Menes, der als altägyptischer König (Pharao) um 3000 v. Chr. regiert haben soll, wird nach der späteren Überlieferung von der vermeintlichen Reichseinigung meist als Gründer der 1. Dynastie in der frühdynastischen Zeit genannt. Die Bewertung als „erster Reichseiniger“ ist unhistorisch, da sich bereits seine Vorgänger im Rahmen des Vereinigungsfestes als Herrscher von Ober- und Unterägypten verstanden.
Namen von Menes | |||||||||||||
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Eigenname |
Mn.j Der Bleibende | ||||||||||||
Königspapyrus Turin (Nr.II./10) |
Mn.j Der Bleibende (mit Ideogramm für „Gott“) | ||||||||||||
Königspapyrus Turin (Nr.II./11) |
Vorlage:Unicode (mit Ideogramm für „König“) | ||||||||||||
Königsliste von Abydos (Sethos I.) (Nr.1) |
Mn.j Der Bleibende | ||||||||||||
Griechisch bei Manetho lateinisch bei Eusebius |
Menes Meines | ||||||||||||
Unter einigen Nachfolgern von Menes ist zudem eine wiederholte Reichseinigung belegt. Da erste stabile Verbindungen erst Ende der 2. Dynastie bezeugt sind, sieht die Ägyptologie in Menes nicht den endgültigen Reichseiniger. Beispielsweise verweisen die Ägyptologen Wolfgang Helck und Jochem Kahl im Zusammenhang der unter Menes erstmals eingeführten jährlichen Königsannalen auf die ihm mythologisch zugedachte Rolle als „ersten Reichseiniger“.
Problematik
In spätägyptischen Quellen wird König Menes mehr als mythische Figur dargestellt, denn als leibhaftiger, realer Herrscher. Und da der Name „Meni“ als solcher erst rund zwölfhundert Jahre nach seiner vermuteten Regierungszeit erscheint, haben Ägyptologen große Probleme damit, einen historischen Menes zu erforschen und zu erfassen. Die spätantiken Historien der griechischen Gelehrten Manetho und Herodot sind keine wirkliche Hilfe, weil sie ebenfalls erst um 600 v. Chr. verfasst wurden und auch nicht zwangsläufig der Wahrheit entsprechen müssen, zumal die Autoren auch gar keine Quellen für ihre Aussagen nennen, sondern – nach eigenen Worten – mehr nach Hörensagen vorgegangen sind, vor allem, was die behaupteten Lebensumstände von Menes angeht.
In der Königsliste des Sethos I. in Abydos und im Turiner Königspapyrus erscheinen ganz am Anfang der königlichen Namensauflistungen die Kartuschennamen „Meni“, „Teti“, „Iteti“ (Djer) und „Itiu“ (Wadji). Dabei handelt es sich um die – wohl stark verzerrten – Geburtsnamen der ersten vier frühdynastischen Herrscher Ägyptens. Besonders die Zuordnung dieser ersten vier Namen zu den frühen, zeitgenössisch bezeugten Königen ist für die Ägyptologie sehr problematisch, da die Königsnamen zu Lebzeiten dieser Herrscher in deren Epoche eigentlich nur als Horusnamen überliefert wurden. Die Königslisten beginnen übereinstimmend mit Menes.
Ebenfalls problematisch ist für die Ägyptologie, dass Menes von den Ägyptern des Neuen Reichs und der Spätantike einerseits als „der Reichseiniger“ schlechthin gefeiert wurde, Funde aus der Zeit um 3400 v. Chr. jedoch Hinweise darauf liefern, dass schon lange vor Menes beide Kronen Ägyptens in Gebrauch waren. (Siehe auch weiter unten den Abschnitt Alternative Theorie.)
Für die Ägyptologie ist daher die Frage wichtig, ob Menes sich mit irgendeinem der frühdynastischen Könige identifizieren lässt, oder ob es sich nicht eher um eine fiktive Sagengestalt handelt.
Belege
Der erste Beleg für den Namen „Menes“ geht auf die Zeit von Königin Hatschepsut in der 18. Dynastie zurück. Ein Skarabäensiegel[A 3] zeigt auf seiner geprägten Unterseite oben den Namen „Meni“ (Mnj) im Ring, darunter die Namen von Hatschepsut und Thutmosis III..
Sein Name erscheint in der Königsliste von Abydos aus der Zeit von Sethos I., wo er als erster Kartuschenname die Königsliste offiziell einleitet. Im Turiner Königspapyrus taucht „Meni“ gleich zweimal hintereinander auf: Einmal als vergöttlichter Ahnherr, danach als Name für einen verstorbenen Herrscher. In der Königsliste von Sakkara im Grab des Priesters Tjuloy erscheint Menes seltsamerweise nicht.
Traditionelle Überlieferungen
Herodot und Manetho zufolge wurde unter Menes die Stadt Memphis (ägyptisch Men-nefer, „Stätte des Guten“; ursprünglicher Name Inebu-hedj, „Weiße Mauer“) gegründet, nachdem der Nil gespalten und eine künstliche Insel geschaffen worden war. Manetho fügt dem noch hinzu, Menes sei durch ein rossgestaltiges Flussungeheuer (Nilpferd) umgekommen. Diese Darlegung beruht jedoch auf einer fehlerhaften Lesung, für Menes ist lediglich ein Schießen eines Flusspferdes belegt.
Menes regierte nach Manetho 62 Jahre (so Africanus), 60 Jahre (Eusebius), oder 30 Jahre (armenische Version von Eusebius).
Gleichsetzungen mit zeitgenössischen Herrschern
Ägyptologen und Historikern fällt es außerordentlich schwer, Menes mit einem der frühdynastischen Herrscher zu identifizieren. Der Grund hierfür ist die Tatsache, dass die ägyptischen Herrscher von der Prädynastik bis zur Mitte der 1. Dynastie auf Tonsiegeln, Elfenbeinplaketten, Steingefäßen und Reliefs stets nur mit ihrem Horusnamen genannt werden. In den Königslisten erscheinen sie jedoch mit ihrem Geburtsnamen, der seit der 4. Dynastie in einer Kartusche geschrieben wird. Dieser Umstand lässt bei vielen Gelehrten die Frage aufkommen, woher denn z. B. ramessidische Schreiber bei der Verfassung ihrer Königslisten die Kartuschennamen für die ersten vier Herrscher bezogen, wo doch der Geburtsname zur Zeit dieser Könige noch gar nicht inschriftlich festgehalten wurde.
Momentan haben sich in der Forschung zwei frühdynastische Herrscher als die wahrscheinlichsten Kandidaten für die Gleichsetzung mit Menes herauskristallisiert: König Narmer und Hor Aha. Beide regierten zu Beginn der 1. Dynastie. Im Folgenden werden die Darlegungen und Gegendarlegungen zu den Gleichsetzungen aufgeführt.
Gleichsetzung mit Hor Narmer
- Narmer ist auf Prunkpaletten mit der Weißen Krone des Südens (Ta-seti) und der Roten Krone des Nordens abgebildet. Zu seiner Zeit scheint Ägypten also bereits geeint gewesen zu sein.
Gegen dieses Argument spricht die Tatsache, dass Narmer lediglich eine Militäroffensive gegen Unterägypten erfolgreich abgeschlossen hatte, natürlich ließ er sich als Sieger mit den Königsinsignien seines geschlagenen Gegners darstellen. Das bedeutet aber nicht, dass er bereits gemeinhin akzeptierter Alleinherrscher Ägyptens gewesen sein muss.
- Auf einem Elfenbeintäfelchen aus dem Grab des Aha bei Abydos ist eine der ältesten schriftlichen Darstellungen der Hieroglyphe Mn (Gardiner-Zeichen Y25) direkt gegenüber dem königlichen Serech des Aha eingraviert. Es befindet sich innerhalb eines zeltförmigen, dreifach ausgeführten Zierrahmens, zusammen mit einer alten Form des Nebti-Namens. Das zeltähnliche Gebilde ist ein Pavillon, der für Gedenkfeiern bei dem Tod eines Herrschers errichtet wurde. Wenn das Mn-Symbol tatsächlich den Namen „Meni“ darstellen sollte, kann er nur Narmer meinen, denn Aha lebte laut Etikettenaufschrift noch, als der Pavillon aufgesucht wurde.
Dagegen spricht, dass der Name von König Aha eigentlich ebenfalls als Nebtiname hätte erscheinen müssen, denn Aha war in Wirklichkeit tot, als das Elfenbeintäfelchen ins Grab gelangte. Außerdem ist nicht gesichert, dass das Wort Men für einen Personennamen steht, es könnte auch der Name des Gebäudes sein.
- Auf einem Zepterknauf aus Hierakonpolis ist Narmer bei der Begehung einer Zeremonie dargestellt, die von Ägyptologen wie P. E. Newberry als Hochzeitszeremonie gedeutet wird. Narmer vermählt sich ihm zufolge mit der unterägyptischen Erbprinzessin Neithhotep. Diese Hochzeit hätte Narmer dann als Herrscher von Ober- und Unterägypten bestätigt.
Gegen diesen Punkt spricht, dass die einzige definitiv weibliche Person auf dem Prunkknauf nicht namentlich benannt ist, es muss sich also nicht zwangsläufig um Prinzessin Neithhotep handeln, zumal Narmer mit mehreren Frauen liiert war. Die Ägyptologen Toby A. H. Wilkinson und Nicolas Grimal identifizieren die Frauengestalt (eingewickelt in Gewänder und in einer überdachten Sänfte hockend) auch nicht als Prinzessin, sondern als die Göttin Repit.
- Auf dem Kairostein wird Djer, dritter König Ägyptens, als „Iteti“ bezeichnet. Im Rückschluss müsste Teti I. als zweiter Name in den Königslisten König Aha meinen, sodass der Name „Meni“ nur für Narmer übrig bliebe.
Dagegen spricht, dass Einträge zum Ende von Ahas Herrschaft und Djers Regierungsbeginn Hinweise auf eine kurzfristige Regierung eines weiteren Königs liefern. Dieser Umstand schließt eine Gleichsetzung von „Teti“ mit Hor Aha aus und beweist möglicherweise einen weiteren eigenständigen König.
Gleichsetzung mit Hor Aha
- Für diese These spricht der Kairostein, dessen Inschrift Hinweise darauf liefert, dass zwischen Aha und König Djer noch ein anderer Herrscher für sehr kurze Zeit regiert haben muss. Da König Djer auf dem Kairostein als „Iteti“ bezeichnet wird, bliebe in diesem Falle der Name „Meni“ nur für Aha übrig, da „Teti“ ein eigenständiger Herrscher zu sein scheint.
Gegen diesen Punkt spricht, dass der Kairostein hinsichtlich der Nennung von Kartuschennamen mit größter Vorsicht zu betrachten ist, denn die bloße Erwähnung von Kartuschennamen ist ein schwerwiegender Anachronismus, da zu Lebzeiten Ahas diese Titulatur unbekannt war.
- Elfenbeintäfelchen aus Ahas Grab nennen als erste das Hieroglyphensymbol Rnpt (Renpet, „Jahr“), dargestellt durch eine kahle Palmrispe. Damit sind auf Ahas Etiketten die ersten Kalendereinträge der ägyptischen Geschichte überliefert. Das könnte ausreichend Anlass geboten haben, dass die Ägypter späterer Epochen in Aha einen „Begründer der Annalen“ und damit den Initiator für die ägyptische Geschichtsschreibung sahen.
Dagegen spricht, dass Tonsiegel aus dem Grab von Königin Meritneith, der Gemahlin von König Wadji, die Namen „Narmer“, „Aha“, „Djer“ und „Wadji“ auflisten. Die Herrscherriege beginnt also gar nicht mit Aha, dieser wurde also zu Meritneiths Zeiten nicht als erster Regent Ägyptens betrachtet. Man darf auch nicht vergessen, dass das oben erwähnte Renpet-Zeichen als Symbol für „Jahr“ erst in späterer Zeit kalendarische Bedeutung erlangte, als es um das Erfassen verwaltungstechnischer Daten zwecks Steuererhebung und Ahnenehrung ging.
- In Sakkara befindet sich die Mastaba S. 3357, in der Gefäßfragmente und Elfenbeinetiketten mit dem Namen des Aha gefunden wurden. Diese Mastaba ist eine der ältesten ihrer Art und Sakkara war die königliche Nekropole von Memphis. Da hier kein Herrscher aus der Zeit vor Aha erscheint und Menes als Gründer von Memphis bezeichnet wird, scheint es nahezuliegen, dass nur Aha für die Gründung von Memphis verantwortlich sein kann und deshalb mit Menes identisch sein müsste.
Gegen diesen Punkt spricht, dass der Gründer einer Hauptstadt nicht zwangsläufig auch in der örtlichen Nekropole bestattet worden sein muss. König Chasechemui beispielsweise (2. Dynastie) regierte in Hierakonpolis und Memphis, wurde aber in Abydos bestattet.
Alternative Theorie
Laut den Ägyptologen William Flinders Petrie, T. Smith und H. R. Hall zufolge besteht die Möglichkeit, dass der Name „Menes“ ein Pseudonym ist, das mehrere Herrscher in sich vereint. Petrie und Smith vermuten, dass sich die Könige Narmer und Aha gemeinsam hinter „Menes“ verbergen. Hall vermutet sogar drei Herrscher hinter dem Mythenkönig, nämlich Skorpion II., Narmer und Aha.
Grund für die alternativen Thesen ist der Umstand, dass sich „die“ Reichseinigung so nicht nachweisen lässt, sondern mit einiger Gewissheit ein langwieriger Prozess war, der sich über mehrere Generationen zog. Hinweise hierfür liefern die Untersuchungen des Ägyptologen Werner Kaiser in den Jahren 1961–1964 in den prädynastischen Friedhofsanlagen von Tura und Qustul. Funde und darauf befindliche Dekorationen lassen den Schluss zu, dass schon vor König Aha mindestens zehn Herrscher über ein geeintes Ägypten regiert haben müssen.
Untermauert werden die Untersuchungsergebnisse durch das Erscheinen erster ikonographischer Darstellungen überwiegend sitzender Königsfiguren mit Weißer oder Roter Krone auf Elfenbein-Räuchernäpfen und Messergriffen aus Knochen und Elfenbein aus der Zeit um 3400 v. Chr. Tongefäße aus der Naqada-III-Epoche, erkennbar an ihren roten Bäuchen und schwarzen Rändern, zeigen bereits eingeritzte Königsinsignien wie das Heqa-Zepter oder das Was-Zepter. Eine Tonscherbe aus derselben Epoche trägt das erhabene Reliefbild einer Roten Krone und ist das älteste Zeugnis seiner Art. Diese und ähnliche Funde belegen, dass schon lange vor König Aha die beiden Reichskronen in Gebrauch waren, was voraussetzt, dass es bereits fest etablierte Königreiche gegeben haben muss.
Literatur
Zur Problematik
- Peter Kaplony: Inschriften der ägyptischen Frühzeit. Band III. Harassowitz Verlag, Wiesbaden 1963, S. 10–11 (27 A–E), ISBN 3-447-00052-X
- Jürgen von Beckerath: Handbuch der ägyptischen Königsnamen. Dt. Kunstverlag, München/Berlin 1984, S. 46, 171, ISBN 3-422-00832-2
- Wolfgang Helck: Wirtschaftsgeschichte des alten Ägypten im 3. und 2. Jahrtausend vor Chr. Brill, Leiden 1975, S. 21–32, ISBN 90-04-04269-5
- Dietrich Wildung: Die Rolle ägyptischer Könige im Bewußtsein ihrer Nachwelt. Teil 1. Münchener Ägytologische Studien 17, Dt. Kunstverlag, München/Berlin 1969, S. 4–21
- Siegfried Morenz: Traditionen um Menes. Beiträge zur überlieferungsgeschichtlichen Methode in der Ägyptologie. Zeitschrift für Ägyptische Sprache und Altertumskunde 99, 1973, X–XVI
- James P. Allen: Menes the Memphite. Göttinger Miszellen 126, 1992, S. 19–22
Zu den Belegen
- Erich Hornung, Elisabeth Staehelin: Skarabäen und andere Siegelamulette aus Basler Sammlungen. Von Zabern, Mainz, 1976, S. 44f, ISBN 3-8053-0296-7
Zu den Gegenüberstellungen
- Walter B. Emery: Ägypten, Geschichte und Kultur der Frühzeit 3200-2800 v. Chr. Fourier, Wiesbaden 1964, S. 28–31 und 45ff, ISBN 3-921695-39-2
- Toby A.H. Wilkinson: Early Dynastic Egypt. Routledge, Taylor & Francis, London 1999, ISBN 0-415-18633-1
- Wolfgang Helck: Untersuchungen zur Thinitenzeit. Ägyptologische Abhandlungen Band 45, Harrassowitz Verlag, Wiesbaden 1987, S. 124, ISBN 3-447-02677-4
Zur alternativen Theorie
- Toby A.H. Wilkinson: Early Dynastic Egypt. Routledge, Taylor & Francis, London 1999, S. 31f, ISBN 0-415-18633-1
- H.R. Hall: The Ancient History of the Near East. London 1920
Anmerkungen
- ↑ Der Eigenname, wie er ab der 4. Dynastie mit „Sa Ra“ eingeleitet wird, existiert zu dieser Zeit noch nicht, weswegen die Weiterleitung auf Eigenname (Pharao) im Grunde problematisch ist. Die Formulierung „Eigenname“ basiert auf Jürgen von Beckerath: Handbuch der ägyptischen Königsnamen.
- ↑ Darstellung im Ramesseum, Westwand.
- ↑ Veröffentlicht in: Erik Hornung, Elisabeth Staehelin: Skarabäen und andere Siegelamulette aus Basler Sammlungen.
Vorgänger | Amt | Nachfolger |
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unsicher | Pharao von Ägypten ev. 1. Dynastie | unsicher |
Personendaten | |
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NAME | Menes |
ALTERNATIVNAMEN | Hor Aha, Narmer |
KURZBESCHREIBUNG | Gründer des ägyptischen Reiches und der ersten Dynastie |
GEBURTSDATUM | 30. Jahrhundert v. Chr. |