Danziger Gebiet übertragen. Danzig besaß außerdem auch einen Freihafen.
Gleichwohl schuf Polen in den Folgejahren nach 1920 eine durch Polen allein kontrollierbare sichere Umgehung des Freistaates: nördlich von Danzig legte Polen den neuen Hafen Gdynia auf dem Gebiet der alten deutschen Landgemeinde Gdingen an und verband ihn über die neue Kohlenmagistrale durch den polnischen Korridor mit dem polnisch gewordenen ostoberschlesischen Industriegebiet.
Bereits im Jahre 1933 übertraf der Güterumschlag über Gdingen (Gdynia) den des Danziger Hafens mit wirtschaftlich ernst zu nehmenden Folgen. Damit wäre zumindest das für die Stadt Danzig sehr gefährliche polnische Munitions-Depot auf der Westerplatte hinfällig geworden, welches von den Bürgern als permanente Bedrohung wahrgenommen wurde. Hinzukommt, dass die Westerplatte vor dem 1. Weltkrieg der Lieblingsstrand und das Naherholungsgebiet der Danziger war.
Westerplatte
Im Jahre 1919 bestand die große Gefahr für Danzig, daß die polnischen Truppen von Jozef Haller die auf französischer Seite gegen Deutschland gekämpft hatten, bei ihrer Rückführung nach Polen Danzig besetzen würden. Durch den Überfall Polens auf Rußland 1920 brachte Polen Danzig nun in die Gefahr, von Rußland besetzt zu werden. Als im August 1920 die Rote Armee vor Warschau stand, sollte Polen über Danzig dringend benötigte Munitionslieferungen aus Saloniki erhalten. Im Angesicht der Gefahr in diesen Krieg hineingezogen zu werden plädierte die Verfassunggebende Versammlung am 20. August 1920 für die Neutralität Danzigs. Dieser Antrag wurde mit 62 gegen 21 Stimmen angenommen, nicht zuletzt da ja die Neutralität in Danzigs Geschichte schon immer eine große Rolle gespielt hatte. Obwohl die Neutralitätserklärung nicht formell durch den Völkerbund bekräftigt wurde, weigerten sich die Danziger Hafenarbeiter Schiffe mit Munition zu entladen, wofür stattdessen alliierte Truppen eingesetzt werden mußten. Der Streik wurde auch aus dem Ausland gestärkt. So erklärte der Präsident der "English Transport Workers Union" Robert Williams in seinem Telegramm vom 6. August 1920 seine volle Zustimmung zum Verhalten der Danziger. Auch der Sekretär der britischen Labourparty unterstützte am selben Tage die Danziger mit der Parole "hands off Russia" und warnte vor jeder Unterstützung Polens.[22]
Der Völkerbund blieb Polen gegenüber tatenlos und unternahm nichts um diese Störung des Weltfriedens zu beenden, stattdessen wurde Polen von einigen Mitglieds-Nationen unterstützt. Nach einer gescheiterten polnischen Gegenoffensive wurde am 12. Oktober 1920 zwischen Polen und Russland ein Waffenstillstand vereinbart, welcher am 18. März 1921 im Frieden von Riga endete.
In einer Erklärung vom 23. August 1920 protestierte der polnische Vertreter Bisiedecki bei Sir Reginald Tower gegen die Danziger Neutralität, welche konform zum Versailler Vertrag stand.
Dennoch wurde Polen zugestanden, auf der Westerplatte an der Mündung der Alten Weichsel ein Munitionsdepot anzulegen und zu dessen Schutz auch eine militärische Besatzung dort zu stationieren. In der Folgezeit wurde diese Anlage widerrechtlich militärisch befestigt und ausgebaut. Die Westerplatte unterstand zwar weiterhin den Danziger Behörden, war also nicht exterritorial, durfte aber nur nach vorheriger Anfrage inspiziert werden.
Sowohl die im Versailler Vertrag vereinbarte Militärlosigkeit Danzigs, als auch der eindeutige Wunsch der Danziger nach Neutralität, wurden von den zuständigen Nationen nicht erfüllt, was einen großen Vertrauensverlust in den Völkerbund bei den Danzigern nach sich zog.
Zweiter Weltkrieg
Ebenso war die Stadt eine der Hochburgen von Deutschkonservativen und später nationalsozialistischen Gruppen. Bereits bei den Wahlen am 16. November 1930 wurde die NSDAP zur zweitstärksten Partei, mit der Wahl vom 28. Mai 1933 erlangten die Nationalsozialisten im Volkstage die absolute Mehrheit. Sie bauten diese in der Wahl 1935 noch aus. Ab 1933 war der Status der Freien Stadt weitgehend unumstritten, was im Rahmen des deutsch-polnischen Nichtangriffspaktes vom 26. Januar 1934 bekräftigt wurde.
Die jüdische Gemeinde in der Stadt sah sich zunehmend Repressionen ausgesetzt, Beschwerden beim Hochkommissariat des Völkerbundes blieben wirkungslos. Allerdings verzögerte sich durch Danzigs internationalen Status die Einführung der antijüdischen Nürnberger Gesetze durch die Nationalsozialisten außerhalb des Deutschen Reichs.
Am 23. August 1939 setzte der Senat den bisherigen Danziger Gauleiter der NSDAP, Albert Forster, als Staatsoberhaupt ein.
Am 15. Oktober 1939 wurde der Danziger Gulden abgeschafft und durch die Reichsmark zum Kurs von 0,70 RM umgetauscht.
Mit den Schüssen des deutschen Linienschiffes Schleswig-Holstein auf die Westerplatte begann am 1. September 1939 der Zweite Weltkrieg.
Das polnische Postgebäude wurde vertragswidrig befestigt und mit polnischem militärischen Schutz versehen.
Im Gefecht um das Polnische Postamt in Danzig am 1. September 1939 eroberten Truppen der SS-Heimwehr Danzig die polnische Post; ein Ereignis, dem Günter Grass ein Kapitel seines Romans Die Blechtrommel widmet.
Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs am 1. September 1939 übernahm Albert Forster als selbsternanntes Staatsoberhaupt und Gauleiter unter Aufhebung der Danziger Verfassung die gesamte gesetzgebende und vollziehende Gewalt.
Durch Staatsgrundgesetz vom gleichen Tage erklärte er das Gebiet der Freien Stadt Danzig zum Bestandteil des Deutschen Reiches. Dieser Anschluss wurde durch Reichsgesetz vom gleichen Tage in der Berliner Sitzung des Reichstages auch vollzogen.
Am 1. September 1939, einen Tag nachdem der Senat die Verdienstmedaille Danziger Kreuz beschlossen hatte, beschoss die Wehrmacht die Westerplatte, und im Gefecht um das Polnische Postamt in Danzig wurde dieses Gebäude erstürmt. Zudem trafen Truppen der Wehrmacht von Ostpreußen aus ein. Polen gelang es nicht, wie vorgesehen innerhalb von 6 Stunden, Danzig vom Korridor aus einzunehmen.
Etwa 600 in der Stadt verbliebene jüdische Einwohner und hier lebende Polen wurden verhaftet, geschlagen und in Konzentrationslager und Ghettos deportiert (siehe auch KZ Stutthof).
Die Eingliederung der Freien Stadt Danzig in das Deutsche Reich, verkündet durch den am 23. August zum Danziger Staatsoberhaupt gewählten Gauleiter Albert Forster, erfolgte als vorgebliche Verfassungsabänderung unter Verfassungsbruch gem. Art. 49 DanV[23] und war damit völkerrechtswidrig (keine Zustimmung des Völkerbundes) und ungültig. Im späteren Verlauf ging sie am 26. Oktober 1939 im neuen Reichsgau Westpreußen, später in Danzig-Westpreußen auf.
Nach dem Krieg wurde die Freie Stadt Danzig von den Siegern jedoch nicht als besetztes Land behandelt, wie etwa Österreich, Sudetenland und das vergleichbare Memelland, sondern als Teil des Deutschen Reiches. Das Gebiet der Freien Stadt Danzig wurde am 30. März 1945[24] in die polnische Wojewodschaft Gdansk und mit dem Gesetz vom 11. Januar 1949[25] in die polnische Staatsverwaltung eingegliedert. Voraussetzungen hierfür gaben die Verwaltungsbestimmungen des Potsdamer Abkommens vom 2. August 1945 (Punkt IXb, Supplement Nr. 1, Berlin 1946, S. 3–20)[26], das eine spätere friedensvertragliche Regelung vorsah. Laut Antwort 14/3263 der Bundesregierung „hat sich [mit Abschluss des Zwei-plus-Vier-Vertrages] nach Einschätzung der beteiligten Mächte die Frage einer weiteren friedensvertraglichen Regelung der Folgen des Zweiten Weltkrieges erledigt.“[27] Diese Aussage bezieht sich aber nur auf das Verhältnis zwischen Deutschland und Polen, da kein Organ der Freien Stadt Danzig vertragschließender Teil in dem bezugnehmenden Vertrag war und sie auch nicht in die Zuständigkeit dieser beiden Staaten gehörte, was die Bundesregierung in der genannten Antwort zuvor einräumte (Zitat:… Danzig hat seit der friedensvertraglichen Regelung nach dem Ersten Weltkrieg nicht mehr zu Deutschland gehört, woran auch die zeitweilige Annexion im Zweiten Weltkrieg aus heutiger völkerrechtlicher Sicht nichts ändert. In Bezug auf die Entwicklung des völkerrechtlichen Status von Danzig hat die Bundesrepublik Deutschland daher mangels völkerrechtlicher Zuständigkeit keine rechtserheblichen Handlungen vornehmen können.In Abschnitt IX des Protokolls der Potsdamer Konferenz vom 2.August 1945 hatten die drei Siegermächte die „frühere Freie Stadt Danzig“ vorbehaltlich einer endgültigen friedensvertraglichen Regelung polnischer Verwaltung unterstellt …).[28] Im Widerspruch zum Völkerrecht und allen internationalen Vereinbarungen führte das damals kommunistische Polen die Verwaltung jedoch nicht aus, sondern Deportation und Enteignung wurden im März 1945 gegen das autochthone Danziger Staatsvolk durchgeführt. Seither werden die Interessen der Danziger durch ihre Exilorgane vertreten. Deren Gründung geht zurück auf die Errichtungsurkunde vom 10. Mai 1947, in welcher der evangelische Bischof von Danzig Gerhard M. Gülzow in Wahrnehmung seiner übertragenen Vollmachten die Bildung des Rat der Danziger verordnete, um für die Rechte der Danziger und ihres Staates einzustehen.
Das europäische Danzig
In dem "Ishii-Bericht" an den Völkerbundsrat vom 17. November 1920 wird die Freie Stadt Danzig ausdrücklich als "state in the international organisation of Europe" bezeichnet. Danzig hat auch alles getan, diesem Anspruch gerecht zu werden. So wurden allein im Jahre 1926 bis Mitte 1927 16 internationale Verträge und 7 Konventionen unterzeichnet. Danzig trat auch als Unterzeichnerstaat dem Kellogg-Briand-Pakt zur Ächtung des Krieges bei der am 27. August 1928 in Paris geschlossen wurde, sowie dem Litwinow-Protokoll das am 9. Februar 1929 in Moskau zunächst von Lettland, Estland, Polen, Rumänien und der Sowjet-Union unterzeichnet wurde, dem sich später jedoch auch die Freie Stadt Danzig, Litauen, Persien, Türkei und Afghanistan anschlossen.[29]
Personalien
Reichskommissar
- Regierungspräsident Lothar Foerster (1919–1920)
Militärgouverneur
- Sir Reginald Tower, Großbritannien (1920)
Präsidenten des Senats
- Dr. h. c. Heinrich Sahm (1920–1931)
- Dr. Ernst Ziehm, DNVP (1931–1933)
- Dr. Hermann Rauschning, NSDAP (1933–1934)
- Arthur Greiser, NSDAP (1934–1939)
Präsidenten des Volkstags
- Wilhelm Reinhard (1920–1921)
- Adalbert Mathaei (1921–1921)
- Adolf Treichel (1921–1923)
- Julius Gehl (1923–1924)
- Adolf Treichel (1924–1926)
- Alfred Semrau (1926–1928)
- Fritz Spill (1928–1930)
- Julius Gehl (1930–1931)
- Wilhelm von Wnuck (1931–1933)
- Franz Potrykus (1933–1933)
- Wilhelm von Wnuck (1933–1936)
- Edmund Beyl (1937–1939)
Hochkommissare
- Edward Lisle Strutt, Großbritannien (1920, geschäftsführend)
- Bernardo Attolico, Italien (1920, stellvertretend)
- Generalleutnant Sir Richard Haking, Großbritannien (1921)
- Mervyn Mc Donnell, Großbritannien (1923)
- Joost Adriaan van Hamel, Niederlande (1925)
- Conte Manfredo Gravina, Italien (1929)
- Helmer Rosting, Dänemark (1932)
- Seán Lester, Irland (1934)
- Professor Carl Jacob Burckhardt, Schweiz (1937)
NSDAP
Das Gebiet der Freien Stadt Danzig bildete den Gau Danzig der NSDAP. Dieser war abweichend von der staatlichen Gliederung in 9 Kreise der NSDAP eingeteilt:
- Danzig-Außenstadt
- Danziger Höhe
- Danziger Innenstadt
- Kreis Danziger Niederung
- Großes Werder
- Langfuhr
- Neufahrwasser
- Oliva
- Zoppot
Gauleiter der NSDAP
- Hans Albert Hohnfeldt in Danzig (1926)
- Gauleiter der NSDAP Erich Koch in Königsberg i. Pr. (192?: kommissarisch)
- MdR Albert Forster aus Fürth (1930)
Kreise in der Freien Stadt Danzig 1939
Stadtkreise
Landkreise
- Danziger Höhe [Sitz: Danzig]
- Danziger Niederung [Sitz: Danzig]
- Großes Werder [Sitz: Tiegenhof]
Verweise
Literatur
- Hans Viktor Böttcher: Die Freie Stadt Danzig: Wege und Umwege in die europäische Zukunft; Historischer Rückblick, staats- und völkerrechtliche Fragen. Bonn 1997 (2. Auflage), ISBN 3-88557-149-8
- Prof. Dr. Gilbert H. Gornig Das rechtliche Schicksal der Danziger Kulturgüter seit 1939/45 am Beispiel der Naturforschenden Gesellschaft zu Danzig. Ein Rechtsgutachten Verlag Wissenschaft und Politik Köln 1999, ISSN 1434-8616, ISBN 3-8046-8841-1
- Peter Hüttenberger: Die Gauleiter. Studie zum Wandel des Machtgefüges in der NSDAP. Stuttgart (Deutsche Verlags-Anstalt) 1969 (= Schriftenreihe der Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte)
- Peter Oliver Loew: Danzig und seine Vergangenheit 1793–1997. Die Geschichtskultur einer Stadt zwischen Deutschland und Polen, Osnabrück (fibre Verlag) 2003 (= Einzelveröffentlichungen des Deutschen Historischen Instituts Warschau).
- Dieter Schenk: Hitlers Mann in Danzig. Gauleiter Forster und die Verbrechen in Danzig-Westpreußen. Dietz Bonn 2000, ISBN 3-8012-5029-6
- Entscheidungen des Permanent Court of International Justice zur Freien Stadt Danzig [1]
- Pressestelle des Senats der Freien Stadt Danzig: "Die Freie Stadt Danzig; Ihr Aufbau und ihre Wirtschaft", Danzig 1926
- Dr. Jürgensen: "Die Freie Stadt Danzig", Danzig (ca. 1924/1925, Kafemann GmbH)
- Wolfgang Ramonat: Der Völkerbund und die Freie Stadt Danzig 1920-1934, Studien zur Militärgeschichte, Militärwissenschaft und Konfliktforschung, Biblio Verlag Osnabrück 1979, ISBN 3-7648-1115-3
- Samuel Echt: Die Geschichte der Juden in Danzig, Verlag Gerhard Rautenberg 1972, ISBN 3-7921-0095-9
- Hans Viktor Böttcher: Johann Rist und die Stadt Danzig, "Zuschrift" der Dichtung, Neues Musikalisches Seelenparadies -II. Teil- an die Stadt Danzig im Jahre 1662, Verlag UNSER DANZIG, Lübeck 1991, ISBN 3-926482-03-6
Einzelnachweise
- ↑ http://home.arcor.de/iframe/dontdelete/danzigbevoelkerung.pdf
- ↑ Christoph M. Kimmich, The Free City, Danzig and German Foreign Policy 1919–1934, (1968) S. 1ff.
- ↑ Grünbuch der Vertretung der Freien Stadt Danzig, Lübeck 1965, S. 7
- ↑ Hans Viktor Böttcher: Die Freie Stadt Danzig – Wege und Umwege in die europäische Zukunft.
- ↑ Danziger Neueste Nachrichten vom 16. November 1920
- ↑ Wolfgang Ramonat: Der Völkerbund und die Freie Stadt Danzig 1920-1934
- ↑ Die Freie Stadt Danzig, ihr Aufbau und ihre Wirtschaft, Pressestelle des Senats der Freien Stadt Danzig, 1926
- ↑ Samuel Echt: Die Geschichte der Juden in Danzig, Gerhard Rautenberg Verlag, 1972
- ↑ Dr. Jürgensen: "Die Freie Stadt Danzig", Danzig
- ↑ Reinhold Mantau: Heimatkunde der Freien Stadt Danzig, Danzig 1924
- ↑ Pressestelle des Senats der Freien Stadt Danzig: Die Freie Stadt Danzig. Ihr Aufbau und ihre Wirtschaft. Danzig 1926
- ↑ Pressestelle des Senats der Freien Stadt Danzig: "Die Freie Stadt Danzig; Ihr Aufbau und ihre Wirtschaft." Danzig 1926
- ↑ Dr. Jürgensen: Die Freie Stadt Danzig, Danzig ca.1924/25
- ↑ Samuel Echt: Die Geschichte der Juden in Danzig
- ↑ Die Freie Stadt Danzig, Ihr Aufbau und ihre Wirtschaft, Pressestelle des Senats der Freien Stadt Danzig, 1926
- ↑ Editions A. Pedone: Revue Gènèrale de Droit International Public, TOME LXXXI-1977, Revue publièe avec le concours du C.N.R.S.
- ↑ http://www.verfassungen.de/de/x/danzig22.htm
- ↑ http://www.worldstatesmen.org/Poland.htm#Danzig
- ↑ http://www.versailler-vertrag.de/vv3a.htm#311
- ↑ http://www.admin.ch/ch/d/sr/0_741_11/app3.html]
- ↑ Reinhold Mantau: Heimatkunde der Freien Stadt Danzig, Danzig 1924
- ↑ Wolfgang Ramonat: Der Völkerbund und die Freie Stadt Danzig 1920-1934
- ↑ http://www.verfassungen.de/de/x/danzig22.htm#i4
- ↑ pl. Eingl.-Dekret 30. März 1945 http://isip.sejm.gov.pl/servlet/Search?todo=open&id=WDU19450110057
- ↑ Ustawa 11.1949: http://isip.sejm.gov.pl/servlet/Search?todo=open&id=WDU19490040022
- ↑ Potsdamer Abkommen, Text: http://www.documentarchiv.de/in/1945/potsdamer-abkommen.html
- ↑ Antwort auf die kleine Anfrage der PDS-Fraktion, Drucksache 14/3263: http://dip.bundestag.de/btd/14/032/1403263.pdf
- ↑ Hans Viktor Böttcher: Die Freie Stadt Danzig, Wege und Umwege in die europäische Zukunft.
- ↑ Wolfgang Ramonat: Der Völkerbund und die Freie Stadt Danzig 1920-1934