Ludwigsburger Zentrale Stelle

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Am 1. Dezember 1958 nahm in Ludwigsburg bei Stuttgart die Zentrale Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung von nationalsozialistischen Verbrechen (kurz Ludwigsburger Zentrale Stelle) ihre Arbeit auf. Durch diese Zentrale Stelle sollten die staatsanwaltlichen Ermittlungen der bundesdeutschen Länder vorangetrieben und gebündelt werden. Sie erhielt allerdings keine Weisungsbefugnis.

Zuständigkeits-Wirrwarr

Die Einrichtung der Ludwigsburger Zentralen Stelle erfolgte auf dem Hintergrund des Ulmer Einsatzgruppen-Prozesses von 1957/1958, der großes Aufsehen in der Öffentlichkeit erregte. Es wurde offensichtlich, dass ein Großteil derjenigen NS-Verbrechen noch nicht geahndet worden war, denen ausländische Staatsangehörige zum Opfer gefallen waren. Diese Taten hatten sich ursprünglich die westlichen Besatzungsmächte zur Aburteilung vorbehalten. Als sie sich zurückzogen, tat sich eine Lücke in der Zuständigkeit auf. Oft fühlten sich die Staatsanwälte auch nicht zuständig, weil Tatorte im Ausland lagen und die gemeinschaftlich handelnden Täter unterschiedliche Wohnsitze angenommen hatten. Nun sollte diese Lücke geschlossen und die bislang kaum ermittelten Verbrechen in den östlichen Gebieten geahndet werden.

Zur Geschichte

Mit der Leitung der Ludwigsburger Zentralen Stelle, bei der zeitweilig bis zu 200 Beschäftigte arbeiteten, wurde Erwin Schüle betraut. Trotz erfolgreicher Arbeit erwies sich seine Ernennung jedoch als Missgriff, denn bald wurde Schüle aus der DDR vorgehalten, er sei Mitglied der NSDAP und SA gewesen. Nach seinem Rücktritt im Jahre 1961 amtierte mehr als 20 Jahre lang Adalbert Rückerl als Leiter und verschaffte der Einrichtung einen untadeligen Ruf.

Die strafrechtliche Vergangenheitsbewältigung wurde keineswegs von allen Seiten begrüßt und gefördert. Der Ludwigsburger Bürgermeister Sauer befand die Einrichtung als rufschädigend für das Ansehen der Stadt. Regierungsvertreter untersagten Mitarbeitern bis zum Jahre 1964, Archive in Osteuropa zu besuchen, vorgeblich, weil dort gefälschtes Material untergeschoben würde. Der frühere Generalbundesanwalt Max Güde bezeichnete noch 1968 Staatsanwälte, die aus Moskau Material abholten, als „unsere Idioten“.

Durch die Vorermittlungen der Zentralen Stelle kam es in den 60ger und 70ger Jahren zu einer vorher und auch späterhin nicht mehr erreichten hohen Anzahl von Strafprozessen. Insgesamt wurden fast 7200 Vorermittlungsverfahren an die Justizorgane der Bundesländer weitergeleitet. Im April 2001 waren noch 12 Vorermittlungen nicht abgeschlossen.

Seit 2000 gehört die Ludwigsburger Zentrale als Außenstelle zum Bundesarchiv. Die Akten sind im angestammten Gebäude in Ludwigsburg verwahrt und werden vom Historischen Seminar der Universität Stuttgart genutzt.

Fazit

Die Arbeit der Ludwigsburger Zentralen Stelle hat trotz aller Hemmnisse eine Welle von Verfahren ausgelöst. Wenn es dann in vielen Fällen nicht zur Anklageerhebung kam, Freisprüche und unverständlich milde Urteile ausgesprochen wurden, so ist dies nicht dieser Einrichtung anzulasten.