Diskussion:Orthodoxer Marxismus

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Alte Diskussion hierher kopiert (Versionsvergleich). --redtux 21:16, 17. Apr. 2009 (CEST)Beantworten

Beschäftige mich gelegentlich, seit ein paar Tagen erneut mit der Frage, was unter orthodoxem Marxismus zu verstehen ist, im Hinblick auf einen zukünftigen Artikel. Die Gegner von Marx und Engels haben den Marxismus bereits 1872 als "orthodoxe Doktrin" in einem abwertend-kritischen Sinn bezeichnet, vergleiche MEW Bd. 18, S.35. Schließlich wurde der Begriff von Kautsky um die Jahrhundertwende auch in positivem Sinne für seine eigene Richtung verwendet. Ob man in den Originalausgaben von Die Neue Zeit suchen muß, um die Entstehung dieses Begriffes genau nachvollziehen zu können?

Der englische en:Orthodox Marxism benutzt den Begriff einerseits zunächst synonym mit "Kautskyismus", erstreckt ihn andererseits bis auf Leninismus und Marxismus-Leninismus, und jegliche "dogmatische" Spielart. Nach meiner Einschätzung betreibt der englische Wikipedia-Artikel mit diesem expandierenden Begriff Theoriefindung. Günstig wäre also eine kompetente sozialwissenschaftliche Quelle für den Begriff des orthodoxen Marxismus.

--Rosenkohl 09:58, 15. Apr. 2009 (CEST)Beantworten

werd mich um eine quelle bemühen – aus meiner sicht sind die „päpste“ bebel, kautsky, plechanow sowie deren im wesentlichen auf dem anti-dühring aufbauende „theoriefindungen“ relevant. eine direkte linie zumindest zu lenin ist hier auch für mich ersichtlich. ich würd mit dem begriff also die gängige marxismus-auffassung der SI um die jahrhunderwende (unter „theoretischer“ vorherrschaft des „zentrums“) verstehen. findet sich auch in rosdolskys „entstehungsgeschichte“ so wider – aber der ist halt in dem sinn kein wissenschafter. inhaltlich sag ich nur „diamat“, „histomat“, „wissoz“, „polök“ – das verbind ich mit dem begriff … auch die WP-artikel hier sind IMHO somit aus „orthodoxer“ perspektive geschrieben. bei marx selbst ließe sich solch eine einteilung wohl kaum nachweisen. :) --redtux 12:36, 15. Apr. 2009 (CEST)Beantworten

Habe nochmal genau hingeguckt, Kautsky hat das Wort "orthodox" anscheinend grundsätzlich in Anführungszeichen gesetzt, für ihn war das Konzept somit anscheinend stets ein Blick von außen, z.B. durch die bürgerliche Presse.

Rosdolsky würde ich diesbezüglich schon als wissenschaftliche Autorität sehen. Eine erste neomarxistische Kritik an der Orthodoxie stammt aus den 1920er Jahren von Georg Lukacs (das Kapitel "Was ist orthodoxer Marxismus" aus Geschichte und Klassenbewußtsein (1923) und Karl Korsch. Nicht schlecht dazu finde ich dazu inzwischen die Darstellung in Modelle der Materialistischen Dialektik (1978) vielleicht kann man das schon für den Artikel verwenden, obwohl es nur eine "Tertiärquelle" ist. Eine Sekundärquelle wäre demnach das Buch von Korsch Die materialistische Geschichtsauffassung. Eine Auseinandersetzung mit Karl Kautsky (1929), wiederveröffentlicht in E.Gerlach (Hrsg.): Die materialistische Geschichtsauffassung und andere Schriften, Frankfurt/Köln 1974 (1971), eine Kritik von Kautskys zwei Jahre zuvor erschienenem Spätwerk.

Korsch und Lukacs liefern natürlich keine philologischen Untersuchungen zur Begrifsgeschichte. Aus Korschs Aufsatz Marxism and Philosophy (1923, ursprünglich wohl deutsch) geht aber hervor, daß bis zum Beginn des ersten Weltkrieges Renner, Kautsky und Lenin alle als orthodoxe Marxisten betrachtet, zu welchem Zeitpunkt der (?, jedenfalls der "rein theoretische") orthodoxe Marxismus zusammenbrach und zerfiel. Eine Frage wäre also, ob für die Zeit nach 1914 in der Wissenschaft noch von orthodoxem Marxismus gesprochen wird.

Gruß, --Rosenkohl 22:39, 15. Apr. 2009 (CEST)Beantworten

hab heut wie gesagt in der bibliothek bissi recherchiert. mehr dazu auf Diskussion:Orthodoxer Marxismus … ;) --redtux 21:11, 17. Apr. 2009 (CEST)Beantworten

Quellen

Hallo allerseits!

Erstmals Gratulation an Rosenkohl zum Artikel! Unter Benutzer:RedTux/Werkstatt/Strömungen wollt ich mich auch mal näher mit der Frage der „Orthodoxie“ beschäftigen – find’s gut, dass es dazu jetzt einen eigenen Artikel gibt! Ich war heut in der Österreichischen Nationalbibliothek und hab dort bissi in den vorhandenen Lexika herum gestöbert. Im HWPh steht, dass der Begriff Marxismus in Russland erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts gebräuchlich war. Nicht nur alle gängigen Lexika, sondern auch der „Papst“ Plechanow meideten den Begriff. Unter „orthodox“ steht im HWPh auch, dass es sich um einen abwertenden Begriff handelt – gleichbedeutend mit „dogmatisch“ (s. Disk. oben). Als Beispiel ist u.a. „orthodoxer Marxismus“ für eine starre Lehre angeführt. Die „legale Marxisten“ warfen Plechanow & Co. laut HWPh vor, marxscher als Marx und extrem ökonomisch-deterministisch zu sein. Bei Rosdolsky finden sich ähnliche Aussagen. Um exakte Belege werde ich mich in der kommenden Woche bemühen.

Zu meinen Änderungen und Rosenkohls Rückänderungen: Also ich hatte den Eindruck, dass es dem Artikel insgesamt an Quellen mangelt, weshalb ich mir selber (vorerst) auch nicht die Mühe der Recherche gemacht habe. Althusser, Sartre, Adorno, Rosdolsky, Heinrich, Kurz u.v.a. kritisieren die Ansicht, dass es eine allgemeine Naturdialektik gäbe, deren Gesetze sich 1:1 auf Ereignisse in Gesellschaft und Ökonomie übertragen lassen. Ich bin so dreist, mal folgendes zu unterstellen *zwinker*: Wär es dir (Rosenkohl) tatsächlich bloß um die „viele“ gegangen, hättest du den Satz ja umändern können. Z.B.: Eine solche Auffassung bei Marx konnte von der Forschung bislang nicht belegt werden (klar, auch hier gilt natürlich – wie bei jeder Behauptung in einem wissenschaftlichen Kontext: quod erat demonstrandum). Schließlich wird die von mir angeführte Kritik sogar im Artikel zu Marxismus gestreift und der Artikel dialektische Darstellungsmethode macht (trotz Mängel – die es ja bei all unseren Artikeln gibt *smile*) klar, dass es sich bei der „Anwendung des dialektischen Materialismus (sic!) auf den historischen Materialismus“ nicht um die Marxsche Methode handelt. Wir sollten also nicht den Fehler machen, verbreitete Vorurteile zu reproduzieren. ;)

Übrigens ist es tatsächlich ein Streitpunkt, ob die Ansichten Lenins sowie auch jene von Leo Trotzki unter dem Terminus „orthodoxer Marxismus“ subsumiert werden können. Das HWPh z.B. tut das nicht, sondern spricht in diesem Zusammenhang von Ergänzungen. Dennoch denk ich, dass die Formulierung dem Sprachgebrauch („common sense“) entspricht, der unter „orthodoxem Marxismus“ eher „Sowjetmarxismus“ versteht als z.B. Austromarxismus oder Zentrismus. Derartige Sachverhalte sollten im Artikel natürlich kritisch dargelegt werden. Ich werd mich bemühen, die wichtigen Punkte im HWPh nächste Woche zusammenzufassen.

LG
redtux 22:06, 17. Apr. 2009 (CEST)Beantworten