Deutsch-türkisches Autorentreffen 1980
Das Deutsch-türkische Autorentreffen 1980 gilt als frühe beachtete interkulturelle Veranstaltung, die der türkischen Minderheit in Deutschland gegenüber der deutschen Mehrheitsgesellschaft eine Stimme verschaffen wollte. Das Treffen wurde durch das Literarische Colloquium Berlin in West-Berlin durchgeführt. Es geriet zu einer Enttäuschung für alle Beteiligten.
Vorbereitung
Angeregt wurde das Treffen 1979 durch den Schriftsteller Michael Krüger während einer Veranstaltung des Goethe-Instituts in Istanbul. Der damalige Institutsleiter Eckart Plinke nahm die Idee auf konnte das Projekt trotz der das Vorhaben erschwerenden politischen Lage in der Türkei beim türkischen Staat durchsetzen. Daneben behinderte auch ein schwerer Unfall Walter Höllerers, zu dem Zeitpunkt Leiter des Literarische Colloquium, in der Schweiz die Vorbereitung des Projekts in Deutschland stark.
Einladungen
Einladungen für die Dezember 1980 in Berlin angesetzte viertägige Verstaltung ergingen pauschal „an alle“ deutschen und türkischen Schriftsteller.
Verlauf
Trotz der weitreichenden Einladung erschienen auf deutscher Seite zu dem Treffen am ersten Tag nur der Schriftsteller Richard Anders, an weiteren Tagen noch Peter Hamm und Joachim Uhlmann. Die Vorstellung der deutschen Autoren durch den Goethe-Institutsleiter geriet zur Peinlichkeit: Aus der Türkei waren mehr als ein Dutzend namhafter Autoren nach Berlin gereist.
Zudem statteten zuständige Hauptstadtvertreter aus der Politik ebenso wie die zahlreichen Berliner Autoren der Veranstaltung nicht einmal einen kurzen Besuch ab. Darüberhinaus konnte ein angeforderter Simultandolmetscher von der Stadt Berlin „nicht bezahlt“ werden, so dass die anwesende deutsch-türkische Autorin Tezer Kiral vier Tage lang die pausenlos notwendigen Übersetzungen „bis zur psychischen und physischen Erschöpfung“ (Die Zeit) übernehmen musste.
Karin Kersten schreibt 1980, die erschienenen türkischen Autoren „wären Unzumutbarkeiten ausgesetzt (gewesen) — wie alle Türken in diesem Land“:
- Daß diese wichtige Veranstaltung unter allseitigen tapferen Danksagungen überhaupt zu Ende gebracht werden konnte und nicht bereits am ersten Tag in einem Skandal platzte, ist ein kleines Wunder, das wohl der verzweifelten Gutwilligkeit aller Beteiligten, vor allem aber der geradezu beschämenden Großzügigkeit der türkischen Gäste zu verdanken war, die ihre bitteren Gefühle bis zum Schluß zurückhielten und sich in bewundernswürdiger Manier dem konstruktiven Aspekt ihres Berlin-Aufenthalts widmeten.[1]
So sparte Aziz Nesin sich Enthüllungen einer Anzahl weiterer sehr unangehmer Details im Zusammenhang mit dem Besuch bis zum Schlußwort der Gäste am vierten Tag der Veranstaltung auf: „bis auf die Unterhose“ habe er sich bereits in der Türkei von Deutschen untersuchen lassen müssen, um überhaupt einreisen zu dürfen. Zudem hätten sämtliche extra angereisten Schriftsteller bis zuletzt um ihre Aufenthaltsgenehmigung bangen müssen. „Übersetzt uns nicht, ich möchte das nicht!" fasste der Satiriker seinen Erkenntnisgewinn am Ende des Treffens pointiert zusammen.
Reaktionen
Trotz einiger „Verbitterung auf türkischer Seite“[2] sah der zu diesem Zeitpunkt schon länger in Deutschland lebende türkische Autor Fakir Baykurt in dem Treffen „einen ersten Schritt zur Annäherung der beiden Kulturen“.[3]
Die deutsche Presse, sofern sie über das Deutsch-türkische Autorentreffen berichtete, kritisierte den Ablauf des Treffens heftig[4] , so Karin Kersten in DIE ZEIT[5] und Petra Kappert in der FAZ[6]
Dorothea Fohrbeck vom Zentrum für Kulturforschung in Bonn sah den Verlauf des Treffens 1983 symptomatisch für das Desinteresse in der deutschen Gesellschaft an türkischer Literatur, aber auch an den in Deutschland lebenden türkischen Intellektuellen.[7]
Siehe auch
Einzelbelege
- ↑ Karin Kersten: Ein Skandal, DIE ZEIT Nr. 52 vom 19.12.1980, URL: http://www.zeit.de/1980/52/Ein-Skandal
- ↑ Dorothea Fohrbeck: Türkische Kulturarbeit in der Bundesrepublik Deutschland; Kulturpolitische Gesellschaft e.V., 1983, S. 16
- ↑ Dorothea Fohrbeck: Türkische Kulturarbeit in der Bundesrepublik Deutschland; Kulturpolitische Gesellschaft e.V., 1983, S. 16
- ↑ Dorothea Fohrbeck: Türkische Kulturarbeit in der Bundesrepublik Deutschland; Kulturpolitische Gesellschaft e.V., 1983, S. 16
- ↑ Karin Kersten: Ein Skandal, DIE ZEIT Nr. 52 vom 19.12.1980, URL: http://www.zeit.de/1980/52/Ein-Skandal
- ↑ Petra Kappert i.d. Frankfurter Allgemeine Zeitung, Ausgabe 30. Dezember 1980
- ↑ Dorothea Fohrbeck: Türkische Kulturarbeit in der Bundesrepublik Deutschland; Kulturpolitische Gesellschaft e.V., 1983, S. 16