Tunceli - ehemals Dersim (kurd. „Silberne Tür“) genannt - ist die bevölkerungsmässig kleinste Provinz der Türkei. Ihre Hauptstadt trägt ebenfalls den Namen Tunceli.
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Amtssprache | Türkisch | ||
Weitere Sprachen | Zazaki, Kurmanci | ||
Hauptstadt | Tunceli | ||
Fläche | 7.774 km² | ||
Kfz-Kennzeichen |
62 | ||
Die Türken hatten nie Dersim unter ihrer Kontrolle. Im Osmanischen Reich besass es immer eine gewisse Autonomie, deshalb war es der im Gegensatz zum Osmanischen Reich nationalistisch gerichteten jungen Türkei ein Dorn im Auge. Man erklärte Dersim zu einer Evakuierungszone, obwohl es an den ersten kurdischen Aufständen nicht teilnahm. Der Grund war wahrscheinlich, dass die sehr toleranten Dersimer den bedrohten Völkern unter anderem Armeniern Unterschlupf boten und den Assimilierungs- sowie Islamisierungsprozess der Türkei strengstens ablehnten. Damals war Dersim die Hoffnung für unterdrückte Kulturen in Mesopotamien. Die türkische Armee zwang die Bevölkerung Dersims darauf zur Auswanderung, doch die Dorfbewohner leisteten 1937 dagegen grossen Widerstand. Nach der blutigen Niederschlagung des Aufstands im Jahr 1938 wurde das schwer zugängliche Territorium schliesslich von den Türken unter dem General Abdullah Alpdogan erobert und in Tunceli (türk. "Land der Bronze") umbenannt.
Geografie
Das gebirgige Gebiet in Ost-Anatolien liegt zwischen den beiden Oberläufen des Euphrat am Treffpunkt des anatolischen Hochlands und der Berge des Schwarzen Meeres. Der Fluss Pere im Osten und der 3.250 m hohe Berg Munzur (das Wahrzeichen von Tunceli) im Norden teilen das Land. Die höchsten Stellen der zahlreichen Berge sind bis zu 3.600 m gross und sind sogar im Sommer mit Schnee bedeckt, viele davon, besonders ihre Fussregionen, sind dicht bewaldet.
Die Hauptstadt befindet sich genau dort, wo der Harcik-Fluss in den Munzur-Fluss mündet. Der sehr saubere Munzur versorgt die Menschen mit Wasser, in dem Fluss leben mehrere Arten von Fischen.
Seit Jahren arbeitet die türkische Regierung daran, acht Staudämme in Tunceli zu errichten und so die wundervolle Umgebung zu zerstören. Hierbei zählen keine ökonomische, sondern eindeutig nur politische Gründe, denn die Staudämme haben weder für die Region noch für die türkische Wirtschaft einen nennenswerten Nutzen.
Unter den Bezirken sind Cemisgezek, Ovacik, Pülümür, Hozat, Nazmiye, Pertek, Mazgirt und das mit der Provinz gleichnamige Tunceli, in dessen Zentrum auch die Hauptstadt ist.
Bevölkerung
Die Provinz hatte im Jahr 2000 ungefähr 86.000 Einwohner, derzeit (Stand 2004) leben nur noch rund 24.000 Menschen in Tunceli, da viele vom türkischen Militär vertrieben worden sind. Die meisten wohnen in Dörfern, viele sind aber in Kleinstädte umgezogen.
Die Bevölkerung besteht hauptsächlich aus Zazas, die zu den Kurden zählen, aber von vielen als eigenständiges Volk angesehen werden, in Tunceli ist die gängige Bezeichnung für diese Ethnie "Kirmanck". Auch gibt es Kurmanci-Sprecher, die ebenfalls zu den Kurden gehören und eine kleine Minderheit in Tunceli ausmachen. Die Einheimischen nennen sich mehrheitlich Aleviten. Da Tunceli im Osmanischen Reich eine Autonomie bewahrte und die Dersimer sich von den anderen Kurden sprachlich sowie religiös unterscheiden, hat sich ein starkes regionales Bewusstsein entwickelt.
Viele ehemalige Bewohner von Tunceli leben heute in Deutschland, davon allein fast 10.000 in Köln und unmittelbarer Umgebung. Mit ihren in Köln geborenen Kindern dürfte die Zahl dieser vertriebenen Bevölkerung auf etwa 20.000 bis 30.000 zu zählen sein. Auch gibt es eine grössere Anzahl ehemaliger Bewohner in Österreich.
Kultur
Fast alle (99%) in Tunceli sind Alevitischen Glaubens, das islamische Recht Scharia wird nicht anerkannt. Die vorislamischen Praktiken haben grossen Einfluss auf die Sitten genommen, und das lokale Gewohnheitsrecht (Adat) besitzt eine viel stärkere Bedeutung als wo anders. Die Schriftkunde hat einen eher geringen Anteil. Bemerkenswert ist, dass es auch eine Religiosität abseits vom Islam gibt, hierbei glauben die Menschen an wichtige Naturelemente wie Feuer, Wasser und Erde. Ausserdem gibt es auch Orte wie Munzur Bava und Sultan Bava, die heilig für die Bevölkerung sind.
Das Volk glaubt daran, auch wenn es wissenschaftlich eher unmöglich ist, dass der Munzur-Fluss dadurch entstanden ist als der mit Milch gefüllte Topf von Munzur Bava ("Vater von Munzur") während seiner Flucht zerbrach. Der Milch verbreitete sich daraufhin im ganzen Land und entwickelte sich zu einem Fluss, dem Munzur-Fluss. Eine andere Sage erzählt, dass der Munzur-Fluss auftauchte, nachdem Munzur Bava mit einem Stock auf den Boden prallte und aus der Erde dann grosse Wassermengen ausbrachen.
Wie alle anderen iranischen Völker feiern die Dersimer im Frühling am 21. März Newroz, was soviel wie "Neuer Tag" heisst, es steht als Symbol des Widerstandes. Laut der Legende regierte Dehak, ein brutaler Tyrann, das Land der Iranier, der durch die Ermordung des früheren Herrschers Camschid die Macht ergriff. Eines Tages wuchsen ihm zwei Schlangen aus seinen Schultern. Wann immer die Schlangen hungrig wurden, hatte Dehak grosse Schmerzen. So bekam er irgendwann von einem Weisen den Rat, dass er den Schlangen regelmässig das Gehirn zweier junger Menschen zum Füttern geben solle, durch deren Verzehr würden die Schlangen dann sterben und die Qual beendet sein. Am Ende wussten sich die Unterdrückten durch einen geschickten Plan zu befreien.
Bei den Kurden und mit ihnen eng verwandten Ethnien spielt das Feuer eine sehr grosse Rolle, da es die Sehnsucht dieser unterjochten Völker nach Freiheit verkörpert, darum wird jedes Jahr bei den Newroz-Feiern eine Flamme entzündet.
Sehenswertes
Hier ist eine Liste von den Sehenswürdigkeiten in Tunceli.
Kulturzentren in Hozat
- Ein Saal für Theater- und Konferenzaktivitäten etc. in dem 120 Personen reinpassen
- Eine Bibliothek von 90 m² Grösse
- Ein Ausstellungssaal von 42 m² Grösse
- Ein Museum von 80 m² Grösse
- Zwei Kunstateliers
Interessante Plätze
- Der Munzur-Tal -Nationalpark
- Die Burge von Pertek und Mazgirt
- Die Kirchen von Ulukale und Korluca (früher Tilköy)
- Die Moscheen von Elti Hatun, Yelmaniye, Ulukale und Sağman, Yukarıcami (die Baysungur- Moschee) und Aşağıcami (die Çelebi Ali-Moschee)
- Die Brücken von Çemişkezek und Sivdi
- Hamam-ı Atik (altes Badehaus)
- Die Mausoleen von Ferruh Şad Bey, Uzun Hasan und Çoban Baba
- Die Brunnen von Ulukale Meydan
Geschichte
Einst gehörte Tunceli zum medischen Grossreich, in der Geschichte hatte Tunceli neben Dersim auch die Bezeichnungen Mameki und Kalan. Es gab verschiedene Völker, z.B. die christlichen Armenier, die viele Zeugnisse, darunter Denkmäler, in Tunceli hinterlassen haben. Das nur in Tunceli heimische Gaxan-Fest, so vermutet man, wurde von den Armeniern an die heutige iranische Bevölkerung vererbt. Es beginnt Ende Dezember und dauert bis Anfang Januar, in dieser Zeit fasten die Gläubigen mindestens drei Tage lang, aber sind dabei nicht so streng wie die Sunniten. Gaxan ist ein Fest zum Jahreswechsel, andere Aleviten in der Türkei kennen weder so einen Begriff noch eine vergleichbare Fastenzeit.
Dersimaufstand
1938 und auch 1937 war für Dersim ein Schicksaljahr. In diesem Jahr brach der größte und letzte Aufstand los, der mit großen Massakern und Deportationen endete. Die Zeit nach der Ausrufung der türkischen Republik 1923 bedeutete eine unruhige Zeit. Die Kurden forderten die Rechte, die Atatürk ihnen versprach und nicht einhielt. So kam es zu Aufständen, von denen zwei in Bezug auf Dersim wichtig waren, nämlich der Aufstand von Kocgiri 1920 und der Scheich Said Aufstand 1925. Beide Aufstände spielten in unmittelbarer Nähe von Dersim und Stämme aus Dersim unterstützen materiell diese Aufstände. Nach Niederschlagung der Aufstände, war der Regierung in Ankara klar, dass Dersim stets ein Unruheherd bleiben wird. So trafen die Türken Vorbereitungen, um die Stämme von Dersim zu entwaffnen und dort ihre militärische Präsenz aufzubauen. Es war auch von Anfang an die Absicht einen Großteil der Bevölkerung zu deportieren, um sie zu türkisieren. Die Kurden ihrerseits bereiteten einen Aufstand vor, um die Pläne Ankaras zu verhindern. Allerdings waren nur wenige Stämme bereit für einen Aufstand. Einige andere stellten sich später auf die Seite der Türken. Zum Führer des Aufstandes wurde Said Riza, der ein angesehener Stammesführer und Geistiger war. Said Riza hatte schon vorher Kontakte zu Scheich Said und zum Führer des Kocgiri Aufstandes. Der Aufstand brach mit dem Angriff der Kurden auf eine Polizeistation am 21. März 1937 aus. Allerdings konnten die Dersimer gegen die Armeen und die Luftwaffe nicht bestehen. Die Türken gingen mit ungeheurer Härte und auch mit chemischen Kampftstoffen gegen die Leute vor. Dabei wurden ganze Dörfer zusammengetrieben und alle Menschen brutal hingerichtet. Die Kaltblütigkeit kannte keine Grenzen, man ermorderte auch Leute, die leichtsinnig den türkischen Versprechungen folgten und sich untergaben. Nach wenigen Monaten war der Aufstand niedergeschlagen und mehrere Zehntausend Menschen getötet und Hundertausende deportiert worden. Nach 1938 wurde Dersim in Tunceli umbenannt, um die Stahlhand oder Stahlfaust der türkischen Armee zu glorifizieren.
Chronologie
Eine Übersicht der Geschichte von Tunceli.
Vor Christus
Nach Christus
- 17 - 395 Herrschaft der Römer
- 395 Herrschaft der Byzantiner
- 639 Herrschaft der Araber
- 648 2. Herrschaft der Byzantiner
- 651 2. Herrschaft der Araber
- 699 3. Herrschaft der Byzantiner
- 1226 Herrschaft der Seldschuken
- 1243 Herrschaft der Mongolen
- 1373 Herrschaft der Osmanen
- März 1916 1. Aufstand in Dersim
- März 1921 Aufstand in Kocgiri
- 1937 2. Aufstand in Dersim
- 30 Juni Çalakiya Zîlan