Yannick Haenel

französischer Schriftsteller
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Yannick Haenel (* 1967 in Rennes) ist ein französischer Schriftsteller.

Leben und Werk

Als Sohn eines Militärs geboren, besucht Haenel die Prytanée national militaire in La Flèche, eine Kaderschmiede Frankreichs. In Les Petits Soldats (Die Kleinen Soldaten , 1996), seinem ersten Roman, schätzt der ehemalige Französischlehrer diese Laufbahn jedoch als völlig anachronistisch ein. Nüchtern schildert der Autor das trostlose Zusammenleben hinter dicken Mauern, fernab des wahren Lebens, aber auch die Entdeckung des Alleinseins und allen voran der Literatur.

1997 gründet er gemeinsam mit dem Schriftsteller François Meyronnis die Zeitschrift Ligne de risque (Risikolinie).

2001 erscheint Introduction à la mort française (Einführung in den französischen Tod). Jean Deichel, Haenels Alter Ego, flüchtet aus der ominösen "Villa Blanche", einer Art Anstalt für Schriftsteller, die dort in völliger Entfremdung ihr Dasein fristen. Die Figur des Schrifstellers Maurice Blanchot (Villa Blanche) scheint daher bei der Niederschrift von zentraler Bedeutung gewesen zu sein und damit die eigene Befreiung Haenels aus den Fängen einer Literatur der inneren Zerstörung und der Ausweglosigkeit. In teils grotesken Bildern, lässt der Autor die in vielerlei Hinsicht unrühmliche und verdrängte Geschichte Frankreichs die Einwohner Paris heimsuchen und die Seine in einen riesigen blutigen Fluss von Leichen verwandeln, der anschliessend überquillt und die gesamte Stadt überschwemmt.

Die Erzählung Evoluer parmi les avalanches (Zwischen Lawinen wandeln) beginnt in einem Metroabteil über der Seine. Es ist der 12. September 2001, einen Tag nach den veheerenden Anschlägen in New York und Deichel ist mit der Metro auf der Pont Bir Hakeim steckengeblieben. Jemand hält eine Zeitung und auf dem Titelbild ist abgedruckt ein Mann der sich aus dem World Trade Center in den Tod stürzt. Da er das Foto jedoch verkehrtrum sieht, sieht Deichel darin etwas anderes und deutet den Selbstmord als einen Sprung "zum Himmel hin" um, etwa so wie in Yves Kleins Der Sprung ins Leere von 1960. Ein Zitat aus Blaise Pascals Gedanken veranlasst Deichel schliesslich sein Leben umzugestalten. Fortan lebt er im letzten Stockwerk eines naheliegenden Hochhauses in das er sich zurückgezogen hat - zum Schreiben. "Qu'y a-t-il dans le vide qui puisse nous faire peur?" fragt Pascal. Was gibt es im Nichts das uns ängstigen könnte?

2005 gibt Haenel seinen Posten als Französischlehrer auf. Im selben Jahr erscheinen eine Reihe von gemeinsamen Veröffentlichungen und ein Essay. Das Collectif Ligne de risque, in Zusammenarbeit mit François Meyronnis erstellt, ist eine Ansammlung von Gesprächen u.a. mit dem Sinologen François Jullien und dem französischen Heidegger-Spezialisten Gérard Guest. Poker beinhaltet Unterredungen Haenels und Meyronnis mit dem Schriftsteller Philippe Sollers, der zugleich ihr Verleger ist. In A mon seul désir (der Titel ist dem besprochenen Millefleurs-Wandbehang entlehnt und heisst soviel wie: "Meinem einzigen Begehren") macht sich Haenel auf den Spuren Rilkes dazu auf, das Geheimnis der Dame à la licorne im pariser Musée national du Moyen Âge zu lüften.

Den Durchbruch schafft der Schrifsteller 2007 mit seinem preisgekrönten Roman Cercle, über einen Mann der eines Tages beschliesst nicht mehr zur Arbeit zu gehen, sich von Andern losbindet und durch Paris schlendert. Diese Erfahrung der Freiheit gibt ihm Zugang zu einem eigenartigen Phänomen, schreibt Haenel, - dem Ereignis -, in dem sich sowohl das Geheimnis des Genuss konzentriert, als auch das der Zerstörung die die Welt beherscht. Im weiteren Verlauf zieht es den Erzähler nach Berlin, von wo aus er nach Warschau fährt und von da aus Mitteleuropa erkundet.

Für Cercle erhielt Yannick Haenel 2007 den Prix Décembre sowie den Prix Roger Nimier.

2009 erscheint mit Prélude à la délivrance (Auftakt zur Erlösung) ein weiteres Buch in Zusammenarbeit mit Meyronnis, diesmal über das Sakrale, dargestellt anhand von Melvilles Moby Dick, mit Beiträgen auch über Warlam Tichonowitsch Schalamow und Paul Celan.

Von 2008 bis 2009 weilt Haenel als Gast der Villa Medici in Rom.

Neben den aufgezählten Veröffentlichungen, schreibt Haenel regelmässig für diverse Zeitschriften u.a. über das Kino und die Musik, so z.B. über die new-yorker Gruppe Sonic Youth.

Bibliografie

  • Les Petits Soldats, Roman, La Table ronde, 1996. (2004 neu erschienen bei La Petite Vermillon)
  • Introduction à la mort française, Roman, Gallimard, coll. L'Infini , 2001
  • Évoluer parmi les avalanches, Roman, Gallimard, coll. L'Infini, 2003
  • À mon seul désir, Argol, 2005
  • Ligne de risque, sous la direction de Yannick Haenel et François Meyronnis, Gallimard, coll. L'Infini, 2005
  • Poker, Entretiens de la revue Ligne de risque avec Philippe Sollers, Gallimard, coll. L'Infini, 2005
  • Cercle, roman, Gallimard, coll. L'Infini, 2007
  • Prélude à la délivrance, Gallimard, coll. L'Infini, 2009


  • Artikel: Berlin ist Europas Nabel aus Beton, Yannick Haenel im Gespräch[1]
  • Podcast: Haenel liest aus Cercle in Düsseldorf[2]
  • Film: Haenel im Gespräch bei Gallimard[3]
  • HP: Ligne de risque im Web[4]