Dieser Artikel befasst sich mit dem Filmgenre, weiteres siehe Wildwestroman.
Der Western ist ein Kino-Genre, in dessen Mittelpunkt der amerikanische Mythos schlechthin, die Eroberung des Mittleren (Wilden) Westens der Vereinigten Staaten im neunzehnten Jahrhunderts steht. Entsprechende Werke der Literatur werden meist als Trivialliteratur gewertet. Eines seiner wesentlichen Merkmale ist Handlungsort und Zeit: Der westliche Teil des nordamerikanischen Kontinents während seiner Besiedlung durch die von Osten kommenden Siedler. Der Western ist in seinen handelnden Figuren, narrativen Elementen, Orten und Stilmitteln stark festgelegt. Im Mittelpunkt steht stets der gute, meist naive, aber körperlich agile Cowboy und sein alter Ego, der kriminelle, skrupellose Bösewicht, Pferde um sich darauf fortzubewegen, zwischen den beiden eine Frau, um die der Kampf zumeist mit Revolvern oder Fäusten ausgetragen wird. Das Fort, die kleine Stadt, die weite Landschaft, die in gewaltigen Totalen eingefangen wird und das Indianerdorf sind die Orte der Handlung. Aufgelöst wird der Konflikt am Ende durch einen Shoot out oder Showdown auf der Hauptstrasse. Zwei zentrale Motive bestimmen das Genre, zum einen die (Selbst-)-Erfahrung an der Grenze, dem "Frontier Land", beispielhaft in Der mit dem Wolf tanzt, wenn Kevin Kostner nach einem missglückten und missverstandenen Selbstmordversuch während einer Schlacht im Bürgerkrieg die Armee verlässt, "um die "Frontier" zu sehen, solange es sie noch gibt". Sowie die Erneuerung einer Gesellschaft durch Gewalt, die Wiederherstellung einer neuen, vitaleren Ordnung, nachdem die alte Ordnung vorher bereits durch Gewalt zerstört wurde. Die vier Phasen der Geschichte der Eroberung des Westens, frühes Vordringen in die Wälder des Ostens während des englisch-französischen Besatzung mittels Pfadfindern und Indianerscouts, Landnahme des Westens durch Planwagentrecks und kleine Siedler, Übergang zur zivilisierten Gesellschaft und schliesslich Beendigung der Entwicklung durch Eisenbahnbahnbau, Indianerkriege und Bürgerkrieg, schlagen sich in den einzelnen Filmen entsprechend wieder. 1908 kam mit Der grosse Eisenbahnraub der erste Western ins Kino, zu einer Zeit also, als es den wilden Westen fast noch tatsächlich gab. Von da an kamen jede Woche neue, zumeist einfach Produktionen im Stile von Bronco Bill ins Kino, die sich auf action- und gewaltgeladene Konfrontation zwischen den Hauptfiguren konzentrierten und sich wenig mit Psychologie, komplexen Charakteren und Handlungen beschäftigten. Von da an bis in die siebziger Jahre hinein kann man den Western als das wichtigste Genre der Filmproduktion der USA bezeichnen, wobei die vierziger und fünziger Jahre als der Höhepunkt der Entwicklung gelten dürfen. Aufgrund der Unverrückbarkeit seiner Elemente muss der Western zunehmend eine Entwicklung nach Innen, in die Tiefe nehmen. Ohne Orte, Figuren und Handlungsablauf anzutasten entstehen der epische, der psychologische Western und schliesslich, Ende der 1960er und Anfang der 1970er nahtlos an das Ende des klassischen Westerns anknüpfend der Spät-Western und Italo-Western, die wesentlich schonungsloser, zynischer und auch zuweilen realistischer mit ihrem Sujet umgehen. Seitdem folgte mit den Filmen Der mit dem Wolf tanzt, Erbarmungslos, Dead Man und The Mission in regelmäßigen Abständen ein Revival dieses immer wieder totgesagten Genres.
Frontier Land
Im Zentrum des Western steht die Besiedlung des so genannte frontier land. Mit dieser "frontier" ist allerdings nicht nur die sich stetig nach Westen verschiebende Grenze der Fallensteller, Trapper, Goldsucher, Siedler und Viezüchter gemeint, tatsächlich geht es um die Konfrontation mit dem eigenen Ich – um eine Grenzerfahrung in zweifachem Sinn also, eine, die sich auf einer tatsächlichen, geographischen und eine, die sich auf einer metaphysischen, individuellen Ebene abspielt. Der Cowboy, Trapper oder Pfadfinder, dessen Urtypus Davy Crockett und Daniel Boone darstellen und der stets im Mittelpunkt der Handlung steht, ist eine in seinen moralischen Werten vom mittelalterlichen Ritter abgeleitete, zutiefst romantische Figur. So wie sich der Ritter von Reiter ableitet, und der Chevalier von Cheval, ist der Westmann ohne sein Pferd undenkbar. Damit und mit seinem fransengeschmückten Lederanzug ist er der Natur näher als der bürgerlichen Gesellschaft, die sich in der Zeit der Industrialisierung und der Besiedlung des Westens durch Weiße krakenartig ausbreitet. Auch wenn er für sie auskundschaftet und ihr vorauseilt, ihre Planwagen-Trecks anführt, sie damit unweigerlich hinter sich herzieht, so lehnt er sie doch im Herzen ab und befindet sich im gleichen Maße auf der Flucht vor ihr. Die Gesetze, denen er folgt, bezieht er nicht aus den Gesetzbüchern der Städte, er leitet sie scheinbar direkt von Gott und aus der Natur ab. Der Begriff Outlaw, jemand also der sich außerhalb der Gesetze stellt, hat nicht nur auf Grund der tief im amerikanischen Bewusstsein verankerten Vorliebe für Gesetzesbrecher und Gangster eine positive Färbung, auch der positive Held des Western ist auf seine Art stets ein "Outlaw" – und damit muss er unweigerlich in Konflikt mit der Gesellschaft geraten. Diese Freiheit, in der Konfrontation mit dem eigenen Ich jenseits der alles regelnden Zivilisation zu triumphieren, ist der eigentliche Kern der zum Gründungsmythos der Vereinigten Staaten im Western verklärten Besiedlung des Westens. Im Spätwestern wird der Verlust dieser Freiheit immer wieder thematisiert, das letzte Stück Land ist besiedelt, das letzte Wildpferd gefangen, Automobile und Maschinengewehre halten Einzug. Bald wird man die Handlung an den letzten unzivilisierten Ort verlegen müssen, den es noch gibt, den Weltraum. So ist weder die Bezeichnung "Space Cowboy" ein Zufall, noch dass der Science-Fiction-Film den Western im Kino ablöst.
- In Sam Peckinpahs The Wild Bunch, der ebenfalls nicht zufällig in Mexiko spielt, geht es um eine von Pike (William Holden) angeführte Bande scheinbar gewissenloser Outlaws, die von seinem alten Freund Thornton (Robert Ryan), einem ehemaligen Mitglied der "Wild Bunch", gejagt werden. In jeder Szene jedoch merkt man Thornton an, dass er lieber an Pikes Seite reiten würde, statt eine Horde zwar auf der Seite des Gesetzes stehender, aber zutiefs unmoralischer Kopfgeldjäger anzuführen. Thornton, Pike und seine "Wild Bunch" sind gealterte Dinosaurier (in einer Szene fällt Pike sogar vom Pferd) die von der modernen Zeit überlebt wurden. Sie sind hässlich, schmutzig, skrupellos und unsympatisch, aber an einer Stelle ihres Herzens besitzen sie etwas, dass in entscheidenden Situationen ihr Handeln bestimmt. Im zentralen Moment, dem Dreh- und Angelpunkt des Films, wählen sie in einem Augenblick persönlicher Freiheit mit einem kurzen "lets go" den sicheren Tod, statt Geld und Überleben. Statt davonzureiten kehren sie, die in keinem Falle mehr eine Zukunft haben, in die Festung des mexikanischen Generals Mapache zurück, um ihren Freund "Angel" zu befreien und dabei den sicheren Tod zu finden.
Fiktion und Wirklichkeit
Cowboy und Westernheld sind Kunstschöpfungen der Populärkultur, die nicht nachträglich, sondern im selben Moment erfunden wurden, als ihre Vorbilder im Westen das Land erkundeten. Der Stenograf des Revolverhelden Duke of Death in Erbarmungslos ist historische Realität. Der berühmte Kit Carson wurde von einem solchen Begleiter für die Groschenhefte der Ostküste zur Romanfigur aufgebaut. Eine reale Figur namens Deadwood Dick hat es nicht gegeben, aber als zunehmend Leser der Deadwood-Dick-Geschichten nach Deadwood zu pilgern begannen, nahm man dort die Produktion von Postkarten mit dem vermeintlichen Konterfei des Westerners auf. Eine geradezu einmalige Rolle in der Geschichte der Entwicklung der amerikanischen Populärkultur nimmt Buffalo Bill mit seinem Zirkus ein. Vor Publikum spielt er dort exakt die Abenteuer nach, die er kurz darauf, nachdem er hutschwenkend aus der Manege in die weite Prärie hinausgaloppiert ist, tatsächlich in der Realität erlebt – und umgekehrt – eine nie wiederkehrende Deckungsgleichheit von Fiktion und Realität. Bei seinem legendären "Rough Rider Congress" ist diese Verquickung ebenfalls nicht mehr zu entwirren. Übten die Cowboys ihre Revolver-, Lasso- und Pferdetricks nur, um in Buffalo Bills Show aufzutreten, oder war dies tatsächlich Bestandteil ihres täglichen Lebens im Wilden Westen? Buffalo Bills Wild West Show gastierte mit ihrem Programm auch in Europa und sorgte damit lange vor dem Film für eine weite Verbreitung des Wild-West-Mythos, und kann damit, zusammen mit den Dime and Nickel Novels der Ostküste aus dem Hause Beadle & Adams als Vorläufer des Western-Films angesehen werden.