Bei jeder natürlichen Tonerzeugung wird neben dem Grundton noch eine Vielzahl höherer Töne zum Schwingen angeregt. Man nennt diese Obertöne, Partialtöne, Teiltöne, die Folge dieser Töne heißt Obertonreihe. Die Gesamtheit aller Obertöne ergibt das Frequenzspektrum eines Tons.
Zu beachten ist, dass der Begriff 'Obertöne' die Grundfrequenz nicht mit einschließt. Der 1.Oberton ist daher bereits der 2.Teilton/Harmonische.
Die Frequenzen der Obertöne hängen von der Physik des jeweiligen Klangerzeugers ab, es sind seine Eigenfrequenzen. Es gibt Instrumente mit harmonischen und solche mit nichtharmonischen Obertonreihen.
Bei Instrumenten mit harmonischen Obertonreihen sind die Frequenzen der Obertöne ganzzahlige Vielfache der Frequenz des Grundtons. Hierzu gehören die Chordophonen (Saiteninstrumente) und die Aerophon mit schwingender Luftsäule. In diesem Fall nennt man die Obertöne auch Harmonische. Der 1.Oberton (2.Harmonische) hat die doppelte Frequenz des Grundtons, der 2.Oberton (3.Harmonische) die dreifache Frequenz, der 3.Oberton (4.Harmonische) die vierfache Frequenz usw.
Bei Instrumenten mit nichtharmonischen Obertonreihen stehen die Frequenzen der Teiltöne in komplizierten nicht ganzzahligen Verhältnissen zueinander. Die Obertöne der Membranophone mit runder Membran haben die Eigenfrequenzen einer Besselschen Differentialgleichung. Bei Idiophonen können sich je nach der Form des Klangkörpers ganz unterschiedliche Obertonreihen ergeben - bei den Stabspielen etwa sind es die Eigenfrequenzen der Biegeschwingung eines Balkens.
Höhere Obertöne sind bei natürlichen Tönen in der Regel leiser (pegelschwächer) als tiefere, da für ihre schnellere Schwingung mehr Energie verloren geht. Die spezifischen Pegel von Obertönen ermöglichen nicht nur die Unterscheidung von Instrumenten, etwa zwischen einer Klarinette und einer Violine oder Oboe, sondern auch von menschlichen Stimmen. Obertonspektren besitzen insbesondere bei natürlichen Tönen zudem Formantregionen.
Das Ohr nimmt eine Verdopplung der Frequenz als Oktave wahr. Dadurch liegen folgende Harmonische jeweils im Oktav-Abstand zueinander: 1 - 2 - 4 - 8 - 16 .... (Der Grundton ist hier mit 1, der erste Oberton mit 2 nummeriert, um die Zweierpotenzen zu verdeutlichen. Oberton = Harmonische - 1) Kombinationen aus den übrigen Obertönen erklingen jeweils als Intervall, welches um so konsonanter (also harmonischer und wohlklingender) ist, je kleiner die Nummer der beiden beteiligten Obertöne ist. Als experimentelle Bestätigung verwendete bereits Pythagoras den Monochord.
Unterschiedlich stark vertretene Obertöne sind auch der Grund, warum die Stimmen von verschiedenen Menschen unterschiedlich klingen. Durch die individuelle Größe und Form von Mund und Rachen werden in diesem Resonanzraum manche Frequenzen verstärkt, andere vermindert. Auch der unterschiedliche Klang von Vokalen kommt so zustande. Die Resonanzkurve, die diese Wirkung des Resonanzraums beschreibt, ist der Formant.
Im Allgemeinen klingen Töne umso "schärfer", je mehr Obertöne sie haben. Reine Töne ohne Obertöne können in der Natur (akustisch) nicht, sondern nur elektronisch als Sinusschwingungen erzeugt werden. Sie klingen extrem dumpf. Ein Beispiel ist der 1000-Hertz-Ton des Fernsehtestbilds, wobei der Lautsprecher jedoch schon wieder sein eigenes, allerdings geringes, Obertonspektrum hinzufügt.

Künstlich aus Sinustönen hergestellte Obertonspektren nennt man synthetische Klänge (siehe Klangsynthese, Synthesizer).
In der menschlichen Stimme schwingt, genau wie in den meisten klangerzeugenden physikalischen Systemen, naturgegeben ein komplexes Obertonspektrum mit. In der besonderen Gesangstechnik des Obertongesangs kann man diese hohen Frequenzen zum Dominieren bringen.
Auch im instrumentalen Bereich kann man Obertöne deutlich hörbar machen. Typische Instrumente hierfür sind z.B. Didgeridoo, Klangschalen usw. Auf dem Klavier kann man Obertöne hörbar machen, indem man die Tasten eines Akkords aus der Obertonreihe sanft niederdrückt, ohne dass die Hämmer die Saite berühren, und dann den Grundton im Bassbereich kurz anschlägt. Die Obertöne erzeugen nun eine Resonanz auf den ungedämpften Saiten der niedergedrückt gehaltenen Tasten, die man deutlich hören kann. Dies wird auch von Komponisten in ihren Werken verwendet (z. B. Béla Bartók: Mikrokosmos, Bd. IV).
Nach unten wird die Obertonreihe in Gedanken ergänzt durch die zu ihr symmetrische Untertonreihe, die durch Frequenzteilung entsteht. Darüber lässt sich trefflich philosophieren, weil es eine solche Untertonreihe in der Natur nicht gibt. Praktisch wurde sie bisher nur beim Trautonium umgesetzt.
Durchaus real ist dagegen «akustische Täuschung» des Residualtons. Das menschliche Gehirn ist in der Lage, zu einem gehörten Obertonspektrum den Grundton hinzuzufügen, wenn dieser nicht erklingt. So erkennt man im scheppernden Kofferradio die gespielte Tonhöhe eines Kontrabasses, obwohl die Frequenz von den kleinen Lautsprechern nicht wedergegeben werden kann - physikalisch demnach gar nicht existiert. Auch beim Telefonieren entsteht dieser Effekt: Der Grundton der menschlichen Stimme wird über das Telefon nicht übertragen, der Frequenzbereich der Stimmübertragung beginnt erst oberhalb. Aber das Gehirn addiert den Grundton dazu.
Siehe auch: Teiltonreihe, Intonation, Frequenzanalyse, Klangsynthese, Formant, Vokaldreieck, Flageolettton, Obertongesang