Koinzidenzmessung

Begriff
Der Begriff Koinzidenz kommt aus der lateinischen Sprache und bedeutet allgemein das Zusammentreffen von Ereignissen innerhalb einer bestimmten, vorgegebenen Zeitspanne. In der Impuls- und Kerntechnik kommt dieses Prinzip in einer Schaltung mit mindestens zwei Eingängen zur Anwendung, bei der nur beim gleichzeitigen Anliegen eines Impulses an allen Eingängen ein Ausgangssignal entsteht. Insbesondere lassen sich aus Winkelkorrelationen bei Streuexperimenten Aussagen über die beteiligten Energien und Drehimpulse machen.
Erste Anwendung
Jean Jaques d’Ortous de Mairan (1678 – 1771) erfand die Koinzidenzmethode bei der Pendelmessung, die später von Borda verbessert wurde. Dabei werden die gemeinsamen Nulldurchgänge des Versuchspendels und des Pendels mit einer genauen Uhr abgezählt.
Versuchsbeschreibung
Walther Bothe und Hans Geiger wandten in der Atomphysik die Koinzidenzmessung an, um das bei dem Compton-Effekt gleichzeitig auftretende Rückstoßelektron und das gestreute Photon zu beweisen. Zu diesem Experiment, das Bothe und Geiger 1924/25 durchführten, lenkten sie ein schmales Bündel Röntgenstrahlen zwischen zwei Geiger-Müller-Zählrohre, die sich in einer Wasserstoffatmosphäre befanden. Wasserstoff absorbiert die Röntgenstrahlen nur schwach, streut sie dafür aber stark. Ein Zählrohr, das Zählrohr 1, blieb offen und dadurch mit Wasserstoff gefüllt. Das andere Zählrohr, das Zählrohr 2 war mit einer Platinfolie abgedeckt und der Innenraum war mit Luft gefüllt. Da die Platinfolie die Rückstoßelektronen absorbiert, sprach das luftgefüllte Zählrohr 2 nicht auf Elektronen an. Die Photonen durchdrangen die Folie und lösten dabei aus der Luft, den Wänden des Zählrohrs und der Folie selbst Photoelektronen, die durch das Zählrohr 2 registriert wurden. Das offenen Zählrohr 1, registrierte fast keine Photonen, da sie nur wenig vom Wasserstoff absorbiert werden. Die Rückstoßelektronen werden dagegen gemessen. Da das zweite Zählrohr nicht jedes ankommende Photon registriert, entspricht nicht jedem Ansprechen des mit dem ersten Zählrohr verbundenen Elektrometers ein Ausschlag des zweiten Elektrometers. Wenn jedoch eine Koinzidenz von Rückstoßelektron und Photon stattfindet, muss andererseits jedem Ausschlag des Photonenzählrohrs ein Ausschlag des Elektronenzählrohrs entsprechen. Bei diesem Versuch wurde keine vollständige Übereinstimmung gemessen, die statistische Auswertung ergab aber eine Anzahl von Koinzidenzen von 150.000 gegen 1, was beweist, dass diese Übereinstimmungen nicht zufällig sind, sondern die Gleichzeitigkeit von Streuung und Erzeugung eines Rückstoßelektrons nachweist.
Das Verdienst bei der Entwicklung der Koinzidenzmessung liegt darin, dass Bothe und Geiger eine elektronische Registrierung des Ansprechens der Zählrohre einsetzten und damit das anstrengende und visuelle Beobachten durch die Experimentatoren vermieden. Die Leistungsfähigkeit der Methode wird damit wesentlich gesteigert. Die Koinzidenzmessung entwickelte sich ganz allgemein zu einem wichtigen Untersuchungsprinzip bei der Erforschung der kosmischen Strahlen, in der Erforschung von Elementarteilchenprozessen und der Untersuchung des Compton-Effektes.
Weitere Entwicklung
1928 – 1929 wies Walther Bothe zusammen mit Werner Kolhörster mittels der Koinzidenzmethode den Kotpuskelcharakter der kosmischen Strahlung nach.
1954 erhielt Bothe für seine Arbeiten über die kosmische Strahlung mit dem Koinzidenzverfahren und über die Kernumwandlung zusammen mit Max Born den Nobelpreis für Physik.
Heute entwickelte sich die die Koinzidenzmessung zu einem wichtigen Untersuchungsmittel der kosmischen Strahlung und zur Untersuchung aller Arten von Kern- und Elementarteilchenprozessen. Die Auflösezeit der Elektronik von Bothe und Geiger lag bei etwa 1 ms, mit der modernen Elektronik können Zeiten unter 1 ns erreicht werden.
Literatur
- Eduard W.Schpolski Atomphysik 1993
- B.M.Jaworski, A.A.Detlaf Wörterbuch der Physik
- Emilio Segre Die großen Physiker und ihre Entdeckungen 1997)