Kinderlied

Lied mit kindgemäßem Text und Melodie
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Kinderlied

  • Der Begriff Kinderlied wurde ursprünglich mit Kinderreim gleichgesetzt: ein leicht fasslicher Text, verbunden mit einer einfachen Melodie.
  • Es lassen sich zwei Arten des Kinderliedes unterscheiden: das von Kindern meist improvisiert erfundene Kinderlied und das von Erwachsenen für Kinder erfundene Kinderlied.
  • Aus dem Lallen des Säuglings wird in den ersten Lebensjahren der Singsang des Kleinkindes, der immer mehr mit Lauten und Worten der Erwachsenen angereichert wird.
  • Parallel dazu wird das spätere Singeverhalten des Kindes (auch bereits im Mutterleib!) vom "Musikverhalten" seiner Umwelt geprägt.
  • Das getextete und komponierte Kinderlied ist immer ein Strophenlied. Mehrere Strophen bilden, hintereinander gesungen, eine "logische" Einheit.
  • In der Kunst (Literatur und Musik) steht der Begriff "Kinderlied" auch für eine schlichte (einfache, gut verständliche, volkstümliche) Kunstform.

Kinderlied und Pentatonik

Die Keimzelle des "Ur"-Kinderliedes ist die Pentatonik.

Das fünfstufige Tonsystem der pentatonischen Reihe (aus 5 Quinten übereinander gewonnen) lässt sich bis in die Zeiten der Anfänge der Menschheit zurückverfolgen. Sie besteht aus Ganztonfolgen und Eineinhalbtonschritten (vergleichbar mit den schwarzen Klaviertasten (cis-dis-fis-gis-ais (b)). Es gibt keine Halbtonschritte und kein Ton übernimmt eine Leittonfunktion. Auch kann jeder Ton Anfangs- und Schlusston sein. Jede beliebige Abfolge von Tönen dieser Tonleiter empfinden die meisten Menschen als harmonisch, weshalb pentatonisch gestimmte Instrumente (z.B. Flöten) leicht zu spielen sind. Auch alle fünf Töne gleichzeitig gespielt, ergeben eine schwebende, wohlklingende Mehrstimmigkeit.

Die unablässig wiederholten ersten Zwei- (Kuckucksterz) oder Dreitonformeln, aus denen sich die ältesten Singsang-Melodien zusammensetzen, die zum Beispiel auch in den Versen unserer ältesten Märchen auftauchen, weiteten sich im Laufe der Zeit zu fünftönigen Formen aus (Melodien z. B. aus den Tönen d-e-g-a-h). Sobald die Fähigkeit entwickelt war, gleichbleibende Tonfolgen zu bilden, konnte die Melodie sich Stück für Stück frei entfalten, ohne an einen Arbeitsrhythmus oder die gleichförmigen Körperbewegungen von Kultsängern und Tänzern gebunden zu sein. Das Singen um des Singens willen wurde möglich. Die Psychologie hat inzwischen interessante Übereinstimmungen mit kindlichen Spontangesängen und Spielmelodien entdeckt. Im Zeitraffertempo scheint ein Kind in seinem ersten Lebensjahrzehnt alle Entwicklungsstufen der "Menschheit von Anfang an" nacheinander zu absolvieren, auch, und vor allem in der Musik. Die Pentatonik eignet sich auch ausgezeichnet für die musikalische Arbeit mit Kindern im Vor- und Grundschulalter.

==Zur pentatonischen Melodiebildung== (die Reihe d-e-g-a-h als Modell)

  • Die einfachsten (Kinder)-Melodien bestehen aus der "Urzelle" der Pentatonik, der sogenannten Kuckucksterz (auch Rufterz genannt):

<Zweiton-Formel> g-e-g-g-e | Kuckuck, Eierschluck;

  • danach wird ein neuer Ton entdeckt, der Ton über dem "g", das "a":

<Dreiton-Formel>a-g-e-a-g-e | Laterne, Laterne;

  • danach kommen der "tiefste" und der "höchste Ton der Reihe dazu, das "d" und das "h":

<Fünfton-Formel>g-g-d-d-e-e-d-h-h-a-a-g | Old Mac Donald had a farm, E-I, E-i, O!

Pentatonische Melodien können mit jedem Ton der Reihe beginnen. Es müssen auch nicht immer alle Töne vorkommen ("unechte" Pentatonik).

Formen des Kinderliedes

  • Wiegenlieder
  • Schlaflieder
  • Trostlieder
  • Tierlieder
  • Märchenlieder
  • Lügenlieder
  • Nonsens- oder Quatschlieder
  • Geburtstagslieder
  • Bewegungslieder
  • Lieder für die Erde

Zur Geschichte des Kinderliedes

Von den sehr alten Kinderliedern sind noch einige in Carl Orffs "Musik für Kinder" (Orff-Schulwerk) und in alten Liederbüchern (Deutsches Volksliedarchiv oder Des Knaben Wunderhorn von Ludwig Achim von Arnim und Clemens Brentano) zu finden. Die "allgemein bekannten" Kinderlieder stammen fast alle von Heinrich Hoffmann v. Fallersleben (1798-1874). Er schrieb die Texte zu ca. 500 Kinderliedern. In den 70er Jahren kamen neue Lieder z. B. von Günther Kretzschmar (Der Seeschlangensong), Heinz Lemmermann (Trat ich heute vor die Türe) und Margarete Jehn & Wolfgang Jehn (Die alte Moorhexe) dazu. Danach kamen die Liedermacher: Fredrik Vahle (Die Rübe) und Dieter Süverkrüp (Baggerführer Willibald). In der DDR: Gerhard Schöne (Jule wäscht sich nie), in der Schweiz Roland Zoss (Xenegugeli). Am bekanntesten ist Rolf Zuckowski (Die Vogelhochzeit). Im Zuge der Globalisierung sind auch viele Kinderlieder aus aller Welt in Deutschland dazugekommen.

Kinderlieder | Lieder für Kinder

Die Kinderlieder von heute lassen sich in zwei Gruppen einteilen:

  • "Kinderlieder, die die Kinder singend mit in ihr Leben nehmen"

Strophenlieder eigenen sich wegen ihres logische Aufbaus und ihrer thematischen Überschaubarkeit sehr gut zum Nachsingen. Kinder können diese Lieder ohne jegliche Hilfsmittel reproduzieren.

  • "Kinderlieder, die die Kinder hörend mit in ihr Leben nehmen".

Kinderlieder, die hauptsächlich für den Auftritt eines Liedermachers gemacht werden, müssen von vornherein auch den visuellen Anteil der Darbietung mit berücksichtigen (vor allem bei Fernsehauftritten). Rein instrumentale Einschübe werden z. B. gebraucht (um den jeweiligen Liedermacher ins "rechte Licht" zu setzen); textliche und musikalische Gegenthemen, sogenannte Bridges, in denen der Verlauf des Liedes kurzzeitig "umgeleitet" wird, müssen vielleicht eingebaut werden. An den vertrauten Stellen können die Kinder dann zwar wieder "mitmachen", für eine spätere Umsetzung nur durch die Kinder sind diese "Multiformen" aber meist zu kompliziert. Nur mit den Hilfsmitteln Halb- oder Vollplayback dürfte eine Reproduktion dann vielleicht gelingen.

Kinderlied im 21. Jahrhundert

Auch heute noch schreiben einige Autoren in der "guten alten Tradition des Liedermachens" Lieder für "singende Kinder". Die großen Schulbuchverlage setzen in ihren Ausgaben wieder vermehrt auf die Verbindung von traditionellen und neuen Kinderliedern. Dazu kommen immer mehr Kinderlieder aus aller Welt. Dem öffentlichen Bewusstsein scheint aber in dieser Zeit ein verbindliches Maß zur Beurteilung von "Kinderliedqualität" abhanden gekommen zu sein ("Erfolg" steht inzwischen für "Qualität"!). Grundschulen und Vereine ersetzen bei ihren Veranstaltungen oft "Kinderlied" durch "Mini-Playbackshow". In manchen Kindergärten wird der im 20. Jahrhundert noch übliche Auftritt von Liedermachern, durch Schminkecken und Hüpfburgen ausgetauscht. In den Kindersendungen der Rundfunkanstalten sind die Sendeanteile "richtig singender Kinder" auf ein Minimum reduziert. Medienaufrufe an die Bevölkerung: "Schreib ein Lied" (auch von Zeitschriften und Chorverbänden) haben bis jetzt kein "Neues Lied" in der Öffentlichkeit dauerhaft platzieren können. Das nur noch marktorientierte sogenannte "Kinderlied" ist inzwischen zu einem Wirtschaftsfaktor geworden!

Forderungen an ein gutes Kinderlied

  • ein kindgemäßer Text (der aber trotzdem auch "literarisch wertvoll" sein muss!)
  • gewissenhaft recherchierte Aussagen im Lied
  • eine dem Text angemessene Melodie (die auch Kinder nachsingen können)
  • ein Melodieumfang, der der Kinderstimmlage gerecht wird (vor allem nicht zu tief!)
  • "ein Kinderlied der Gegenwart muss, um die Zukunft zu erreichen, tief in der Vergangenheit verwurzelt sein"

Zitat zum Schluss

"Singen, Spielen und Tanzen helfen uns in unserer Kindheit, uns selbst und die Welt um uns zu verstehen und kennenzulernen. Beinah von selbst öffnen sich in dieser Phase Türen zum inneren und äußeren Leben, an denen später, in einer anderen Entwicklungsphase, vielleicht lange und mühsam gerüttelt werden muss - wenn sie sich überhaupt noch aufmachen lassen" (M. Jehn).

Hörbeispiele

Um die Wiederbelebung alter Kinderlieder hat sich das Salzburger Ensemble für Alte Musik Dulamans Vröudenton besonders verdient gemacht. Einige der Interpretationen auf historischen Instrumenten sind im Internet verfügbar:

Besonders amüsant ist die Jazzversion eines der bekanntesten Kinderlieder: