Sebastian Kneipp

deutscher katholischer Geistlicher, Naturheilkundiger und Hydrotherapeut
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Sebastian Kneipp (* 17. Mai 1821 in Stephansried; † 17. Juni 1897 in Wörishofen) war ein bayerischer Priester und Hydrotherapeut. Er ist der Namensgeber der Wasserkur bzw. des Wassertretens und Begründer der Kneipp-Medizin.

Kneippkur im 19. Jahrhundert

Kneipp begründete einen ganzheitlichen Ansatz der Naturmedizin, der auf fünf Säulen ruht:

Die Hydrotherapie nutzt in vielfältiger Weise die Heilkraft des Wassers. Die bekanntesten Anwendungen sind Kneippgüsse und Wassertreten.

Die Ernährungstherapie stellt vielseitige Vollwertkost in den Vordergrund.

Die Bewegungstherapie aktiviert den Körper und die Organe. Dabei soll auf einengende Kleidung verzichtet werden. Als intensive Form der Bewegung und sanfte Abhärtungsmethode hat Kneipp das Barfußlaufen empfohlen.

Die Phytotherapie nutzt die Möglichkeiten der Heilpflanzen.

Mit Ordungstherapie hat Kneipp schließlich den Weg zu einer bewussten, die Gesundheit erhaltenden Lebensführung beschrieben.


Als Standardwerk von Sebastian Kneipp gilt sein Buch "Meine Wasserkur", dessen erste Auflage 1886 erschienen ist.

1889 eröffneten die Franziskanerinnen von Reute in Biberach an der Riß im Jordanbad die erste ärztlich geleitete Kneipp'sche Wasserheilanstalt Deutschlands. Nach diesem Vorbild haben sich viele weitere Kneippkurorte gebildet.

Das Leben und Wirken des Sebastian Kneipp

Eine umstrittene Persönlichkeit

„Wohltäter der Menschheit“ oder „größter Kurpfuscher und Betrüger“, so wurde Sebastian Kneipp von seinen Zeitgenossen genannt - je nachdem ob sie zu seinen Anhängern oder seinen Kritikern gehörten. Er war eine höchst umstrittene, polarisierende Persönlichkeit, an der sich die Geister schieden. Seiner Zeit war er voraus, war geradezu ein „Revolutionär“; denn das, was er tat, ließ sich mit den Sittenvorstellungen des 19. Jahrhunderts überhaupt nicht vereinbaren. Das Leben des Sebastian Kneipp war hart, er musste ständig gegen Widerstände, Anfeindungen und Verleumdungen kämpfen. Allen Widerständen zum Trotz fand seine Lehre immer mehr Anhänger. Seine Bücher wurden Bestseller, und die Kranken pilgerten zu Tausenden in das kleine Örtchen Wörishofen. Als er schon ein alter Mann war, wurde er fast wie ein Heiliger verehrt.

Das „Schlüsselerlebnis“

Sebastian Kneipp wurde am 17.05.1821 im schwäbischen Stephansried geboren. Sein Vater war Weber, er hatte zwei Halbschwestern und zwei leibliche Schwestern. Die Kindheit war vor allem geprägt durch bittere Armut. Trockenes Brot, alte Kartoffeln und Mehlsuppe – man war schon froh, wenn man wenigstens das hatte. Schon als kleiner Bub musste er mitarbeiten. Entweder beim Vater im dunklen, feuchten Keller von früh bis spät am Webstuhl stehen oder als Hirte des kleinen Dorfes Stephansried den ganzen Tag das Vieh hüten. Zu dieser Zeit hatte er sein erstes „Schlüsselerlebnis“, wie man es heute nennen würde. Denn eine der zu hütenden Kühe war auf unwegsamem Gelände ausgerutscht und humpelte. Zu allem Überfluss auch noch die Kuh des Bürgermeisters. Der kleine „Baschtl“ schwieg aus Furcht vor Bestrafung, machte aber die Beobachtung, wie diese Kuh sich in den Bach stellte und das verletzte Bein vom kalten Wasser umspülen ließ. Am nächsten Tag war er es, der die Kuh ins Wasser führte und ihr Bein begoss. Ihm fiel auf, dass das Tier ihn mit dankbaren Augen ansah. Schon am dritten Tag war die Kuh wieder putzmunter, humpelte nicht mehr, und zu „Baschtels“ Erleichterung hatte keiner etwas bemerkt.

„Flausen im Kopf“

Von 1827 bis 1833 besuchte Sebastian Kneipp die Dorfschule in Stephansried und von1833 bis 1839 die Sonn- und Feiertagsschule in Ottobeuren. Schon früh wusste der Junge, dass er mehr wollte: Er wollte „schtudiere“! Zu seiner Zeit war das allerdings unvorstellbar für einen Dorfjungen aus ärmsten Verhältnissen. Und nun begann sein erster Kampf. Natürlich fand er kein Gehör und schon mal gar kein Verständnis für seinen Wunsch, weder bei seiner Familie noch beim Dorflehrer. Der Bub hatte ja nur „Flausen im Kopf“. Aber Kneipp ließ sich dadurch nicht entmutigen. Da ihm keiner helfen wollte, musste er sich das Geld fürs Studium eben selbst verdienen! Er arbeitete hart, legte jeden verdienten Pfennig beiseite – zwei Jahre lang. Eine stattliche Summe hatte er so zusammengetragen, und er sah sich schon fast am Ziel. Doch dann brach ein Feuer aus, das sein Elternhaus bis auf die Grundmauern niederbrannte – und mit dem Haus verbrannten die gesamten Ersparnisse. Das war ein harter Rückschlag für den jungen Mann.

Ein Traum wird wahr

Genau zu dieser Zeit war es aber auch, dass Kneipp zum ersten Mal jemanden traf, der ihn wegen seines Wunsches zu studieren nicht für verrückt erklärte. Nachdem seine Ersparnisse verbrannt waren, war er nämlich so verzweifelt, dass er einfach von zuhause fortging. Er fand eine Anstellung als Knecht beim Bauern Stahl in Grönenbach. Der Pfarrer Dr. Merkle aus Grönenbach war es, der dem jungen Mann Mut machte, der ihn förderte und unterstützte. Er unterrichtete Kneipp in Latein und bereitete ihn für die Aufnahme ins Gymnasium vor. Als er 1844 in das Gymnasium zu Dillingen aufgenommen wurde, war er bereits acht Jahre älter als seine Mitschüler. Im Jahre 1848 begann er sein Studium der Theologie und war zu diesem Zeitpunkt schon 27 Jahre alt, aber er hatte den ersten großen Sieg seines Lebens errungen: Sebastian Kneipp hatte seinen Traum vom Studieren wahr gemacht.

Selbstversuche

Doch war sein Leben hart und von Widerständen geprägt. Und so ließ das nächste Hindernis nicht lange auf sich warten. Kneipp erkrankte an der „Schwindsucht“ und wurde von seinem behandelnden Arzt praktisch aufgegeben. Man könne nichts mehr für ihn tun, meinte dieser. Kneipp dachte schon daran, Dr. Merkle um den „letzten Beistand“ zu bitten, als ihm zufällig das Buch „Unterricht von der Heilkraft des frischen Wassers“ von Dr. Johann Siegmund Hahn in der Bearbeitung von Professor Oertel in die Hände fiel. Kneipp hatte den großen Wunsch, Priester zu werden, und dieser Wunsch gab ihm die Kraft, gegen die Krankheit zu kämpfen. Er begann mit der Selbstbehandlung in Form von drei kalten Waschungen täglich und trank 2-3 Liter frisches Wasser pro Tag. Er tat das, obwohl er selbst nicht mehr an eine Heilung glaubte. Eines Tages, im November des Jahres 1849, war seine Verzweiflung so groß, dass er sich mitten in die eiskalte Donau setzte. Natürlich heimlich, natürlich nachts – denn öffentlich hätte man so etwas zu seiner Zeit nicht tun können. Weil er beim ersten Mal sein Handtuch vergessen hatte, schlüpfte er anschließend durchnässt in seine Kleider, was er sich künftig zur Gewohnheit machen wird. Schon nach dem dritten nächtlichen Bad in der Donau trat Besserung ein. Seine vollständige Genesung mag ihm und seinen Zeitgenossen wie ein Wunder vorgekommen sein.

Heimlich in der Nacht

Im darauffolgenden Jahr 1850 erhielt er einen Freiplatz am Georgianum in München und setzte dort sein Studium fort. Seine täglichen Wasseranwendungen waren inzwischen zum festen Bestandteil seines Lebens geworden. Aber wie sollte er sie ausführen? In München fand er keine Möglichkeit, heimlich und unbemerkt in die Isar zu steigen. Freibäder gab es noch nicht, denn ein öffentliches Baden war zu jener Zeit absolut unvorstellbar. Da sah er zufällig den Gärtner, der mit dem Gießen der Blumen beschäftigt war, und das brachte ihn auf eine Idee. Abends vor dem Schlafengehen stellte er sich die gefüllte Gießkanne im Innenhof bereit. Und dann, mitten in der Nacht, wenn alles schlief, kletterte Kneipp zum Fenster hinaus und machte seine Anwendungen. Auch sonst beschäftigte er sich weiter mit dem Thema, las Bücher, besuchte den „Verein der Wasserfreunde“ und hörte dort erstmals etwas über Umschläge und Wickel, von diätetischer Lebensweise bei bestimmten Erkrankungen und von den Herren Prießnitz und Gräfenberg, die schon seit 30 Jahren mit Wasser kurierten. Es kam das Jahr 1852, und vor der Weihe zum Priester stand eine medizinische Untersuchung an. Der untersuchende Arzt Dr. Horner bescheinigte: „Er ist kerngesund!“ Doch sein Mitstudent Langmeyer bekam kein ärztliches Attest und wurde somit nicht zur Priesterweihe zugelassen. Kneipp hatte Mitleid mit ihm, wollte ihm helfen und behandelte ihn heimlich nachts im Garten mit seiner Gießkanne. Und wieder geschah das „Wunder“: Langmeyer wurde wieder völlig gesund und konnte Priester werden.

Der „Kurpfuscher“

Doch inzwischen war das Geheimnis der nächtlichen Aktionen durchgesickert und man begann, über diesen seltsamen Kneipp zu tuscheln. Das führte aber auch dazu, dass auch andere Studenten sich nun hilfesuchend an ihn wandten. Er wollte sie nicht behandeln, aber seine Freunde drängten ihn, weiterzumachen. Und so kam es schon im Februar 1853 - Kneipp war inzwischen zum Priester geweiht und als Kaplan in einem Ort namens Boos angestellt – zur ersten Denunziation. Er wurde wegen „Kurpfuscherei“ angezeigt. Zwar erhielt er eine Strafe über zwei Gulden wegen „Vergehens gegen das Kurierverbot“, gleichzeitig stellte er aber auch dem Richter am Landgericht Babenhausen, der das Urteil über ihn verhängte, eine Kuranweisung gegen die Gicht aus – und hatte fortan einen neuen Anhänger. Das „Corpus delicti“ der Verhandlung, die Kuranweisung für Columba Haas aus Boos, ist bis heute das älteste noch erhaltene Dokument dieser Art. Nach der spektakulären Heilung der Magdalene Albrecht aus Boos ging erstmals das Gerücht vom „wundertätigen“ Kaplan um.





Siehe auch: Humoralpathologie, KneippÄRZTEbund, Kneippkur