Zivilgesellschaft oder Bürgergesellschaft (nicht zu verwechseln mit der "Bürgerlichen Gesellschaft") bezeichnet einen öffentlichen Raum zwischen staatlicher und privater Sphäre, der durch eine Vielzahl autonomer und vom Staat rechtlich getrennter Organisationen (z.B. Nichtregierungsorganisationens) und Initiativen gefüllt wird und der den Akteuren individuelle und kollektive Freiheiten (z.B. Versammlungsfreiheit oder Vereinsrecht) garantiert, die es ihnen ermöglichen, ihre Interessen zu verfolgen (nach Michael Bernhardt).
Dem Begriff liegt jedoch keine einheitliche Definition zugrunde, da er in Abhängigkeit der Staats- und Gesellschaftsform und Zeit in verschiedenen Wissenschaften benutzt wird:
- Politikwissenschaft: z.B. im Zusammenhang der Meinungsbildung, des Pluralismus und der Demokratisierung, bis hin zu alternativen Demokratieansätzen wie der partizipatorischen Demokratie,
- Soziologie: z.B. als deliberative Demokratie im Sinne von Jürgen Habermas,
- Sozialphilosophie: siehe Kommunitarismus.
In modernen demokratischen Gesellschaften wird "Zivilgesellschaft" im Sinne der Lehre der Dreigliedrigkeit (Trilektik) neben Staat, Wirtschaft (bzw. Markt) als 3. Sektor definiert und der Wert des bürgerschaftlichen Engagements hervorgehoben.
Begriffsgeschichte
Klassisch-griechische Philosophie
Bis zum 18. Jahrhundert wurde der Sprachgebrauch des Begriffs durch Aristoteles geprägt: bürgerliche Gesellschaft ist die wörtliche Übersetzung des griechischen 'politiké koionia', der später ins Lateinische ('societas civilis') übertragen wurde. Dieser Begriff galt als gelegentliche Bezeichnung für die 'Polis' als bürgerliche bzw. politische Gesellschaft. Aristoteles bezeichnet damit eine Gemeinschaft von Bürgern (die Polisbewohner: Frei Bürger, Hausherren), die zusammen das Gute tugendhaft verwirklichen. Der Begriff wird durch die häusliche Sphäre ('oikos') getrennt, in der die Sicherung der Grundbedürfnisse verortet wird.
Gramsci
Zivilgesellschaft wurde als Begriff auch von Antonio Gramsci geprägt. Er sah darin die Gesamtheit aller nichtstaatlichen Organisationen, die auf den Alltagsverstand und die öffentliche Meinung Einfluss haben. Hier finde die Auseinandersetzungen um Hegemonie statt.
Deutschland
Zur Rolle der Zivilgesellschaftt in Deutschland, siehe: Freiwilligensurvey: Repräsentativerhebung zu Ehrenamt, Freiwilligenarbeit und bürgerschaftlichem Engagement in Deutschland (1999, 2005)
Österreich
In Österreich wurde die Diskussion um den Begriff Bürgergesellschaft durch die Regierungsbildung (ÖVP/FPÖ) im Februar 2000, die mit einem politischen Rechtsruck einherging, neu belebt.
Literatur
- Henning Eichberg: The People of Democracy, Århus 2004, ISBN 87-7955-292-7
- Theo Votso:der Begriff der Zivilgesellschaft bei Antonio Gramsci ISBN 3886192814
- Dieter Gosewinkel, Dieter Rucht, Wolfgang van den Daele, Jürgen Kocka (Hrsg.): Zivilgesellschaft - national und transnational. Berlin, 2004. ISBN 3-89404-299-0
Weblinks
- http://www.buergergesellschaft.de/ - "Wegweiser Bürgergesellschaft", Stiftung Mitarbeit, Bonn
- Zivilgesellschaft und Revolution - Antonio Gramscis Definition eines Begriffs, der zum Modewort wurde
- Institut für Entwicklung und Frieden der Gerhard-Mercator-Universität Duisburg Zivilgesellschaft – eine vielschichtige Debatte
- Alain Touraine: Loblied auf die Zivilgesellschaft in Die Zeit Nr. 49, 1999
- Reinhard Markner: "Freiwillige Selbstbegrenzung. Die Utopie der Zivilgesellschaft" Das Argument 36 (1994)