Das Auszeichnungswesen in Deutschland
Deutsches Kaiserreich
Zwischen 1871 und 1918 gab es in Deutschland keinerlei Reichsorden, Verleihung von Titeln sowie Stiftung und Verleihung von Orden waren Reservatrechte der Landesherren. Die zahlreichen Orden des Kaiserreiches waren die Orden der einzelnen Bundesstaaten Preußen, Bayern, Sachsen, Würtemberg, usw.. Das damalige Ordenswesen war außerordentlich mannigfaltig, da jeder der 22 Bundesfürsten seine eigenen Orden verlieh, häufig sogar mehrere verschiedene.[1]
Weimarer Republik
Mit dem Ende der Monarchie fand auch das deutsche Ordenswesen sein vorläufiges Ende. Gemäß Artikel 109 der Weimarer Verfassung durften Orden und Ehrenzeichen vom Staat nicht verliehen werden und kein Deutscher durfte Titel oder Orden anderer Staaten annehmen. Jedoch wurde dieses Ordensverbot nicht konsequent durchgesetzt, bzw. es wurden Wege zu seiner Umgehung gefunden.[2]
Drittes Reich
Ganz im Gegensatz zur Weimarer Republik machte das nationalsozialistische Regime umso umfangreicher Gebrauch vom Mittel der Verleihung äußerer Ehren. Die Rechtsgrundlage dafür bildeten nach dem Erlass des Ermächtigungsgesetzes das „Gesetz über Titel, Orden und Ehrenzeichen“ vom 7. April 1933, sowie das Ergänzungsgesetz dazu vom 15. Mai 1934 und schließlich das „Gesetz über Titel, Orden und Ehrenzeichen“ vom 1. Juli 1937.[3]
Nach 1945
Nach Ende des zweiten Weltkriegs verbot Art. IV des Kontrollratsgesetz Nr. 8 das Tragen, Verleihen und Annehmen sämtlicher militärischer und ziviler Orden, Ehrenzeichen und Auszeichnungen jeder Art. Gelockert wurde das Verbot mit dem Gesetz Nr. 7 der Alliierten Hohen Kommission vom 21. September 1949. Die Beschränkungen für die Stiftung und Verleihung neuer Auszeichnungen entfielen. Verboten blieb jedoch das Tragen sämtlicher Orden, Ehrenzeichen, Abzeichen und Rangabzeichen der ehemaligen deutschen Wehrmacht, der NSDAP sowie aller angegliederten oder unterstellten Organisationen. Wobei die Besatzungsmächte unter Berufung auf den Wortlaut des maßgeblichen englischen (former german armed forces), bzw. französischen (anciennes forces armées allemandes) Textes unter „deutsche Wehrmacht“ alle früheren deutschen bewaffneten Kräfte verstanden. In Folge dieser Auslegung war faktisch auch das Tragen von Auszeichnungen und Abzeichen aus dem ersten Weltkrieg verboten. Dieses Verbot blieb auch über das Ende des Besatzungsstatuts hinaus gültig, da gemäß der Pariser Verträge vom 23. Oktober 1954 die von den Besatzungsbehörden erlassenen Rechtsvorschriften „solange in Kraft bleiben, bis sie von dem nunmehr zuständigen deutschen Gesetzgeber aufgehoben werden“.[4]
Deutsche Demokratische Republik
Die DDR schuf 1950 ein eigenständiges Auszeichnungswesen, wobei sie sich am sowjetischen Vorbild orientierte. Bis 1965 existierten bereits 65 Stiftungen, Orden, Preise, Ehrentitel und verschiedene Medaillen für militärische und zivile Verdienste. Gestaltung, Inhalte und Verleihungsmodalitäten orientierten sich an den Erfordernissen des sozialistischen Aufbaus, entsprachen der politisch-ideologischen Ausrichtung des Staates und spiegelten das Traditionsverständnis der SED-Führung wieder. Verschiedenste wirtschaftliche, politische und historische Ereignisse führten häufig zu Änderungen an der Gestaltung der Auszeichnungen und wurden von der SED-Führung zum Anlass genommen neue Auszeichnungen zu stiften. Das staatliche Auszeichnungswesen der DDR deckte nahezu alle gesellschaftlichen Lebensbereiche ab (Siehe auch Liste der staatlichen Auszeichnungen der DDR). Hinzu kamen eine Vielzahl nichtstaatlicher Ehrenzeichen von Parteien, Betrieben und Organisationen. In Verbindung mit einer inflationären Verleihungspraxis führte dies zu einer Entwertung des Auszeichnungswesens der DDR.[5]
Bundesrepublik Deutschland
In das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland wurde das Verbot des Artikel 109 der Weimarer Verfassung nicht übernommen. Daher standen einer Wiederbelebung des Ordenswesens keine rechtlichen Hindernisse im Wege. Allerdings hatte die exzessive Verleihungspraxis des Naziregimes Spuren hinterlassen und dem Ansehen von Orden und Ehrenzeichen in der Bundesrepublik schweren Schaden zugefügt. Weswegen die Wiederbelebung des Ordenswesens in der Bundesrepublik ein Entschluss von großer politischer Tragweite war, und keineswegs eine Selbstverständlichkeit. Bundespräsident Theodor Heuss hielt ein Ordensverbot nach Weimarer Vorbild staatlich und psychologisch für einen Fehler und begründete seine Absicht zur Stiftung eines Verdienstordens:
- „Das Vertrauen darauf, daß die Menschen ihre Genugtuung allein in dem Bewußtsein finden, ihr Bestes für die Gemeinschaft geleistet zu haben, hat schon oft zu großen Enttäuschungen geführt. Sich die Möglichkeit zu schaffen, außergewöhnliche Leistungen für den Aufbau, die Festigung und den Fortschritt eines staatlichen Gemeinwesens durch eine Ordensauszeichnung anerkennen zu können, ist ein einfaches Gebot der Staatsraison. Staatliche Orden und Ehrenzeichen können dazu beitragen, ein integrierendes Band zwischen dem Staat und seinen Bürgern zu knüpfen, sie können somit die Staatsmoral stützen.“
Gerade Aufgrund der schwierigen Lage nach dem zweiten Weltkrieg konnte und wollte die junge Bundesrepublik nicht auf den Integrationswert von Orden und Ehrenzeichen verzichten. Hinzu kamen außenpolitische Erwägungen, da sich fast alle Staaten, egal welcher politischer Ausrichtung, eines Systems staatlicher Ehrungen bedienen. Am 7. September 1951 stiftete Heuss, „in dem Wunsche verdienten Männern und Frauen des Deutschen Volkes und Auslandes Anerkennung und Dank sichtbar zum Ausdruck zu bringen“, den Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland.[6]
- ↑ Heinz Kirchner, Hermann-Wilhelm Thiemann, Birgit Laitenberger, Dorothea Bickenbach, Maria Bassier: Deutsche Orden und Ehrenzeichen, 6. Aufl., Carl Heymanns Verlag, Köln 2005, ISBN 3-452-25954-4, S. 24
- ↑ Heinz Kirchner, Hermann-Wilhelm Thiemann, Birgit Laitenberger, Dorothea Bickenbach, Maria Bassier: Deutsche Orden und Ehrenzeichen, 6. Aufl., Carl Heymanns Verlag, Köln 2005, ISBN 3-452-25954-4, S. 24
- ↑ Heinz Kirchner, Hermann-Wilhelm Thiemann, Birgit Laitenberger, Dorothea Bickenbach, Maria Bassier: Deutsche Orden und Ehrenzeichen, 6. Aufl., Carl Heymanns Verlag, Köln 2005, ISBN 3-452-25954-4, S. 24f
- ↑ Heinz Kirchner, Hermann-Wilhelm Thiemann, Birgit Laitenberger, Dorothea Bickenbach, Maria Bassier: Deutsche Orden und Ehrenzeichen, 6. Aufl., Carl Heymanns Verlag, Köln 2005, ISBN 3-452-25954-4, S. 25f
- ↑ Heinz Kirchner, Hermann-Wilhelm Thiemann, Birgit Laitenberger, Dorothea Bickenbach, Maria Bassier: Deutsche Orden und Ehrenzeichen, 6. Aufl., Carl Heymanns Verlag, Köln 2005, ISBN 3-452-25954-4, S. 26
- ↑ Heinz Kirchner, Hermann-Wilhelm Thiemann, Birgit Laitenberger, Dorothea Bickenbach, Maria Bassier: Deutsche Orden und Ehrenzeichen, 6. Aufl., Carl Heymanns Verlag, Köln 2005, ISBN 3-452-25954-4, S. 27