Dietrich Bonhoeffer
Dietrich Bonhoeffer (* 4. Februar 1906 in Breslau; † 9. April 1945 im KZ Flossenbürg) war ein deutscher evangelisch-lutherischer Theologe und Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus.
Leben
1906-1931
Dietrich Bonhoeffer wurde in Breslau geboren. Er war das sechste von acht Kindern von Karl Bonhoeffer, dem führenden Psychiater und Neurologen seiner Zeit, und Paula Bonhoeffer geb. von Hase, einer Lehrerin aus einer Familie evangelischer Theologen und Künstler. Dietrich Bonhoeffer wuchs in einem großbürgerlichen Elternhaus auf; es gab stets mindesten fünf Hausbedienstete. Die Mutter unterrichtete die Kinder daheim und führte alle zum Abitur. 1911 erhielt der Vater einen Ruf auf einen für ihn neu errichteten Lehrstuhl an der Berliner Universität, so dass die Familie Breslau verließ.
1923 bestand Bonhoeffer mit 17 Jahren am Berliner Grunewald-Gymnasium, wo auch sein Bruder Klaus Bonhoeffer die Prüfung ablegte und das sein späterer Schwager Hans von Dohnanyi besucht hatte, das Abitur. Anschließend nahm nahm er das Studium der Theologie in Tübingen auf. Der Entschluss zum Theologiestudium hing möglicherweise mit dem Kriegstod sein zweitältesten Bruders Walter, den er bewusst erlebte, im ersten Weltkrieg zusammen. Seine Familie, obwohl überrascht, unterstützte ihn in seinem Vorhaben. Mit 21 Jahren wurde er in Berlin summa cum laude mit der Dissertation "Communio Sanctorum" promoviert. 1928 wird er Vikar in der deutschen evangelischen Kirchengemeinde von Barcelona, 1929 Assistent an der Berliner Universität, wo er sich 24-jährig mit der Schrift "Akt und Sein" habilitierte. Es folgte ein Jahr am Union Theological Seminary in New York, wo er auch die Folgen der Weltwirtschaftskrise insbesondere auf die farbige Minderheit kennenlernte; praktische Pastoralarbeit lernte er in den Kirchengemeinden Harlems kennen.
Nach seiner Rückkehr bekam er 1931 eine Lehrposition an der Berliner Universität, und wurde im November 1931 ordiniert.
1931-1945
Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten wurde am 1. März 1933 eine im Rundfunk übertragene Ansprache aufgrund des kritischen Inhaltes unterbrochen. Danach engagierte er sich im Pfarrernotbund, am 17. Oktober wechselte er nach England, wo er im südlichen Londonder Vorort Forest Hill (England) Pfarrer zweier deutscher Kirchengemeinden wurde. Hier lernte der auch den anglikanischen Bischof Geoge Bell kennen.
Nachdem sich die "Bekennende Kirche" u.a. auf Initiative von Martin Niemöller und Karl Barth gebildet hatte, um ein christliches Kirchenregiment insbesondere in den gleichgeschalteten Landeskirchen - dies betraf zuvorderst die Kirchen von Thüringen, Holstein-Lübeck, Sachsen sowie die Kirchenprovinzen in Preußen -, wo nach Synodalwahlen den Deutschen Christen angehörende Bischöfe und Juristen die Macht übernommen hatten, wiederherzustellen, kehrte Bonhoeffer am 15. April 1935 nach Deutschland zurück, und leitete die Ausbildung angehender Pastoren im Predigerseminar Zingsthof, das später nach Finkenwerder umzog und 1937 vom Staat geschlossen wurde. Anschließend übernahm Bonhoeffer die Vikarsausbildung für die Bekennende Kirche durch Sammelvikariate in Köslin und Groß-Schlönwitz, später Sigurdshof.
1938 ergaben sich erste Kontakte zu Canaris, Oster, Sack und Beck. In dieser Zeit war Bonhoeffer aktiv in der Ökumenischen Bewegung aktiv; sein Bestreben war, die christlichen Kirchen weltweit zum Einsatz gegen die laufenden Kriegsvorbereitungen zu bewegen. Aufgrund dieser Aktivitäten lernte er hohe kirchliche Würdenträger in ganz Europa kennen.
Am 10. März 1939 brach Bonhoeffer zu Gesprächen u.a. mit George Bell nach London auf. Am 2. Juni folgte er einer zweiten Einladung in die USA, schlug aber bereits am 20. Juni die Bitte seines Gastgebers Smith-Leiper aus, einen Lehrstuhl in Harlem zu übernehmen, da er seine Rolle im heraufziehenden Krieg im Widerstand in der Heimat sah. So kommt er am 27. Juli wieder in Berlin an und sucht Kontakte zur Spionageabwehr.
Nachdem die Gestapo am 17. März 1940 die Predigerseminare Köslin und Sigurdshof schloss, und am 14. Juli eine von Bonheoffer geleitete Freizeit polizeilich aufgelöst wurde, führte Gespräche mit Hans von Oster und seinem Schwager Hans von Dohnanyi über eine "Unabkömmlichkeitsstellung" (UK-Stellung) für Abwehraufträge. Seine aus der Ökumenischen Bewegung bestehenden Kontakte sollte Bonhoeffer für die Verschwörer nutzen, um mit den Alliierten Verhandlungen einzuleiten. Bonhoeffer war also nicht an der Planung der Attentate selbst beteiligt, sondern diente als Verbindungsmann, offiziell im Auftrag der 'Abwehr'.
Die nun in Gang kommende systematische Judenverfolgung und andere Grausamkeiten der Regierung bewegten Bonhoeffer zu einer Neubewertung der Situation. In Dietrich Bonhoeffers Elternhaus trafen sich eine Reihe von Gegnern des Nationalsozialistischen Regimes, die teilweise hohe Positionen innerhalb der Abwehr oder der Wehrmacht inne hatten; diese Personen beabsichtigten, Hitler durch ein Attentat umzubringen. Dietrich Bonhoeffer schloss sich diesem Widerstandkreis nach langem Bedenken an. Die Frage des Tyrannenmordes (Darf ein Christ gegen das Gebot "Du sollst nicht Morden" verstoßen) beschäftigte ihn zutiefst; seine Gedanken zu dieser Fragestellung finden sich im Buch Ethik wieder, an dem er vor allem im September und Oktober 1940 in Klein-Krössin arbeitete. Am 30. Oktober wurde er der Abwehrstellung München zugeordnet, stand also im Dienste des NS-Staates - bei gleichzeitigem Rede-, Schreib- und Veröffentlichungsverbot! Ab dem 17. November hielt er sich im Kloster Ettal auf.
1941/42 unternahm er - u.a. mit Helmuth von Moltke für die deutsche Spionageabwehr - und zugleich für den internen Widerstandskreis - Reisen nach Norwegen, Schweden und in die Schweiz.
Am 17. Januar 1943 verlobte er sich mit Maria Wedemeyer (1924-1977), einer Nachfahrin von Heinrich von Kleist. Am 13. März 13. und 21. März wurden aus der Gruppe um Bonhoeffer Anschläge auf Adolf Hitler verübt. Am 5. April wurde Bonhoeffer auf Grund eines zufälligen Aktenfundes bei seinem Schwager Hans von Dohnanyi wegen "Zersetzung der Wehrkraft" verhaftet und im im Untersuchungsgefängnis der Wehrmacht in Tegel gefangen gehalten.
1944 wurde am 20. Juli ein neuerliches Attentat auf Adolf Hitler verübt. Bonhoeffer und anderen an den Vorbereitungen Beteiligten konnte nichts nachgewiesen werden. Ein innerer Streit führte aber am 22. September zum Aktenfund in Zossen.
Anmerkung:
In den Widerstandskreisen gab es einmal die Position, dass Akten, die die
Widerstandstätigkeit belegten, aufbewahrt werden müssten, um den Allierten
nach für sie erfolgreichem Krieg nachzuweisen, dass es in Deutschland schon
lange Opposition gegen Hitler gab und auf welche Personen die Sieger sich nun
verlassen könnten. Demgegenüber meinten Bonhoeffer u.a., dass um der
Sicherheit der Widerstandskämpfer willen keinerlei Dokumente aufbewahr werden
dürften.
Aus Sorge um seine Familie verzichtete er am 5. Oktober auf eine mögliche Flucht; er befürchtete Sippenhaft. Am 8. Oktober geriet Bonhoeffer in die Hände der Gestapo und kam nun in den Gestapo-Keller Prinz-Albrecht-Straße.
Vom 28. Dezember datiert ein Brief, dessen Beigabe berühmt werden sollte.
- Von guten Mächten treu und still umgeben,
- behütet und getröstet wunderbar,
- so will ich diese Tag mit euch leben
- und mit euch gehen in ein neues Jahr.
- Noch will das alte unsre Herzen quälen,
- noch drückt uns böser Tage schwere Last,
- ach, Herr, gib unsern aufgescheuchten Seelen
- das Heil, für das Du uns bereitet hast.
- Und reichst Du uns den schweren Kelch, den bittern
- des Leids, gefüllt bis an den höchsten Rand,
- so nehmen wir ihn dankbar ohne Zittern
- aus Deiner guten und geliebten Hand.
- Doch willst Du uns noch einmal Freude schenken
- an dieser Welt und ihrer Sonne Glanz,
- dann wolln wir des Vergangenen gedenken,
- und dann gehört Dir unser Leben ganz.
- Laß warm und still die Kerzen heute flammen,
- die Du in unsre Dunkelheit gebracht,
- führ, wenn es sein kann, wieder uns zusammen.
- Wir wissen es, Dein Licht scheint in der Nacht.
- Wenn sich die Stille nun tief um uns breitet,
- so laß uns hören jenen vollen Klang der Welt,
- die unsichtbar sich um uns weitet,
- all Deiner Kinder hohen Lobgesang.
- Von guten Mächten wunderbar geborgen,
- erwarten wir getrost, was kommen mag.
- Gott ist mit uns am Abend und am Morgen
- und ganz gewiß an jedem neuen Tag.
Das Gedicht war ein Gruß an seine Mutter zu ihrem 70. Geburtstag und an seine Verlobte, die an diesem Tag bei Dietrichs Bonhoeffers verweilte. - Wann immer die Worte auf Grußkarten und im gottesdienstlichen Lied heute aufgenommen werden, mag man sich an die Situation erinnern: die damit Gegrüßten sitzen unterm Weihnachtsbaum, feiern Geburtstag, denken an die zwei inhaftierten Söhne Klaus und Dietrich, an die zwei inhaftierten Schwiegersöhne Hans von Dohnanyi und Rüdiger Schleicher, an die Tochter Sabine, Dietrichs Zwillingsschwester, die wegen ihres jüdischen Mannes Gerhard Leibholz ins Ausland gegangen war und nun wegen der nationalsozialistischen Diktatur gleichfalls anwesend sein kann, sowie an den gefallenen Sohn Walter. Und doch fand Dietrich Bonhoeffer in dieser Situation so tröstliche Worte! Wie aber mag es den Angehörigen gegangen sein, als sie die dritte Strophe oder im fünften Vers "Führ, wenn es sein kann, wieder uns zusammen" lasen? Gerade angesichts dieser Textstellen erscheint vielen Kirchenmusikern die im Allgemeinen beliebteste fietzsche Melodie unpassend zu sein.
Kurz vor Kriegsende, am 8. April 1945, wurde Dietrich Bonhoeffer auf ausdrücklichen Befehl Adolf Hitlers, dass allen Verschwörern vom 20. Juli 1944 der Prozess zu machen sei, von einem Standgericht ohne rechtstaatliche Mindeststandards unter dem Ankläger Walter Huppenkothen durch den Richter Otto Thorbeck zum Tode verurteilt. Boehoeffer unterstand nicht der SS, die das "Gericht" gebildet hatte, Verteidiger war nicht anwesend, Zeugen wurden nicht vernommen, die "Verhandlung" fand ohne Protokollführer statt und es wurden auch keine Prozessakten angelegt.
Kurz vor Kriegsende, am 8. April 1945, wurde Dietrich Bonhoeffer auf ausdrücklichen Befehl Adolf Hitlers, dass allen Verschwörern vom 20. Juli 1944 der Prozess zu machen sei, von einem Standgericht ohne rechtstaatliche Mindeststandards unter dem Ankläger Walter Huppenkothen durch den Richter Otto Thorbeck zum Tode verurteilt.
Boehoeffer unterstand nicht der SS, die das "Gericht" gebildet hatte, Verteidiger war nicht anwesend, Zeugen wurden nicht vernommen, die "Verhandlung" fand ohne Protokollführer statt und es wurden auch keine Prozessakten angelegt.
Dietrich Bonhoeffer wurde am 9. April 1945 durch Erhängen hingerichtet.
Bis in die 90er Jahre hat die deutsche Justiz dieses Urteil nicht aufgehoben. Erst durch einen Bundestagsbeschluss wurden NS-Unrechtsurteile für nichtig erklärt, und damit auch Dietrich Bonhoeffer formell für unschuldig erklärt.
Theologie
Die Theologie Dietrich Bonhoeffers war zuerst von Karl Barth geprägt. Daneben stellte die Bergpredigt einen Ausgangspunkt seiner Überzeugungen dar.
Die Entwicklung in Deutschland bedingte, dass er die Rolle der Kirche neu bewertete. Der traditionellen Duldung der Staatsgewalt stellte er das Bild der Kirche entgegen, die in die Speichen des Rades greifen müsse, bevor die Staatsmaschine Unschuldige überrolle.
Werk
- Promotionsschrift Sanctorum Communio, 1927
- Habilitationsschrift, 1930
- Nachfolge
- Ethik
- Verantwortung und Hingabe
- Die Weisheit Gottes - Jesus Christus
- Gemeinsames Leben
Literatur
Biographien
Die bekannteste und bedeutendste Biographie Dietrich Bonhoeffers wurde von seinem engen Freund und Ehemann seiner Nichte, Renate Schleicher, Eberhard Bethge herausgegeben.
Das Leben Dietrich Bonhoeffers wurde auch verfilmt:
- Bonhoeffer (Dokumentarfilm); Regie: Martin Doblmeier, 2003
- Bonhoeffer - Die letzte Stufe (Spielfilm); Regie: Eric Till, 2000; ISBN 3-7655-8315-4; Original: Bonhoeffer: Agent of Grace
- Dietrich Bonhoeffer - Nachfolge und Kreuz, Widerstand und Galgen (Dokumentarfilm); 1982