Klassifikation nach ICD-10 | |
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K76.7 | Hepatorenales Syndrom |
ICD-10 online (WHO-Version 2019) |
Das Hepatorenale Syndrom (HRS) ist eine funktionelle, prinzipiell voll rückbildungsfähige Abnahme der glomerulären Filtrationsrate mit der Folge eines oligurischen Nierenversagens bei Patienten mit Leberzirrhose oder fulminanter Hepatitis bei fehlenden Hinweisen auf andere Ursachen einer Niereninsuffizienz (Ausschlussdiagnose). Durch die Ausschüttung von vasoaktiven (=gefässerweiternden/-verengenden) Substanzen kommt es dabei zu einer Verschlechterung der Nierendurchblutung.
Pathogenese
Die Kombination aus portaler Hypertension und arterieller Vasodilatation im Splanchnikusgebiet verändert den intestinalen Kapillardruck mit einer Steigerung der Gefäßpermeabilität. Somit kommt es zu einem Austritt von Flüssigkeit in die Bauchhöhle und zur Entstehung eines Aszites. Bei Fortschreiten der Erkrankung resultiert hieraus ein relativer intravasaler Flüssigkeitsmangel im systemischen Kreislauf mit Abnahme der renalen Ausscheidung von freiem Wasser und renovaskulärer Vasokonstriktion, um den Perfusionsdruck aufrecht zu erhalten (Underfill-Theorie). Reaktiv wird auch das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System (RAAS), angekurbelt, was zu einer Retention von Natrium und Wasser führt. Dieser bei gesunden Menschen durchaus sinnvolle Mechanismus führt bei Patienten mit portaler Hypertonie allerdings zu einer weiteren Verschlechterung des Krankheitsbildes.
Symptome
Die Klinik äussert sich durch Zeichen der dekompensierten Leberzirrhose. Dazu gehören Aszites, Ödeme, Ikterus und hepatische Enzephalopathie.
Bei Typ 1 findet sich eine rasch fortschreitende Verschlechterung der Nierenfunktion mit Anstieg des Serumkreatinins auf >2,5mg/dl. Nahezu alle Patienten sterben ohne Lebertransplantation innerhalb weniger Wochen. Bei Typ 2 ist die Nierenfunktion eingeschränkt, aber stabil. Auslösende Faktoren sind u. a. gastrointestinale Blutungen, forcierte Diuretikatherapie, nephrotoxische Medikamente (z. B. nichtsteroidale Antirheumatika), Laktuloseüberdosierung, Parazentese ohne Plasmavolumenexpansion.
Diagnostik
Die Diagnose des hepatorenalen Syndrom beruht auf dem Ausschluss anderer Ursachen des Nierenversagens und richtet sich (beim Vorliegen einer dekompensierten Leberzirrhose plus Verschlechterung der Nierenfunktion) nach folgenden Kriterien: Serum-Kreatinin >1,5mg/dl oder Kreatinin-Clearance <40ml/min ; keine Schocksymptomatik, bakterielle Infektionen, Flüssigkeitsverluste oder vorhergehende Behandlung mit nephrotoxischen Medikamenten ; keine dauerhafte Verbesserung der Nierenfunktion nach Absetzen der diuretischen Medikamente und Plasmavolumenexpansion ; Proteinurie <500mg/d ; Ausschluss einer obstruktiven Uropathie mittels Sonographie
Therapie
Therapeutisch müssen die auslösenden Faktoren beseitigt werden. Zudem wird der Säure-Basen-Haushalt korrigiert, eine Anämie durch Transfusionen ausgeglichen, Albumin intravenös verabreicht sowie nephrotoxische Substanzen gemieden. Unter Umständen kommt der Einsatz von Nierenersatzverfahren in Frage, bei schweren Gewebsschäden eine Transplantation. Die Lebertransplantation ist die einzige definitive Therapieoption. Falls die oben genannten Möglichkeiten nicht durchführbar oder ausreichend sind, kommen als weitere Optionen ein TIPS (transjugulärer intrahepatischer portosystemischer Shunt) und - bei Patienten in schlechtem Allgemeinzustand oder mit Kontraindikation für einen TIPS - die pharmakologische Behandlung mit Vasopressin-Analoga (Octreotid oder Terlipressin) oder Alphaadrenerger Substanzen wie Noradrenalin und Milodril (Vasokonstrikion im Splanchnikusgebiet) in Kombination mit Albumin in Frage.
Die Prognose des HRS ist schlecht. Die Überlebenszeit beim Typ 1 beträgt ohne Therapie in der Regel unter einem Monat, bei Typ 2 liegt die Überlebenswahrscheinlichkeit bei etwa 20 % nach zwei Jahren.
Literatur
- Wolf, Gunter; Schrenck, Tammo von: Das hepatorenale Syndrom: Pathophysiologie, Diagnostik und Therapie. Deutsches Ärzteblatt 97, Ausgabe 43 vom 27. Oktober 2000, Seite A-2858
- Wadei HM et al.: Hepatorenal Syndrome: Pathophysiology and Management. Clin J Am Soc Nephrol 1: 1066-1079, 2006 PMID 17699328
- Gerd Herold, "Innere Medizin", Auflage 2008, S. 513-514