Schleifenquantengravitation

physikalischer Theorieansatz
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Die Theorie der Loop-Quantengravitation (Schleifenquantengravitation), auch Loop-Theorie genannt, ist ein Ansatz für eine Theorie der Quantengravitation, d. h. eine Theorie zur Vereinigung der Quantenphysik mit der allgemeinen Relativitätstheorie. Diese Vereinigung ist eine der größten Herausforderungen der heutigen Physik. Dabei wird der Raum als dynamisches quantenmechanisches Spin-Netzwerk beschrieben, das durch Diagramme aus Linien und Knoten dargestellt werden kann. Eine Konsequenz aus dieser Theorie ist die Quantisierung von Raum und Zeit im Bereich der Planck-Länge (10-33 cm) bzw. Planck-Zeit (10-43 s). Der Zeitfluss ist eine Folge ständiger Strukturveränderungen dieses Spin-Netzwerks.

Die Theorie der Loop-Quantengravitation ist die am weitesten entwickelte Alternative zur String-Theorie im Hinblick auf die oben beschriebene Quantisierung von Raum und Zeit. Bereits Anfang der 1970er Jahre schlug Roger Penrose Spin-Netzwerke für eine Theorie der Quantengravitation vor, seine Idee wurde Anfang der 1990er Jahre wieder aufgegriffen und erfolgreich weiterentwickelt, u.a. von Lee Smolin und Carlo Rovelli.


Motivation

Theoretische Physiker gehen allgemein davon aus, dass die allgemeine Relativitätstheorie in ihrer jetzigen Formulierung bei kleinen Abständen falsch ist. Gleichzeitig wird angenommen, dass zur Beschreibung kleinster Dimensionen Prinzipien der Quantenfeldtheorien relevant sind. Die Loop-Quantengravitation, ebenso wie die Stringtheorie, verhindert das Auftreten von unendlich kleinen Ausdehnungen und mathematischen Punktteilchen, indem die kleinsten vorkommenden Abstände eingeschränkt werden. Diese Beschränkung erfolgt in der Loop-Quantengravitation mittels eines Spinnetzwerks, dessen Aufbau die Raum-Zeit sowie die darauf stattfindenden Vorgänge auf diskrete Punkte einschränkt. Die Welt im Kleinsten verliert damit die im Alltag und in klassischen Theorien (Elektrodynamik, Mechanik) angenommene Kontinuität.

Beschreibung der Theorie

Im Rahmen der Loop-Quantengravitation ist der Raum kein teilnahmsloser Behälter für das in ihn eingebettete Geschehen, sondern selbst ein dynamisches Objekt, das den Gesetzen der Quantenmechanik gehorcht. Ein Quantenzustand des Raumes wird dabei durch ein Netzwerk von Knoten beschrieben, die mit Linien verbunden sind. Den Knoten werden bestimmte Eigenschaften zugeordnet, die mathematisch denen des Spins von Elementarteilchen ähneln. Jedem Knoten lässt sich in gewissem Sinne ein Elementarvolumen zuordnen. Die Knotenabstände entsprechen der Planck-Länge. Damit enthält ein Kubikzentimeter 1099 Knoten. Zum Vergleich sei erwähnt, dass das sichtbare Universum dagegen lediglich 1085 Kubikzentimeter enthält.

Man beachte, dass man sich dieses Netzwerk nicht in den Raum eingebettet vorstellen sollte. Ein Raum als Behälter für das Netz existiert nicht. Das Netz selbst ist der Raum. Zwischen den Netzknoten befindet sich ebenso wenig Raum wie sich im Zwischenraum zwischen den Sandkörnern einer Düne Sand befindet.

Elementarteilchen entsprechen Netzknoten mit bestimmten Eigenschaften. Die Bewegung von Teilchen entspricht dabei einer Verschiebung entsprechender Knotentypen im Netz.

Durch das Hinzufügen der Zeit als der vierten Dimension werden aus den Knoten Linien in der Raumzeit, und aus den Linien, die die Knoten verbinden, werden Flächen. Man spricht daher von einem Spin-Schaum der Raumzeit. Dem Fortschreiten der Zeit entsprechen fortlaufend strukturelle Veränderungen im Netz wie die Vereinigung von Knoten oder die Entstehung mehrerer Knoten aus einem einzigen. Ebenso wie beim Raum sind diese Veränderungen im Netz nicht eingebettet in eine Zeit, sondern sie stellen den Zeitfluss selbst dar. Im Bild des Spin-Schaumes bedeutet das, dass die Schaumflächenstücke nicht in Richtung der Zeitachse beliebig ausgedehnt sind, sondern wie bei einem Schaum üblich in alle Richtungen etwa gleich groß sind und an den Berührungskanten mit ihren Nachbarn enden.

Diese Spin-Netze, auch Graphen genannt, sind gewissen strukturellen Regeln unterworfen und entsprechen einer Art Kurzschrift im Rahmen des zugehörigen mathematischen Formalismus. Sie haben damit zwar eine gewisse oberflächliche Ähnlichkeit mit den Feynman-Diagrammen, mit denen die Wechselwirkungen zwischen Teilchen beschrieben werden, sie sind jedoch strukturell grundsätzlich völlig verschieden. Die Bezeichnung Loop-Theorie folgt aus dem Umstand, dass in dieser Theorie schleifenförmige Strukturen in der Raumzeit eine wichtige Rolle spielen.

Ausgangspunkte der Theorie

Ausgangspunkt der Loop-Quantengravitation sind zwei Grundprinzipien der allgemeinen Relativitätstheorie:

  • Die so genannte Hintergrundunabhängigkeit: Darunter versteht man die Annahme, dass die Geometrie der Raumzeit auf mikroskopischer Ebene dynamisch ist. In diesem Punkt unterscheidet sich die Loop-Quantengravitation von der Stringtheorie, deren Gleichungen in einer klassischen Raumzeit formuliert sind.
  • Die so genannte Diffeomorphismus-Invarianz: Damit bezeichnet man den Umstand, dass in der allgemeinen Relativitätstheorie alle beliebigen Koordinatensysteme zur Beschreibung der Raumzeit gleichwertig und geeignet sind.

Der Formalismus der Loop-Quantengravitation wurde über eine Kombination dieser beiden Prinzipien mit Grundkonzepten der bekannten Quantenphysik entwickelt und kommt dabei mit vergleichsweise wenigen grundsätzlich neuen Annahmen aus.

Erfolge der Theorie

Die Loop-Quantengravitation ist in der Lage, einige bereits bekannte bzw. vermutete Phänomene korrekt zu beschreiben:

Überprüfbare Vorhersagen der Theorie

  • Aus der Loop-Quantengravitation folgt, dass die Lichtgeschwindigkeit von der Wellenlänge des Lichtes abhängt. Die Abweichungen von dem üblichen Wert fallen besonders dann ins Gewicht, wenn die Wellenlänge vergleichbar mit den Knotenabständen und damit der Planck-Länge wird, so dass die Photonen gewissermaßen die Quantenstruktur der Raumzeit spüren. Selbst für höchstenergetische kosmische Strahlung beträgt der relative Unterschied jedoch lediglich etwa ein Milliardstel. Ein solcher Effekt hätte Laufzeitunterschiede der verschiedenen spektralen Strahlungsanteile bei kosmischen Gammastrahlenausbrüchen zur Folge. Der für das Jahr 2006 geplante Gammastrahlen-Satellit Glast (Gamma-ray Large Area Space Telescope) wäre in der Lage, diese Laufzeitunterschiede bei Ausbrüchen in einer Entfernung von mehreren Milliarden Lichtjahren nachzuweisen.
  • Nach der derzeitigen Theorie sollte die Reichweite von Protonen mit kinetischen Energien über 1019 Elektronenvolt im Weltraum aufgrund von Streuung an Photonen der kosmischen Hintergrundstrahlung so gering sein, dass sie die Erde nicht erreichen können. Im Widerspruch dazu hat jedoch das japanische Agasa-Experiment bereits mehrere solcher Protonen nachgewiesen. Im Rahmen der Loop-Quantengravitation liegt die Schwelle für diese Streuung jedoch bei höheren Protonenenergien in Übereinstimmung mit der experimentellen Datenlage.
  • Aus der Loop-Quantengravitation folgt eine bestimmte spektrale Struktur der erwähnten Hawking-Strahlung schwarzer Löcher. Eine experimentelle Untersuchung dieser Strahlung liegt jedoch in weiter Ferne.

Offene Fragen der Theorie

Der derzeitige Stand der Loop-Quantengravitation lässt eine Reihe von wichtigen Fragen offen:

  • Noch ist es nicht gelungen, die allgemeine Relativitätstheorie als Grenzfall im Sinne des Korrespondenzprinzips aus der Loop-Quantengravitation herzuleiten.
  • Man geht davon aus, dass die Loop-Quantengravitation gewisse Korrekturen der speziellen Relativitätstheorie für Geschwindigkeiten nahe der Lichtgeschwindigkeit zur Folge hat, deren Natur jedoch noch unbekannt sind.
  • Eine wichtige Aufgabe einer erfolgreichen Theorie der Quantengravitation ist die Vereinigung oder gar Herleitung aller Grundkräfte der Physik. Auch dieses Problem konnte bisher noch nicht gelöst werden.

Kritik an der Theorie

Kritik an der Loop-Quantengravitation wird vor allem von Vertretern der String-Theorie formuliert und zwar insbesondere mit den folgenden Argumenten:

  • Es sei nicht klar, wie sich das oberhalb der Planck-Länge kontinuierliche und stetige Verhalten der Raumzeit als Grenzwert des diskreten Netzwerks von Knoten ergäbe.
  • Die Beschreibung der Raumzeit als diskretes Netzwerk von Knoten zeichne ein Bezugssystem aus, widerspräche der speziellen Relativitätstheorie und sei eine Renaissance des Äthers der vorrelativistischen Physik.

Literatur

  • Rovelli, Carlo: Quantum Gravity
  • Smolin, Lee: "Quanten der Raumzeit", Spektrum der Wissenschaft, 3, 2004, S. 54-63.


  • One man and his theory Das Wissenschaftsprogramm Noorderlicht der VPRO zu Lee Smolin mit Links auf Three roads to quantum gravity und The life of the cosmos