Hans Werner Henze (* 1. Juli 1926 in Gütersloh) ist ein deutscher Komponist.
Leben
Henze, ältestestes von sechs Kindern eines Schullehrers, zeigte früh Interesse für Kunst und Musik. Dieses und seine politische Einstellung führten zu Auseinandersetzungen mit seinem konservativen Vater. Trotzdem konnte er 1942 ein Studium an der Staatsmusikschule Braunschweig beginnen. 1944 musste er als Soldat am 2. Weltkrieg teilnehmen, wurde 1945 Korrepetitor am Staatstheater Bielefeld und konnte 1946 sein Studium bei Wolfgang Fortner in Heidelberg fortsetzen.
In seinen ersten Kompositionen setzte sich Henze mit der Zwölftontechnik auseinander, so in der ersten Sinfonie und dem ersten Violinkonzert (1947). 1948 wurde er musikalischer Mitarbeiter am Deutschen Theater Konstanz und seine erste Oper Das Wundertheater (nach Miguel Cervantes) entstand. 1950 wurde er Ballettdirigent am Hessischen Staatstheater in Wiesbaden, in diesen Jahren komponierte er neben zwei Rundfunkopern und dem ersten Klavierkonzert sein erstes bedeutendes Bühnenwerk, die Oper Boulevard Solitude (1951), eine moderne Version des Manon Lescaut-Stoffes.
Von Deutschland enttäuscht, siedelte er 1953 nach Italien über, das für sein weiteres Leben seine Heimat wurde. Zuerst wohnte er in Forio d'Ischia, seit 1961 dann in Marino bei Rom. Nach den umstrittenen Uraufführungen der Oper König Hirsch (1956) nach Carlo Gozzi und dem Ballett Maratona (1956) mit einem Libretto von Luchino Visconti begann die fruchtbare Zusammenarbeit mit der Dichterin Ingeborg Bachmann. Aus ihr gingen die Opern Der Prinz von Homburg (1958) nach Heinrich von Kleist und Der junge Lord (1964) nach Wilhelm Hauff sowie die Nachtstücke und Arien (1957) und die Chorfantasie (1964) hervor.
1962-67 leitete Henze eine Meisterklasse für Komposition am Mozarteum Salzburg und hatte 1967 eine Gastprofessur am Dartmouth College in New Hampshire. Einer seiner größten Erfolge wurde die Uraufführung der Oper Die Bassariden (1965) nach Euripides' Bacchanten bei den Salzburger Festspielen. Danach verstärkte Henze sein politisches Engagement, von dem nun auch seine folgenden Werke beeinflusst wurden. Dazu gehören das Oratorium Das Floß der Medusa, dessen Uraufführung 1968 in Hamburg mit Skandal und Demonstrationen scheiterte, die sechste Sinfonie (1969), das zweite Violinkonzert (1971) sowie das Stück für Sprecher und Kammersensemble El Cimarrón (1970). Es entstand während seiner Lehrtätigkeit 1969-70 in Havanna auf Kuba. Mit der Oper We Come to the River (Wir erreichen den Fluss) nach Edward Bond erreichte Henzes gesellschaftskritische Kunst 1976 ihren Höhepunkt.
Als erstes Festival zur Verbreitung neuer Musik gründete Henze den Cantiere d'Arte in Montepulciano, wo 1980 seine Kinderoper Pollicino uraufgeführt wurde. 1980-91 leitete er eine Kompositionsklasse an der Staatlichen Hochschule für Musik in Köln. Er gründete 1981 in Mürzzuschlag (Steiermark) die Mürztaler Musikwerkstätten, 1984 ebenfalls in der Steiermark das Deutschlandsberger Jugendmusikfest und schließlich 1988 die Münchener Biennale, ein Internationales Festival für neues Musiktheater, dessen künstlerischer Leiter er war. Seine eigenen Opern wurden wieder konventioneller, so Die englische Katze (1983), wieder nach Edward Bond, und Das verratene Meer (1990) nach einer Novelle von Yukio Mishima.
Doch auch in seinem Spätwerk prägen humanes und politisches Engagement weiterhin seine Kompositionen. Das sogenannte Requiem (1990), bestehend aus neun geistlichen Konzerten für Klavier, Trompete und Kammerorchester, schrieb Henze zum Andenken an den früh verstorbenen Musiker Michael Vyner; die neunte Sinfonie für gemischten Chor und Orchester (1997) mit Versen nach dem Roman Das siebte Kreuz von Anna Seghers ist eine Auseinandersetzung mit der dunkelsten deutschen Vergangenheit, unter der Henze selbst in seiner Kindheit und Jugend litt. Sein aktuellster Erfolg war 2003 die Uraufführung, erneut bei den Salzburger Festspielen, der Oper L'Upupa und der Triumph der Sohnesliebe nach einem syrischen Märchen.
Werke
- Opern
- Das Wundertheater (1948, UA 1949)
- Boulevard Solitude (1951, UA 1952)
- Ein Landarzt. Radiooper (1951/94; Bühnenversion 1964, UA 1965)
- Das Ende einer Welt. Radiooper (1953/93; Bühnenversion 1964, UA 1965)
- König Hirsch (1952-55, UA 1956; bearbeitet 1962 als Il re cervo, oder Die Irrfahrten der Wahrheit, UA 1963)
- Der Prinz von Homburg (1958, UA 1960; neu orchestriert 1991)
- Elegie für junge Liebende (1959-61, UA 1961; überarbeitet 1987)
- Die Bassariden (1964-65, UA 1966)
- Der junge Lord ((1964, UA 1965)
- Moralities (1967, UA 1968; bearbeitet 1970)
- La Cubana, oder Ein Leben für die Kunst (1973, UA 1974; Kammerversion La piccola Cubana 1990-91)
- We Come to the River (Wir erreichen den Fluss) (1974-76, UA 1976)
- Pollicino (1979-80, UA 1980)
- The English Cat (Die englische Katze) (1980-83, UA 1983; bearbeitet 1990)
- Das verratene Meer (1986-89, UA 1990)
- Venus und Adonis (1993-95, UA 1997)
- L'Upupa und der Triumph der Sohnesliebe (2000-03, UA 2003)