Tabula rasa

Metapher, die einen vollständigen Neubeginn beschreibt
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Tabula rasa (lat. wörtlich Abgeschabte Schreibtafel) bedeutet eigentlich: unbeschriebene Tafel (auch: unbeschriebenes Blatt, leere Tafel).

Hiermit wurde im übertragenen Sinne die Seele (als vermeintlicher Ort der Erkenntnis der Menschen) in ihrem ursprünglichen Zustand, d.h. bevor sie Eindrücke von der Außenwelt empfing, bezeichnet.

Im konkreten Sinne war tabula rasa in der Antike eine wachsüberzogene Schreibtafel, auf der nach dem Beschreiben die Schrift wieder vollständig entfernt werden konnte.

Verwendung in der Antike

Der Vergleich der Seele mit der beschreibbaren Wachstafel stammt von Platon (in: Theätet). Auch bei Aristoteles (in: Über die Seele, III) findet man einen Vergleich zwischen der Seele und einer Wachstafel. Auch bei den Stoikern (Stoa) wird dieser Gedanke verwendet.

Verwendung im Mittelalter

Im Mittelalter wird dieser Gedanke von mehreren Philosophen aufgegriffen, so von Albertus Magnus, Francis Mercurius van Helmont, Pierre Gassendi, Thomas Hobbes und vor allem bei John Locke (in: J. Locke, Über den menschlichen Verstand, II, 1690).

Die Konstruktion bei John Locke

Locke verwendet diese Vorstellung als Metapher für die menschliche Seele bei der Geburt ("ein unbeschriebenes Blatt") eines Kindes. Diese wird im Verlauf des Lebens durch die Erfahrung geprägt.

Lockes materialistischer Sensualismus nutzte diese These gegen die Lehre von den angeborenen Ideen (ideae innatae), wobei er konkret an die idealistischen Philosophen der Cambridger Schule (H. More, Ralp Cudworth), aber auch an Herbert von Cherbury sowie Descartes und seine Anhänger wie überhaupt an die von Platon und der Stoa beeinflussten Philosophen dachte, die das Vorhandensein angeborener Begriffe und Prinzipien mit Nachdruck vertreten hatten.

Vor allem Grundbegriffe der Mathematik und Logik wurden als angeborene Ideen betrachtet.

Mit seinen Auffassungen vertiefte Locke den materialistischen Empirismus von Francis Bacon (Philosoph). Sie übten auf die philosophische Entwicklung des 18. Jahrhunderts und 19. Jahrhunderts einen bedeutenden Einfluss aus.

Da aber die vornehmlich materialistischen Anschauungen Lockes sehr widersprüchliche Momente in sich bargen, konnten so verschiedene Philosophen wie George Berkeley und Denis Diderot an seinen Sensualismus anknüpfen.

Zur Kritik der Vorstellung von der "tabula rasa"

Diese Annahmen bei Locke widersprechen der etwa von Immanuel Kant vertretenen Auffassung, gewisse Vorstellungen, wie die Vorstellung des euklidischen Raumes oder die des Gottesbegriffes, seien dem Menschen angeboren. Die Vorstellung der tabula rasa steht auch im starken Gegensatz zur der Auffassung, dass ein Teil, wenn nicht gar das ganze Bewusstsein durch das Erbgut bestimmt wird.

In der Neuzeit hat Sigmund Freud diesen Begriff in seiner Abhandlung "Notiz über den Wunderblock" (1925) verwendet.