Milet (griechisch: Miletos oder Milatos, lateinisch: Miletus), auch Palatia (Mittelalter) und Balat (Neuzeit) genannt, war eine antike Stadt an der Westküste Kleinasiens, in der heutigen Türkei.
Geographische Situation
Milet liegt etwa 80 km südlich der heutigen Stadt İzmir in der Provinz Aydın.
Die antike Stadt Milet lag auf einer in die Einfahrt des Golf von Milet hineinragenden Landzunge. Der Fluss Mäander (türk. Büyük Menderes), der in diesen Golf mündet und große Mengen Sedimente mit sich führt, sorgte für eine zunehmende Verlandung des Golfes, an dem neben Milet auch noch andere griechische Poleis, wie Magnesia, Herakleia und Priene lagen.
Einige Kilometer von Milet entfernt befand sich das von der Stadt verwaltete und international bedeutende Apollon-Heiligtum von Didyma.
Kulturelle Bedeutung
Milet hatte in der Antike eine große Bedeutung für Kultur und Wissenschaft. Die Stadt gilt als Geburtsstätte des rationalen Denkens und der Philosophie im antiken Griechenland. Durch die ionischen Naturphilosophen Thales, Anaximander und Anaximenes wird Milet im 6. Jahrhundert vor Chr. unter dem Begriff „die Schule von Milet“ als Geburtsstätte der Wissenschaft bekannt. Thales löste sich als erster griechischer Denker von der mythologisch geprägten Weltsicht der Dinge und begann, nach der Arché, also dem Ursprung allen Seins, zu suchen. Anaximander und Anaximenes waren Schüler des Thales und ähnlich bedeutend, zum Beispiel war Anaximander der erste Kartograph.
Archäologie
Geschichte der Ausgrabungen
Erste archäologische Untersuchungen führte O. Rayet 1873 durch. Ab 1899 begannen dann großangelegte Ausgrabungen im Stadtgebiet des antiken Milet unter der Leitung Theodor Wiegands. Diese Arbeiten wurden ohne Unterbrechung bis 1913 fortgeführt. Die beiden Weltkriege sowie die Kleinasiatische Krise unterbrachen die regelmäßige Forschungstätigkeit in Milet. 1938 konnte jedoch C. Weickert ein kurze Grabungskampagne durchführen. Regelmäßige Forschungen vor Ort wurden erst wieder 1955 begonnen. Die Leitung der Nachkriegsgrabungen unterlagen zunächst wieder C. Weickert, dann G. Kleiner und W. Müller-Wiener. Seit 1989 leitet V. v. Graeve die Ausgrabung.
Forschungsschwerpunkte
Archaische Zeit
Die Ausgrabung in Milet war 1899 begonnen worden mit dem Ziel, das Wissen über diese Stadt in archaischer Zeit zu vermehren, da Milet gerade in dieser Zeit eine herausragende Bedeutung zukam, etwa als Geburtsstätte der ionischen Naturphilosophie oder aufgrund des Schicksals der Stadt am Vorabend der Perserfeldzüge.
Tatsächlich erbrachten die Vorkriegsgrabungen hauptsächlich Ergebnisse zu den späteren Epochen. Archaische Funde und Befunde wurden nur am Kalabak-Tepe und am Athenatempel, sowie an vereinzelten Stellen im Stadtgebiet ergraben. A. v. Gerkan bezweifelte aufgrund dieses eher spärlichen Befundes, dass das archaische Milet an derselben Stelle wie die spätere Stadt gelegen hat.
Die Forschungen nach dem Krieg zielten daher vielfach darauf ab, die Thesen A. v. Gerkans zu entkräften. Verstärkt grub man daher am Athenatempel.
Die neueren Forschungen widmeten sich wiederum dem Stadtquartier auf dem Kalabak-Tepe, wo ein Teil der Stadtmauer bekannt war. Am südlichen Abhang des Hügels wurde ein Wohnviertel mit mehreren Töpferöfen freigelegt. Weiterhin konnte die Situation auf der Ostterrasse des Hügels geklärt werden, wo ein Heiligtum der Artemis Chitone lag. Auch Probleme der frühklassischen Wiederbesiedelung nach 494 v. Chr. wurden bei diesen Grabungen erhellt. Auch wurde ein bislang nur aus den Quellen bekanntes Heiligtum der Aphrodite von Oikous entdeckt.
Nach heutigem Forschungsstand kann es als gesichert gelten, dass das archaische Milet an der selben Stelle lag, wie die spätere Stadt.
Hellenistisch-römische Zeit
Th. Wiegand konnte durch großräumige Flächengrabungen wichtige Erkenntnisse zur hellenistisch-römischen Zeit gewinnen:
Die Stadt besaß demnach ein orthogonales Straßensystem, dessen Erfinder Hippodamos von Milet gewesen sein soll. Der Verlauf der hellenistischen und späterer Stadtmauern wurde wiedergewonnen.
Wichtige Gebäude dieser Zeitstufe:
- Theater
- Bouleuterion, der Versammlungsort der Boule (des Rates).
- Nordmarkt, eine Marktanlage.
- Südmarkt, dessen repräsentatives Eingangstor von Th. Wiegand nach Berlin überführt wurde, wo es heute im Pergamon-Museum aufbewahrt wird.
- Nymphäum, eine mehrgeschossige Brunnenanlage mit Skulpturenschmuck.
- Faustina-Thermen, ein römisches Bad.
- Westmarkt, Markt am Athenatempel.
- Stadion
- Delphinion, Heiligtum des Apollon Delphinios, des Hauptgottes der Milesier. Das Heiligtum ist durch eine sog. Heilige Straße mit dem Orakelheiligtum von Didyma, dem heutigen Didim verbunden.
Persönlichkeiten
Aus Milet stammten u. a. folgende Personen:
- die Philosophen Thales, Anaximander und Anaximenes
- der Schriftsteller Hekataios
- der Architekt Hippodamos