Bruno Kreisky

österreichischer Politiker (SPÖ) und Jurist, Bundeskanzler der Republik Österreich (1970-1983)
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Bruno Kreisky (* 22. Jänner 1911 in Wien; † 29. Juli 1990 in Wien) war ein österreichischer Politiker (SPÖ) und Bundeskanzler der Republik Österreich von 1970 bis 1983.

Bruno Kreisky (1980)

Leben

Jugend und Ausbildung (1911–1937)

 
Gedenktafel an seinem Geburtshaus in Wien-Margareten

Bruno Kreisky wurde als zweitältester Sohn einer wohlhabenden assimilierten jüdischen Familie in Wien-Margareten geboren. Sein Vater Max Kreisky (1876–1944) war Generaldirektor der Österreichischen Wollindustrie AG und Textil AG, Zensor der Österreichischen Nationalbank, Mitglied des Zentralvereins der kaufmännischen Angestellten und in der Emigration (ab 1942) Leiter einer Textilfabrik in Schweden. Seine Mutter war Irene Kreisky, geborene Felix (1885–1969).

Während seiner Schulzeit kam er mit der Sozialdemokratie in Kontakt und schloss sich 1926 bewusst deren „proletarischer“ Jugendorganisation, der Sozialistischen Arbeiterjugend (SAJ) an, was von seiner Familie nicht akzeptiert wurde. In dieser Zeit hatte er unter anderem Kontakt mit der Familie von Gerhard Bronner. Fortan widmete sich Kreisky der SAJ und bekleidete mit der Zeit, nach Überwindung des ihm anfänglich entgegengebrachten Misstrauens der jungen Arbeiter gegenüber dem Großbürgersohn, führende Funktionen. So war er ab 1933 mit der Bildungs- und Kulturarbeit beauftragt.

1929 begann Bruno Kreisky ein Studium der Rechtswissenschaften, nachdem er eigentlich Medizin studieren wollte. Doch wurde er geködert mit der Aussage Die Partei braucht gute Juristen. 1934 rief er gegen den wachsenden Faschismus in Österreich auf. Bruno Kreisky promovierte schließlich 1938 zum Doktor der Rechtswissenschaft.

Als der damalige Bundeskanzler Engelbert Dollfuß (der unter Berufung auf das Kriegswirtschaftliche Ermächtigungsgesetz von 1917 ab März 1933 autoritär regierte) nach den Februarkämpfen 1934 die Sozialdemokratische Partei, die Gewerkschaften, die Arbeiter-Zeitung und alle sozialdemokratischen Arbeiterorganisationen, also auch die SAJ, verbieten ließ, gründete Kreisky gemeinsam mit Franz Olah und Roman Felleis die Revolutionäre Sozialistische Jugend. Nach der Gründungsversammlung 1935 wurde Bruno Kreisky verhaftet. 1936 wurde er nach 16 Monaten Untersuchungshaft wegen Hochverrats im Zuge des Sozialistenprozesses zu einem Jahr Zuchthaus verurteilt. Er kam zwar kurz darauf wieder frei, verlor jedoch seine Hochschulberechtigung und durfte daher in Österreich nicht mehr studieren. Mit Eifer stürzte er sich in seine weitere illegale Tätigkeit. Zwei Tage nach dem Anschluss 1938 konnte Kreisky sein Studium doch noch abschließen. Tags darauf wurde er erneut verhaftet und nach einigen Monaten U-Haft vor die Wahl gestellt, entweder in Haft zu bleiben oder das Land zu verlassen.

Exil (1938–1945)

Bruno Kreisky verließ das Land in Richtung Schweden und wurde dort als Sekretär einer Konsumgenossenschaft tätig. Nebenbei schrieb er für diverse in- und ausländische Zeitungen. 1940 lernte er bei einem Kongress Willy Brandt kennen und schätzen. Diese Freundschaft hielt ein Leben lang. 1942 heiratete er Vera Fürth (1916 - 1988). Das Paar hatte zwei Kinder, Sohn Peter (* 1944) und Tochter Susanne (* 1948). Während dieser Zeit arbeitete Bruno Kreisky an Konzepten für ein Österreich nach dem Zweiten Weltkrieg. Im Mai 1946 kehrte er nach Österreich zurück.

Nachkriegszeit (1946–1969)

Die ersten Nachkriegsjahre verbrachte er als Diplomat wieder in Schweden. 1951 kehrte er nach Wien zurück und wurde Verwaltungsbeamter in der Abteilung für auswärtige Angelegenheiten im Kanzleramt (heute Außenministerium). Bundespräsident Theodor Körner berief ihn als politischen Berater und ernannte ihn zum Kabinettsvizedirektor. 1953 wurde er Staatssekretär für auswärtige Angelegenheiten und begann seine Tätigkeit in der SPÖ. In dieser Funktion war er auch an den Verhandlungen zum Staatsvertrag beteiligt. 1956 wurde er als Abgeordneter in den Nationalrat gewählt. 1959 wurde er Außenminister unter Bundeskanzler Julius Raab. In dieser Funktion war er beteiligt an der Gründung der EFTA, arbeitete an der Erstellung des Südtirol-Pakets und schlug einen „Marshall-Plan“ für die Dritte Welt vor. Nachdem die ÖVP bei der Nationalratswahl in Österreich 1966 die absolute Mehrheit erreicht hatte, wurde Lujo Toncic-Sorinj Außenminister.

Wirken als Bundeskanzler (1970–1983)

 
Kreisky (rechts) beim unterzeichnen der Schlussakte von Helsinki
 
Bruno Kreisky bei einem USA-Besuch im Februar 1983
 
Büste von Bruno Kreisky

Auf dem Parteitag vom 30. Januar – 1. Februar 1967 wurde Bruno Kreisky als Nachfolger von Bruno Pittermann Bundesvorsitzender der SPÖ und erreichte mit dieser am 1. März 1970 bei den Parlamentswahlen 1970 überraschend die relative Mehrheit. Hintergründe waren u.a. die Positionierung der SPÖ als zeitgeistige, linksliberale Partei, die auch in wirtschaftlichen Fragen Kompetenz zeigte und Kreiskys besserem Umgang mit den Medien im Gegensatz zu seinem Vorgänger und Wahlkontrahenten Josef Klaus, dessen Regierung einen „gewissen klerikalen Touch“ hatte und der es nicht verstand eine konservativ-liberale Mehrheit zustande zu bringen.[1] Bruno Kreisky konnte eine Minderheitsregierung unter Duldung der FPÖ bilden und wurde erstmals Bundeskanzler. Bei der am 10. Oktober durchgeführten Nationalratswahl 1971 eroberte er mit seiner Partei die absolute Mehrheit und wiederholte dieses später zwei Mal. In diese Zeit fällt auch der Beginn der bis zu seinem Tode dauernden Feindschaft zu Simon Wiesenthal. Auslöser war die sogenannte Kreisky-Peter-Wiesenthal-Affäre.

Bruno Kreiskys Wirken als Kanzler leitete eine Reihe langfristiger Reformen im Sozial- und Rechtssystem sowie in der Demokratisierung der Hochschulen ein. Unter Justizminister Christian Broda wurde eine Reform des Familienrechts und des Strafvollzuges durchgeführt. Abtreibung wurde gesetzlich ermöglicht (Fristenlösung) und Homosexualität legalisiert. Sozialleistungen für Arbeitnehmer wurden ausgeweitet, unter anderem wurde die Wochenarbeitszeit auf 40 Stunden reduziert. Es wurden Gesetze zur Gleichberechtigung beschlossen.

Bruno Kreisky trat für den Bau von Kernkraftwerken in Österreich ein. Nach der Volksabstimmung über das Kernkraftwerk Zwentendorf wurde dieses Programm jedoch beendet.

Bruno Kreisky und Kardinal Franz König bemühten sich um eine Entspannung der Beziehungen zwischen der SPÖ und der römisch-katholischen Kirche in Österreich. Deren Verhältnis war durch die politischen Ereignisse der Ersten Republik stark belastet. Bruno Kreisky bezeichnete sich selbst mehrmals als Agnostiker.

Er begann einige Initiativen zur Beilegung des Nahostkonflikts. Er war ein Gegner des Zionismus und pflegte gute Beziehungen zu vielen arabischen Politikern wie Sadat und Gaddafi, sowie zur PLO. Gemeinsam mit Willy Brandt und Olof Palme förderte er den Nord-Süd-Dialog und setzte sich für eine aktive Friedens- und Entwicklungspolitik ein. Am 30. März 1978 besuchte er als erster westlicher Regierungschef die Deutsche Demokratische Republik (DDR).

Innen- und finanzpolitisch betrieb Kreisky ab der im Gefolge der Ölkrise von 1973 eingetretenen internationalen wirtschaftlichen Rezession zur Aufrechterhaltung möglichster Vollbeschäftigung den Kurs eines so genannten „deficit spendings“, was den österreichischen Staatshaushalt und die Bilanzen der verstaatlichten Unternehmungen belastete (Verdreifachung der Staatsschulden von 15 auf über 45% des BIP, zum Vergleich die Maastricht-Konvergenzkriterien legen heute eine Maximalverschuldung von 60% fest).[2] Das anfänglich höhere Wirtschaftswachstum wurde durch die hohen Budget-Defizite ab 1979 merklich gedämpft. Die von Kreisky und Hannes Androsch anvisierte Abwertung des Schillings scheiterte am Veto der österreichischen Nationalbank, die an ihrer Hartwährungspolitik festhielt.

1982 wurde von der ÖVP das Volksbegehren gegen das Konferenzzentrum in der Wiener UNO-City initiiert, welches er trotz 1.361.562 Unterschriften gegen das Projekt bauen ließ. Kreisky verlor dadurch an Popularität. Zudem begann er sichtlich unter den Folgen einer Niereninsuffizienz zu leiden, die permanente Dialyse erforderte.

Als die SPÖ bei der Nationalratswahl 1983 nicht mehr die absolute Mehrheit bekam, lehnte Kreisky eine weitere Kanzlerperiode ab. Er legte den Parteivorsitz nieder und zog sich, nachdem er zuvor eine „Kleine Koalition“ mit der FPÖ ausverhandelt hatte, ins Privatleben zurück. Die SPÖ machte ihn zu ihrem Ehrenvorsitzenden, während Fred Sinowatz auf Kreiskys Vorschlag die Führung von Regierung und Partei übernahm. Der ursprünglich als „Kronprinz“ angesehene, charismatische vormalige Finanzminister und Vizekanzler Hannes Androsch stand aufgrund seiner Affären nicht mehr zur Disposition.

Die Jahre 1984–1990

1984 wurde Bruno Kreisky eine Niere transplantiert. 1987 überwarf er sich mit seiner Partei, angeblich, weil ihn störte, dass diese im Rahmen der mittlerweile zustande gekommenen Großen Koalition das Außenministerium an die ÖVP abgegeben hatte. Doch diese Unstimmigkeit herrschte schon seit längerer Zeit, nicht zuletzt deshalb, weil Sinowatz den von Kreisky geschätzten Finanzminister Salcher durch Franz Vranitzky ersetzt hatte. Bruno Kreisky gab im Zuge der Streitigkeiten den Ehrenvorsitz ab und schrieb an seiner Autobiographie. 1989 beendete er seine Tätigkeit für die Sozialistische Internationale, deren stellvertretender Vorsitzender er seit 1976 war. Bruno Kreisky erhielt zahlreiche Ehrungen und Doktorwürden. Er war einer der bekanntesten und bedeutendsten Politiker der sozialistischen Bewegung und gilt als großer österreichischer Staatsmann.

Am 29. Juli 1990 starb Bruno Kreisky. Er wurde unter großer Anteilnahme aus dem In- und Ausland bei einem Staatsakt auf dem Wiener Zentralfriedhof (Ehrengruppe 32 C, Nummer 21 B) beigesetzt.

Anekdoten

 
Tafel am Eingang zum Bruno-Kreisky-Park in Wien

Sein Sohn Peter Kreisky und seine Schwiegertochter Eva Kreisky gaben an, Bruno Kreisky hätte beide auf Grund der Kontroverse um das Atomkraftwerk Zwentendorf (Zwentendorf an der Donau) aus der SPÖ ausschließen lassen wollen. Nach Interventionen anderer Politiker gab Bruno Kreisky sein Vorhaben aber auf.

Nach seiner Wahl stand Bruno Kreisky vor dem Dilemma, sein Versprechen der Verkürzung der Wehrpflicht von 9 auf 8 Monate gegen konservativen Widerstand durchzusetzen. Er ordnete Mobilmachung an. Durch einen „Übermittlungsfehler“ erreichte dieser Befehl die Truppe erst mehr als 24 Stunden später. Somit war für die Öffentlichkeit klar, dass eine Verkürzung der Wehrdienstzeit nichts an der militärischen Stärke Österreichs ändern würde, und die Verkürzung wurde durchgeführt.

Bruno Kreisky verfolgte den Leitspruch: „Ich bin 24 Stunden am Tag für meine Bürger erreichbar.“ In diesem Sinne stand seine Telefonnummer im öffentlichen Telefonbuch und wurde von vielen „einfachen Menschen“ auch genutzt.

Legendär ist auch das Zitat Bruno Kreiskys, mit dem er den ORF-Redakteur Ulrich Brunner am 24. Februar 1981 vor laufender Kamera maßregelte: „Lernen S' a bisserl Geschichte, Herr Reporter!“ Dass er in der Sache gegenüber dem Journalisten, übrigens einem loyalen Sozialdemokraten, nicht wirklich recht hatte, ist aber beinahe vergessen.

Literatur

  • Andreas P. Pittler: Bruno Kreisky, Rowohlt, 1996 Reinbek bei Hamburg
  • Martin van Amerongen: KREISKY und seine unbewältigte Gegenwart, Styria Verlag, Graz 1977
  • Harald Pesendorfer: Transformation der SPÖ – Bruno Kreisky wird Parteiobmann, Wien 1996
  • Bruno Kreisky: Zwischen den Zeiten (Autobiographie)

Auszeichnungen (Auswahl)

Bruno-Kreisky-Preise

Commons: Bruno Kreisky – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Vorlage:PND Bruno Kreisky auf der Website des österreichischen Parlaments

Einzelnachweise

  1. http://science.orf.at/science/gastgeber/138419
  2. Statistik Austria Einnahmen und Ausgaben des Staates, Jahresdaten 1976-2007

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