Reform der deutschen Rechtschreibung von 1996
Die Neutralität dieses Beitrags ist umstritten.
Die Rechtschreibreform ist eine 1996 von den zuständigen Stellen der mehrheitlich deutschsprachigen Staaten Deutschland, Österreich und Schweiz unterzeichnete, zwischenstaatliche Erklärung über die Neuregelung der deutschen Rechtschreibung (Orthographie). Vertragspartner für Deutschland ist die Kultusministerkonferenz. Seit dem 1. August 1998 ist die neue Rechtschreibung in Kraft. Bis zum 31. Juli 2005 besteht eine Übergangsfrist. Während dieser Frist sollen in Schulen Schreibweisen, die nach der "alten" Rechtschreibung, nicht aber nach der neuen Rechtschreibung zulässig sind, zwar angestrichen, aber nicht als Fehler gewertet werden. Nach Ende der Übergangsfrist ist die Neue Rechtschreibung für den amtlichen Gebrauch – und wohlgemerkt: nur dort – verbindlich vorgeschrieben.
Die Rechtschreibreform verfolgte das generelle Ziel, die Rechtschreibung zu vereinfachen und leichter erlernbar zu machen. Dazu wurden einige komplexe Regeln zu bestimmten Grundmustern und Grundregeln abgebaut, andererseits in einigen Bereichen (zum Beispiel Silbentrennung und Kommasetzung) den Schreibern und Schreiberinnen zusätzliche Freiheiten eingeräumt. Das wesentliche Element der Reform ist eine Anlehnung der Schreibweisen an den tatsächlichen oder aber auch vermeintlichen Wortstamm und der Phonetik (Laut-Buchstabenzuordnung, z.B. "Karamell" statt "Karamel"), insbesondere wird das "ß" nach kurzem Vokal durch "ss" ersetzt ("Schloss" statt "Schloß", "Fluss" statt "Fluß", jedoch unverändert: "Schoß", "Fuß" usw.). Die Etymologie eines Wortes spielt dabei eine untergeordnete Rolle (so heißt es "nummerieren", abgeleitet von "Nummer", statt "numerieren", obgleich es ursprünglich vom lateinischen "numerus" abgeleitet wurde).
Obwohl in weiten Kreisen akzeptiert, bleibt die Rechtschreibreform weiterhin umstritten. Einige Kritiker merken an, dass sie an vielen Stellen zu "unschönen" Schreibungen und einer Zunahme von Rechtschreibfehlern führe (z.B. "mit süssen Grüssen" statt "mit süßen Grüßen"). Dem steht die Meinung entgegen, dass sich eine Sprache weiter entwickelt, sie dürfe nicht an alten "Schönheitsidealen" festhalten. Des weiteren seien die neuen Regelungen einfacher, gerade in Bezug auf "s" und "ß".
Der weitaus überwiegende Teil Bevölkerung sowie ein geringer Teil der Medien schreiben weiterhin in der konventionellen Rechtschreibung bzw. sind zur konventionellen Rechtschreibung zurückgekehrt, darunter die FAZ, die Jüdische Allgemeine, Forschung & Lehre, Eulenspiegel, Titanic oder konkret. Ein Teil hat die Reform im Grundsatz akzeptiert und schreibt mehr oder weniger nach den Regeln der neuen Rechtschreibung, darunter der Spiegel, die Zeit, der Stern, die c't, die meisten Tageszeitungen und Presseagenturen wie dpa und reuters. Bei den Buchverlagen richtet sich die Umsetzung der Rechtschreibreform stark nach dem jeweiligen Segment und ist daher oft auch innerhalb eines Verlages uneinheitlich: Schulbücher, Kinder- und Jugendbücher sowie Sachbücher folgen überwiegend der neuen Rechtschreibung, bei deutschsprachigen Romanen richten sich die Verlage in der Regel nach den Wünschen der Autoren. Bei Übersetzungen fremdsprachlicher Belletristik wird ähnlich verfahren.
Klassische Werke der Literatur werden häufig unverändert in der alten Rechtschreibung gedruckt, abweichend davon werden aber Klassiker, die für den Schulgebrauch gedacht sind, wie zum Beispiel die bekannten "Reclam-Heftchen" durchaus an die neue Rechtschreibung angepasst. Insgesamt erscheinen nach einer Umfrage des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels 80 Prozent aller neu verlegten Bücher in neuer Rechtschreibung. Die meisten Druckmedien folgen der Rechtschreibreform jedoch nicht uneingeschränkt, sondern verwenden ihre eigene Hausrechtschreibung. In den reformierten Hausrechtschreibungen wird insbesondere die von der Rechtschreibreform vorgeschlagene ß-ss-Regel akzeptiert.
Kritiker werfen der Kultusministerkonferenz vor, dass die Zusammensetzung der Kommission der Sache nicht dienlich gewesen sei, indem ihr zahlreiche Fachleute angehörten, die in ihrem Fach für isolierte und ungewöhnliche Meinungen bekannt sind. Anfang 2003 wurde in der Süddeutschen Zeitung darauf hingewiesen, dass einige Mitglieder der Kommission ein wirtschaftliches Interesse an der Rechtschreibreform hatten. Zudem habe sich die Politik zu einem Schnellschuss hinreißen lassen, weil der Bertelsmann-Verlag bereits dadurch Tatsachen geschaffen hatte, dass er bereits vor der Unterzeichnung des Wiener Abkommens die Auflage fertig gedruckt hatte. Außerdem habe die Politik die Zusage gebrochen, dass die Reform zurückgenommen werde, sobald in einem Bundesland die Rechtschreibreform per Volksentscheid gekippt würde.
Da neuere Ausgaben des Duden der neuen Rechtschreibung folgen, gibt es momentan kein Standard-Nachschlagewerk der traditionellen deutschen Rechtschreibung mehr. Theodor Ickler versucht, diese Lücke mit seinem Rechtschreibwörterbuch zu füllen. Allerdings existiert ein reger Gebrauchthandel mit alten Duden.
Im Januar 2004 kündigte Bundesbildungsminsterin Edelgard Bulmahn an, die alleinige Entscheidung über die deutsche Rechtschreibung an die sog. Zwischenstaatliche Kommission zu übertragen. Allein Entscheidungen in dem Ausmaß wie die konsequente Kleinschreibung sollten noch bei der Kultusministerkonferenz verbleiben. Die Ankündigung stieß bei den Gegnern der Rechtschreibreform auf heftige Kritik. Insbesondere sei ein solches Vorgehen nicht mit dem Demokratieprinzip vereinbar. Die Kultusministerkonferenz distanzierte sich daraufhin von Bulmahns Vorstoß.
Weblinks
- http://www.ids-mannheim.de/reform/inhalt.html – Amtliche Regelung zur deutschen Rechtschreibung
- – Informationen vom Duden-Verlag und Crash-Kurs zum leichten Erlernen der neuen Rechtschreibung
- http://www.rechtschreibreform.com/ – Kritische Seite zur Rechtschreibreform
- http://www.vrs-ev.de/demoskop.php &8211; Demoskopische Untersuchungen zur Akzeptanz der Rechtschreibreform