Eine Pejoration (lat. peior „schlimmer“) ist in der Linguistik der Bedeutungswandel eines Wortes hin zu einem schlechteren Beiklang.
Seit der Reformation wird diese Bezeichnung selbst in einem abwertenden Sinne gebraucht.
Grundlagen
Pejoration muss sich nicht auf die Begrifflichkeit selbst beziehen, klassisches deutschsprachiges Beispiel ist das Wort Weib ‚Frau‘, das nie die Bedeutung im eigentlichen Sinn verändert hat, sondern nur die wertende Konnotation, während Dirne ‚Mädchen‘ den Begriff selbst wandelt (Mädchen → Prostituierte). Ein Wort, das sich in seiner Pejoration so verfestigt hat, dass es nurmehr abwertend oder gar als Schimpfwort gebraucht wird, wird selbst zum Pejorativ.
Die Verwendung einer Floskel in pejorativem, herabsetzendem Gebrauch als Stilmittel wird als Dysphemismus bezeichnet (ihr Gegenteil ist der Euphemismus). Ein Dysphemismus führt noch nicht zur Pejoration des Worts selbst, ist aber ein Schritt dazu (Schwein, das Tier → „Du Schwein!“).
Die Theorie der Euphemismus-Tretmühle besagt, dass Wörter in gewissen Themenfeldern sich zwangsläufig zum Pejorativen hin „abnutzen“. Dass Pejoration und das Gegenteil, die Melioration, im Laufe des Sprachwandels aber ein Wort hin- und herschieben, zeigt etwa geil, ursprünglich positiv besetzt ‚fett(-haltig)‘ im Sinne nahrhaft, ‚üppig‘ (Geiltrieb) → pejorativ ‚wollüstig, lüstern‘ im Laufe der früheren Neuzeit → ‚Wohlgefallen, Anklang findend‘ in der zeitgenössischen Jugendsprache.
Beispiele
- Soziale Rollen
- Pfaffe (zu Pfarrer) war im Mittelhochdeutschen eine wertfreie Bezeichnung für ‚Priester‘.
- Regime, früher allgemein für eine Regierung oder eine Regierungsform, heute im Sprachgebrauch eine nicht durch die Bevölkerung legitimierte „Regierungskaste“. Entstand aus nachrevolutionär Ancien Regime.
- Weib, früher allgemein gebräuchlich für Frau im allgemeinen Sinne (vergl. weiblich und feminin, beide auf Geschlecht, aber auch ‚Fraulichkeit‘ bezogen) ist heute allgemein abwertend – in einigen bayerisch-österr. Dialekten wird Weiberleit (Leute) noch wertfrei parallel zu Månerleit verwendet. Allerdings ist allgemein wieder ein Bedeutungswandel zum Positiven zu beobachten, vor allem für die Bezeichnung besonders „weiblicher“ Frauen, dann mit Zusätzen wie „Klasse-“, „Rasse-“, „Super-“ etc.
- Frau selbst aber rückt nach, ursprünglich Bezeichnung des Adelsstands parallel zu Herr, wurde es zum Allgemeinbegriff, und seine Position nimmt Dame (aus den Frz., zu lat. domina ‚Hausherrin‘) ein.
- Dirne ist ein altes Wort für Mädchen (oberd. Dirndl respektvoll, auch: ‚prachtvolles Frauenkleid‘, ebenso im Niederdeutschen als Deern), später dann Magd, also eine bäuerliche Hilfskraft (Magd wie Mädchen aus Maid ‚Jungfrau‘, vergl. engl. maiden, also selbst pejorisiert). Im 19. Jahrhundert wandelte sich der Begriff in seiner Bedeutung hin zu Hure.
- Siehe hierzu: Frauenbild, vergl. aber auch Luder ‚Hure‘ mit neuerdings euphemisierender Verwendung.
- Ethnophaulismen (Pejorative Ethonyme) und andere Volksgruppenbezeichnungen;
- Mohammedaner, ursprünglich wertfreie Bezeichnung für die Anhänger der Lehre Mohammeds. Seit der Verdrängung durch das Wort Moslem hat diese jedoch einen zumeist abwertenden bzw. ablehnenden Charakter angenommen. Das ältere Muselmann zu Moslem ist aber auch pejorativ.
- Neger, als Germanismus zu lat. niger ‚schwarz‘ seit dem 18. Jahrhundert (davon fachsprachlich negrid/negroid), wurde bis in die 1970er Jahre in der Gelehrten- und Alltagssprache unbefangen benutzt. Durch die Verwendung des äußerst beleidigenden Wortes nigger im Englischen wie auch durch das Abkommen von Rassentheorien in der Ethnologie wird das Wort heute als politisch unkorrekt oder diskriminierend empfunden und ist nurmehr als Schimpfwort der Alltagssprache in Verwendung
- Siehe hierzu aber auch Ethnic Pride zur Selbstbezeichnung mit Ethnophaulismen und anschließender Meliorisierung.
- Sekte, früher allgemein für eine religiöse Minderheit; im Endbericht der Enquête-Kommission „Sogenannte Sekten und Psychogruppen“ wird empfohlen, diesen Begriff im Umgang mit neureligiösen Bewegungen nicht mehr zu verwenden, da er historisch zu sehr belastet ist.
- Wirtschaftlich-soziale Begriffe:
- Billig, früher mit der Bedeutung von gerecht eher positiv besetzt (vergl. billigen ‚gutheissen‘), also beispielsweise ein Preis, der als gerecht empfunden wurde und nicht eines Handels bedarf – in der Rechtssprache noch heute in diesem Sinne (Billigkeit) und „was recht und billig ist“ ist, ist ‚den gesetzlichen und sozialen Normen gemäß‘. Mit der Industrialisierung wurden dann häufig minderwertige und kurzlebige Artikel zu billigen (gerechten) Preisen angeboten und auch so beworben, wodurch billig eine negative Wertung bekam – und später durch preiswert ersetzt wurde.
- Moneten, aus dem Lateinischen, vom neutralen Wort moneta für Münzgeld. Im Deutschen heute umgangssprachlich als Bezeichnung für Geld im Sinne eines Zieles krimineller Handlungen.
- Plattenbau war ursprünglich eine Bezeichnung für eine Bautechnik. Heute steht das Wort näher bei den sozialen Problemen der Trabantenstädte in den ehemaligen Ländern des Ostblocks, insbesondere der DDR.
- Bezüge zur Körperlichkeit:
- Kot, ursprünglich schlicht ‚Lehm, Schmutz‘ (vergl. Kotflügel), heute ‚Fäkalie‘. Noch stärker auch: Mist und Dung der Haustiere als (wertvoller) Dünger
- Visage, aus dem Französischen übernommen, dort völlig neutral für ‚Gesicht‘ (ursprüngliche Verwendung erhalten bei Visagist). In der deutschen Umgangssprache wird der Ausdruck heutzutage abwertend gebraucht.
- Sonstiges:
- Gift, ursprünglich ‚Gabe, Geschenk‘ (feminin, vergl. Mitgift oder niederländisch bzw. englisch gift) wurde schon im althochdeutschen (etwa bei Notker) euphemistisch für ,tödliche Gabe' verwendet. Bis ins 18. Jahrhundert existieren beide Bedeutungen parallel, wobei sich das Genus für die Bedeutung ,schädlicher Stoff' im 15. und 16 Jahrhundert über Maskulinum zu Neutrum wandelt. Ausgangspunkt der Pejoration war hier die euphemistische Verwendung des Begriffes, er nimmt schließlich die Bedeutung dessen an, was er eigentlich verhüllen sollte. Eine gleichartige Entwicklung des Giftbegriffes zeigt auch die Etymologie von französisch poison (zugleich auch Ursprung von englisch poison), das aus dem lateinischen potio (Trunk, Getränk) abgeleitet ist.
Siehe auch
Literatur
- Ulrike Demske: Sprachwandel. In: Jörg Meibauer: Einführung in die germanistische Linguistik. Stuttgart 2002
- Helmut Glück (Hrsg.): Metzler-Lexikon Sprache. Stuttgart 2006
- Gerd Fritz: Historische Semantik. J. B. Metzler’sche Verlagsbuchhandlung, Stuttgart 2006, ISBN 3-476-12313-8.