Der aktive Externalismus (engl.: active Externalism) ist die These, dass sich kognitive Architekur und somit auch kognitive Prozesse und kognitive Zustände über die Körpergrenzen hinaus in die Welt erstreckt. Diese These wurde wurde im Jahr 1998 von Andy Clark und David Chalmers im Aufsatz "The extended mind" aufgestellt.[1] Im Deutschen wird der aktive Externalismus auch als "Vehikel Externalismus" oder "Extensionalismus", im englischen Sprachraum auch als "acitve Externalism", "wide computationalism", "vehicle Externalism", "enabling externalism" oder "environmentalism" bezeichnet.
Begriffsbestimmung
Angelehnt an Hilary Putnam[2] fassen Clark und Chalmers die These des aktiven Externalismus wie folgt zusammen:
– Andy Clark und David J. Chalmers: The extended Mind[3]
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Damit wenden sie sich vor allem gegen die Ortsbestimmung des Internalismus. Nach dieser finden mentale Phänomene im Gehirn des Subjektes statt, welches diese Phänomene hat. Vertreter des aktiven Externalismus behaupten hingegen zum Einen, dass sich kognitive Systeme über den gesamten Körper des Wesens und auch in die Umwelt hinein erstrecken können, solange äußere Bestandteile eine geeignete Kopplung mit dem kognitiven Kernsystem haben. Zum Anderen ist dies meist mit der Behauptung verbunden, dass solche Kopplungen in der Welt tatsächlich vorliegen und es somit auch externe Kognition gibt.
Dabei behaupten sie nicht, dass diese These dem Common sense entspricht. Daher soll der aktive Externalismus auch keine Analyse unseres gängigen Kogntionsbegriffs sein. Viel mehr handelt es sich bei ihm um die Forderung, dass Kognition nicht nur als ein internes Phänomen betrachtet werden sollte. Auf diese Weise könnten, je nach Erklärungszweck, tiefere, einheitliche und nützlichere Erklärungen zu stande kommen.[4] Es handelt sich also beim aktiven Externalismus um eine andere Sichtweise auf bereits bekannte Dinge. Ein solches Vorgehen finden wir zum Beispiel in der Evolutionstheorie in Dawkins Buch "The Extended Phenotype", in welchem er vorschlägt, die Lebewesen, ihr Verhalten und ihre Artefakte als vor allem Hilsmittel für das Überleben der einzelnen Gene zu betrachten.
In der englischsprachigen Debatte zählen Andy Clark, Susan Hurley, Richard Menary, Mark Rowlands, Michael Wheeler, Robert Wilson und Alva Noë zu den Hauptvertretern des aktiven Externalismus, aber auch David Chalmers äußert sich im Vorwort zu Clarks Buch "Supersizing the Mind" (2008) der These positiv gegenüber. Als Kritiker lassen sich vor allem Frederick Adams und Kenneth Aizawa nennen.
Das Äquivalenzprinzip
Im Artikel "The extended mind", stellen Clark und Chalmers folgendes Prinzip auf, welches seitdem den Namen "parity principle" (Äquivalenzprinzip) trägt:
– Andy Clark und David J. Chalmers: The extended Mind[5]
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Nach dem Äquivalenzprinzip ist also nicht die Körpergrenze entscheidend, wenn es darum geht, ob ein Prozess kognitiv ist.
Viel mehr geht es um die Funktion, die ein Prozess hat. Somit handelt es sich beim Äquivalenzprinzip um ein funktionalistisches Prinzip.
Das Äquivalenzprinzip stellt als solches noch kein Argument für den aktiven Externalismus dar, sondern setzt die logische Möglichkeit schon voraus. Auch scheint es den meisten Kritikern nicht prinzipiell undenkbar, dass kognitive Prozesse außerhalb des Kopfes sein können. Das dies prinzipiell möglich ist, zeigt folgendes Beispiel. So erzählt Daniel C. Dennett in seinem 1978 erschienen Essay "Where Am I?"[6] eine hypothetische Geschichte, die davon handelt, dass sein Gehirn aus dem Kopf entnommen und dann neu mit dem Körper gekoppelt wird. Hierbei würde es sich zumindest schon einmal um Kognition außerhalb des Körpers handeln. Dies würden wohl auch Kritiker des aktiven Externalismus zugeben. Es handelt sich hierbei jedoch nur um eine Möglichkeit.
Will man aus dem Äquivalenzprinzip folgern, dass sich Kognition tatsächlich manchmal in die Welt erstreckt, so wird mindestens ein Beispiel benötigt, welches einen externen Prozess aufzeigt, der, würde er im Körper des Menschen stattfinden, als kognitiver Prozess gelten. Ob ein solcher Prozess in der Welt aufzufinden ist oder nicht, ist die kritische Frage, welche Kritiker und Vertreter des aktiven Externalsmus teilt.
So behaupten zum Beispiel Fred Adams und Ken Aizawa, dass die psychologischen und funktionalen Unterschiede zwischen internen und externen Prozessen zu fundamental sind, um das Äquivalenzprinzip jemals anwenden zu können.[7]
Evolutionäres Argument
Das es Prozesse gibt, die den Forderungen des Äquivalenzprinzips entsprechen, scheint - Mark Rowlands zufolge - eine evolutionäre Betrachtung zu zeigen:
Es ist plausibel anzunehmen, dass sich Laufe der Evolution in manchen Wesen Mechanismen entwickelt haben, die darauf ausgerichtet die Umwelt so zu verändern, dass der Körper dieses Wesens selber weniger leisten muss. Dieses es Prinzip formuliert Mark Rowlands wie folgt:
– Mark Rowlands: Externalism: Putting Mind and World Back Together Again[8]
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Wenn dieses Prinzip gilt, so ist auch anzunehmen, dass sich in der Evolution Organismen entwickelt haben, welche kognitive Architektur auf diese Weise an die Umwelt auslagern und somit eine effektive hybride Kombination aus internen und externen Prozessen verwenden, um kognitive Aufgaben zu bewältigen. Dies wäre jedoch nur ein Argument für externe Kognition, wenn wir Kognitive Prozesse als diejenigen definieren würden, welche Lebewesen beim Lösen bestimmter Aufgaben hilft. Eine solche Definition über Aufgaben ist jedoch nicht unbedingt gegeben.
Externe Zustände
Überzeugungen
Das klassische Beispiel für externe mentale Zustände stellen Überzeugungen dar. So beschreiben Clark und Chalmers den Alzheimerkranken Otto, der ein Notizblock als externes Gedächnis verwendet. So werden neue Informationen, analog zum Gehirn eines gesunden Menschen, bei Otto im Notizblock gespeichert und bei Bedarf abgerufen.[9]
Will er zum Beispiel ins Museum of Modern Art, konsultiert Otto sein Notizbuch, in dem die Adresse steht. Auf den offensichtlichen Einwand, dass Otto zunächst nur die Überzeugung hat, dass die gewünschte Information im Notizbuch zu finden sind, antwortet Clark, dass dies die Erklärung unnötig kompliziert machen würde, da man sonst auch gesunden Menschen zunächst nur die Überzeugung unterstellen könnte, dass die benötigten Informationen in ihrem Gehirn gespeichert sind.[10]
Wünsche
Aber nicht nur Überzeugungen, sondern auch Wünsche werden von Vertretern des aktiven Externalismus als externe Zustände in Betracht gezogen. So schreibt zum Beispiel David Chalmers im Vorwort zu Andy Clarks Buch "Supersizing the Mind", dass er sein iPhone nutzt um sich seine Lieblingsgerichte in einem bestimmten Restaurant zu merken.
Zustandsträger
Als externe intentionale Zustände wurden schon externe Gedächnisse, wie Notizbücher, oder auch Erinnerungsauslöser, zum Beispiel Knoten in Taschentüchern vorgeschlagen. Eine andere Frage ist, ob nur vom kognitiven Wesen vorgenommene Veränderungen der Umwelt oder auch ohne die Handlungen des Wesens vorhandene Dinge der Umwelt, wie Orientierungspunkte oder Bücher, externe kognitive Zustände sein können.
Externe Prozesse
Externe kognitive Prozesse sind - nach Mark Rowlands - Aktionsschleifen, welche nötig für das Ausführen von kognitiven Aufgaben sind und die Manipulation von externen informationstragenden Strukturen beinhalten.[11]
Erinnern
Wenn es externe Wünsche und Überzeugungen gibt, so müssen diese vom kognitiven Wesen im Bedarfsfall aus der Umwelt ausgelesen werden. Dieses Auslesen ist folglich ein externer Prozess des Erinnerns, welcher zum Beispiel darin besteht, dass das betroffende kognitive Wesen im Kalender nachschlägt um eigene Vorhaben rauszufinden oder eine bestimmte auffällige Landmarke sucht um den richtigen Weg zu finden.
Problemlösen
Ein weiterer Typ externer mentaler Prozesse ist das Lösen von Problemen. Dieses ist dadurch gekennzeichnet, dass durch Manipulationen der Umwelt neue Wünsche oder Überzeugungen erzeugt werden. Es handelt sich also um epistemische (im Gegensatz zu pragmatischen) Handlungen, dessen Ziel neues Wissen ist.
Das bekannteste Beispiel für solche epistemischen Handlungen ist das Videospiel Videospiel Tetris, mit welchem Clark und Chalmers die These des aktiven Externalismus einleiten. So behaupten sie, dass das interne Proberotieren der Steine im Kopf, das externe Rotieren durch das Drücken von Knöpfen und das interne Rotieren durch ein neuronales Implantat gleichwertige epistemische Aktionen sind. Diese sollten daher alle als kognitive Prozesse gelten. Diesem Beispiel gingen Forschungen von David Kirsh und Paul Maglio voraus, welche in Experimenten mit Tetris feststellten, dass viele Rotationen nicht zielgerichteten sondern eher epistemischen Charakter haben. Dies führt zur Definition einer epistemischen Handlung, deren primäre Funktion es ist Kognition durch folgende Faktoren zu verbessern:
- Reduzierung des für die mentale Berechnung benötigten Speichers (Komplexität des Raums)
- Reduzierung der benötigten Schritte, um eine mentale Berechnung durchzuführen (Zeitkomplexität)
- Reduzierung der Fehlergefahr mentaler Berechnung (Unzuverlässigkeit)[12]
Weitere Beispiele für epistemisches Handeln ist schriftliches Rechnen oder auch Neuanordnen der Buchstaben bei Scrabble nennen.
Wahrnehmen
Auch die Wahrnehmung wir von manchen Vertretern des aktiven Externalismus als externer Prozess betrachtet. Diese Herangehensweise hat jedoch weniger mit Manipulationen der Umwelt als viel mehr mit epistemischen Handeln zu tun. Die Wahrnehmungskette, als Modell der Wahrnehmung, schließt neben den Elementen Reiz, Transduktion, Verarbeitung, Wahrnehmung und Wiedererkennung auch das Element des Handelns ein.
Dieses findet sich in der visuellen Wahrnehmung zum Beispiel in den permanenten Sakkaden, welche es schaffen durch viele verschiedene Fixationen den Eindruck zu erwecken, immer ein vollständiges Bild zu bewusst wahrzunehmen, obwohl wir nur einen kleinen Teil der uns umgebenden Szene tatsächlich fixieren können.
Externes Bewusstsein
Unklar ist das Verhältnis von Bewusstsein und externen mentalen Zuständen. So scheint es möglich, Bewusstsein auch außerhalb des Körpers zu haben, so lange sich das Gehirn außerhalb des Körpers befindet. Dies wäre zum Beispiel der Fall, wenn einige Teile oder das ganze zentrale Nervensystem dem Körper entnommen und mit ihm neu verkoppelt werden würde.[14]
Faktisch jedoch verorten viele Vertreter des aktiven Externalismus phänomenales Bewusstsein auschließlich im Gehirn und sehen somit externe Prozesse und Zustände von vorne herein als unbewusst an. Im Gegensatz dazu vertreten unter anderem Alva Noë und J. Kevin O’Regan die These, dass Kopplung des kognitiven Systems mit der Außenwelt zu externen Bewusstsein führt.
Dies wäre zum Beispiel möglich, wenn sich Bewusstsein - vor allem phänomenales - rein funktionalistisch erklären lassen würde. Ist dies der Fall, so lässt sich das Äquivalenzprinzip auch hier anwenden und Bewusstseinsprozesse in der Umwelt sind zumindest nicht mehr auszuschließen.
Auch in der Parapsychologie gibt es Thesen, die dem aktiven Externalismus ähnlich sind. So behauptet beispielsweise Rupert Sheldrake mit der Idee der morphischen Felder, welche das Bewusstsein eines Wesens nicht nur in seinem Körper lokalisieren, verschiedene Phänomene wie Telepathie erklären zu können.[15]
Neue Grenze der Kognition
Da der aktive Externalismus die Grenze des Körpers als Grenze des Geistes verwirft, werden Bedingungen benötigt, wann externe Prozesse und Zustände mental sind. Ein Kriterium ist das Äquivalenzprinzip, welches fordert, dass Prozesse, die wenn sie im Körper stattfinden würden ganz klar als kognitiv gelten würden, auch außerhalb des Körpers kognitiv sind.
Auf externe Glaubenszustände stellen Clark und Chalmers folgende Bedingungen auf[16]:
- Die Informationen müssen konstant und problemlos abrufbar sein.
- Die Informationen müssen schon einmal verarbeitet worden sein.
- Aufgenommene Informationen sofort gebilligt werden.
Weder diese Bedingungen noch das Äquivalenzprinzip scheinen klare Regeln dafür aufzustellen, ob ein Zustand kognitiv ist oder nicht. Es scheint also, als würde der aktive Externalismus eine unscharfe Grenze des Mentalen einschließen.
Dies wird von Kritikern, welche eine klare Definition des Begriffes "Kognition" haben wollen, angekreidet. So meinen sie, dass die Vertreter des aktiven Externalismus erst zeigen können, dass Kognition auch extern sein kann, wenn sie den Begriff "Kognition" klar definiert haben.
Erstreckt sich Persönlichkeit in die Umwelt?
Auch scheint eine Konsequenz des aktiven Externalismus, dass sich mit den kognitiven Prozessen und Zuständen auch die Persönlichkeit eines Wesens in die Welt erstreckt. Hat der aktive Externalismus recht, so raubt man einem Alzheimerkranken seine Erinnerungen, wenn man ihm sein Notizblock wegnimmt. Natürliche kognitive Wesen sollten also nicht mehr als rein biologisch, sondern als Kombination biologischer und externer Komponenten betrachtet werden. Dies scheint offensichtlich soziale, moralische und rechtliche Konsequenzen zu haben. Zum Beispiel wenn es darum geht Organizer, Taschenrechner oder Notizblöcke anderer Leute zu verändern oder auch nur zu durchsuchen.
Weitere Implikationen scheinen zu sein, dass durch eine unscharfe Grenze des Mentalen auch die Wesen selber nicht mehr klar von dem Rest der Welt unterschieden werden können. Auch ist es möglich, dass sich die kognitiven Architekturen und Zustände verschieder Wesen überschneiden oder, dass rechtlich gesehen die kognitive Architektur eines Wesens einem anderen gehört. Dies wäre zum Beispiel gegeben, wenn im Zuge des Enhancement ein direkter Zugriff des Gehirns zur Wikipedia möglich wäre.
Verhältnis zu anderen Theorien
Semantischer Externalismus
Der aktive Externalismus hat mit dem, besonders Hilary Putnam und Tyler Burge zugeschriebenen, semantischen Externalismus geimeinsam, dass er sich auch gegen den Internalismus richtet. Es gibt jedoch einige entscheidende Unterschiede zwischen beiden Varianten des Externalismus:
- Der aktive Externalismus macht eine Behauptung über den Ort eines mentalen Phänomens, während der semantische Externalismus eine Behauptung über den Gehalt eines solchen Phänomens macht.
- Der aktive Externalismus betrifft sowohl kognitive Prozesse, als auch einzelne Zustände, während der semantische Externalismus nur intentionale Zustände betrifft.
- Der aktive Externalismus hat mit kausalen Zusammenhängen zwischen Subjekt und Umwelt zu tun und führt somit zu Verhaltensänderungen, während der semantische Externalismus nur die Individuierung von Geisteszustandes betrifft und somit phyikalisch gesehen im Verhalten eines Wesens keinen Unterschied herbeiführt.
Trotz aller Unterschiede, scheinen beide Theorien kompatibel zu sein. Es spricht also nichts gegen intentionale Zustände außerhalb des Gehirns, welche auch extern individuiert werden.
Funktionalismus
Das Äquivalenzprinzip macht -- ebenso wie der Funktionalismus -- gebrauch vom Argument der multiplen Realisierbarkeit geistiger Zustände. Es ist also nicht entscheidend, wie oder wo genau mentale Phänomene realisiert sind, solange ihre Funktion gleich bleibt. Aufgrund dieser Ähnlichkeit, scheint folgender Zusammenhang zumindes plausibel:
- Wenn der Funktionalismus wahr ist, dann gilt auch das Äquivalenzprinzip.
Dies kann nun zwei Arten von Konsequenzen haben. Man könnte als Verfechter des Funktionalismus das Äquivalenzprinzip als logische Konsequenz des Funktionalismus sehen und somit versuchen den aktiven Externalismus zumindest als Möglichkeit plausibel zu machen. Andererseits können Kritiker des Funktionalismus das Äquivalenzprinzip auch als unintuitiven Schwachpunkt des des Funktionalismus heraussetellen und somit ein Argument gegen diesen finden.
Ob externe Prozesse aber die gleiche Funktion besitzen können wie interne, hängt vor allem davon ab, wie man Input und Output der Funktionen bestimmt.
So können wir beispielsweise den Alzheimerkranken der sein Notizblock als externes Gedächnis verwendet auf zwei verschiedene Arten betrachten:
- Einerseits können wir sagen, dass er als Input eine Einladung ins Museum of Modern Art bekommt und in Folge dieser Einladung zum Museum läuft. Bei einer solchen Betrachtungsweise spielt der Notizblock in dem er nachschaut um den Ort des Museums zu erfahren die gleiche Rolle, wie es bei anderen das Gehirn spielen würde.
- Andererseits können wir aber auch einzelne akustische, visuelle und taktile Signale ans Gehirn als Input und Signale an die Muskeln als Output betrachten. In dieser Sichtweise hat der Notizblock ganz klar eine andere Funktion, da er sich nicht im System befindet, sondern zunächst wahrgenommen werden muss.
Diese Grenze von Wahrnehmung und Aktion erscheint auch für Chalmers die größte Bedrohung des der Extended Mind These zu sein.[17]
Neue KI
Der aktive Externalismus wird häufig neueren Entwicklungen in der Kognitionswissenschaft und, besonders mit der Embodiment-These und dem ihr verwandten Enaktivismus in Verbindung gebracht. Dies ist auf den ersten Blick einleuchtend. Denn nur verkörperlichte Systeme, welche mit der Umwelt interagieren, können kausalen Kontakt mit externen Faktoren haben, um diese für eigene Funktionen nutzbar zu machen. Andersrum lässt sich aber sagen, dass Embodiement und auch Enaktivismus nicht zwangsläufig mit dem Vehikel Externalismus einhergehen muss, da diese zunächst nur Theorien über kausale und nicht mereologische Zusammenhänge sind.
Eine andere verwandte These ist der Dynamizismus, welcher kognitive Systeme als eine bestimmte Klasse dynamischer Systeme begreift. Das Verhältnis von Dynamizismus und aktiven Externalismus ist jedoch in keine Richtung ein zwingendes.
Der aktive Externalismus ist sowohl mit Konnektionismus, als auch mit klassischer Künstlicher Intelligenz kompatibel.
Kritik
Hauptkritiker der These des aktiven Externalismus sind Frederick Adams und Kenneth Aizawa, welche in ihrem 2008 erschienenen Buch "The Bounds of Cognition" potentielle Probleme des aktiven Externalismus aufzeigen.
Der Kopplungs-Konstitutions-Fehlschluss
Dabei unterstellen sie den Vertretern des aktiven Externalismus folgenden Fehlschluss:
- Kopplungs-Konstitutions-Fehlschluss: Prozess oder Zustand x ist mit kognitiven System s gekoppelt also ist x Teil des kognitiven Systems s.
So ist ein Prozess oder ein Zustand, der stark mit einem kognitiven System gekoppelt ist nicht unbedingt konstitutiv für dieses System. Für die externen Zustände, welche für die Vertreter des aktiven Externalismus als kognitiv in Frage kommen, gilt nach Adams und Aizawa, dass zwar starke kausale Relation zu kognitiven Systemen vorliegt, dass dies aber nicht dazu führt, dass sie als kognitiv angesehen werden sollten.
Mangel intrinsischen Gehalts
Desweiteren behaupten Kritiker, dass externen Zuständen intrinsischer Gehalt, als wichtiges Schlüsselmerkmal des Mentalen, fehlt.[18]
So ist zum Beispiel bei Kanidaten externer kognition häufig Sprache der Bedeutungsträger. Diese erhält ihre Bedeutung scheinbar durch öffentliche Benutzung und soziale Praxis. Die Bedeutung von Wörtern und Sätzen wäre demnach nicht intrinsisch. Ähnliches gilt laut Adams und Aizawa auch für andere externe Zustände. So schreiben sie:
– Adams und Aizawa: The bounds of cognition[19]
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Auch wenn es also logisch und nomologisch möglich ist, dass externe Zustände intrinsischen Gehalt besitzen, so scheint dies jedoch - nach Adams und Aizawa - kontingenterweise nicht der Fall zu sein. Da aber intrinsischer Gehalt aber ein Merkmal des Kognitiven sei, gäbe es keine externen kognitiven Prozesse.
Diese Kritik scheint jedoch an vielen Stellen angreifbar. Zum Einen ist nicht klar, was intrinsischer Gehalt überhaupt sein soll. Desweiteren scheint die Behauptung, dass ein solcher im Gehirn und nur im Gehirn vorkommen kann unbegründet. Zuletzt stellt sich natürlich die Frage, ob intrinsischer Gehalt wirklich notwendig für kognitive Zustände ist.[20]
Kognition ans Nervensystem gebunden
Ein ähnlicher Einwand, wie der des intrinsischen Gehalts, geht ebenso von Frederick Adams und Kenneth Aizawa aus. So leiten sie aus der Tatsache, dass wir Kognition bisher nur in Nervensystemen vorgefunden haben ab, dass Kognition nur in solchen stattfindet. Ein kognitives System, welches sich über Grenzen des Nervensystems hinaus erstreckt, ist also nicht möglich.[21] Es handelt sich bei dieser Kritik also grob gesagt um die Ablehnung der These der multiplen Realisierbarkeit.
Geringe Verbindungsbandbreite
Ein weiterer Einwand, auf den Clark und Chalmers schon in "The extended Mind" eingehen ist, dass externe Zustände nicht dem kognitiven System zugerechnet werden können, da sie schlechter zugänglich sind, als interne Zustände. Eine Analogie macht diesen Einwand klar. So würden wir wenig Probleme haben, den Inhalt eines externen Speichermediums auch zum Inhalt des Computers zu zählen, solange dieser Zugriff beinahe ebenso schnell erfolgt. Anders sieht es jedoch aus, wenn wir den Speicher eines Computers dadurch entlasten wollten, dass wir den Inhalt einiger Dateien auf Papier drucken und diese Dateien bei Bedarf einscannen.[22]
Vertreter des aktiven Externalismus können hier jedoch entgegnen, dass die Verbindung zwischen dem Alzheimerkranken Otto und seinem Notizbuch deutlich besser ist, als die zwischen einem Computer und ausgedruckten Dateien. So würden wir zum Beispiel einer Person, die aufgrund eines Unfalls einen langsamen Zugriff auf die eigenen internen Erinnerungen hat, auch nicht diese Erinnerungen aberkennen, solange der Zugriff auf sie mit hinreichender Zuverlässigkeit und ohne fremde Hilfe erfolgt.[23]
Andere Kritik
Schon in "The extended Mind" gehen Clark und Chalmers auf einige potentielle Einwände gegen ihre These ein.
- Unbewusst
- Nicht immer Verfügbar
Literatur
- Adams, F. und Aizawa, K. (2008): The Bounds of Cognition. Oxford: Blackwell.
- Chalmers, D. (2008): Foreword to Andy Clark’s Supersizing the Mind. Oxford: Oxford University Press. PDF
- Clark, A. (2001): Reasons, robots, and the extended mind. Mind and Language 16: 121-145.
- Clark, A. (2003): Natural-Born Cyborgs: Minds, Technologies, and the Future of Human Intelligence. Oxford: Oxford University Press.
- Clark, A. (2005): Intrinsic content, active memory, and the extended mind. Analysis 65(1): 1-11.
- Clark, A. (2007): Curing cognitive hiccups: A defense of the extended mind. Journal of Philosophy 104(4): 163-192.
- Clark, A. (2008): Supersizing the Mind: Embodiment, Action, and Cognitive Extension. Oxford: Oxford University Press.
- Clark, A. und D. Chalmers (1998): The extended mind. Analysis 58(1): 7-19. Text als HTML
- Hurley, S. (1998): Consciousness in Action. Cambridge, MA: Harvard University Press.
- Hurley, S. (2001): Perception and action: Alternative views. Synthese 291: 3-40.
- Hurley, S. (in Vorbereitung): Varieties of Externalism. In: R. Menary (Hg.), The Extended Mind.
- Hurley, S. und Noë, A. (2003): Neural plasticity and consciousness. Biology and Philosophy 18: 131–168.
- Menary, R. (2007): Cognitive Integration: Mind and Cognition Unbounded. Basingstoke: Palgrave Macmillan.
- Menary, R., Hg. (in Vorbereitung): The Extended Mind.
- Rowlands, M. (1999): The Body in Mind: Understanding Cognitive Processes. Cambridge: Cambridge University Press.
- Rowlands, M. (2003): Externalism: Putting Mind and World Back Together Again. Chesham: Acumen
- Rowlands, M. (2006): Body Language: Representing in Action. Cambridge, MA: MIT Press.
- Rupert, R. (2004): Challenges to the hypothesis of extended cognition. Journal of Philosophy 101(8): 389-428.
- Wheeler, M. (2005): Reconstructing the Cognitive World: the Next Step. Cambridge, MA: MIT Press.
- Wilson, R. (1994): Wide computationalism. Mind 103: 351-372.
- Wilson, R. (2004): Boundaries of the Mind. The Individual in the Fragile Sciences. New York: Cambridge University Press.
Weblinks
Quellen
- ↑ Clark, A. und D. Chalmers (1998): The extended mind. Analysis 58(1): 7-19.
- ↑ vgl. Putnam, Hilary (1975/1985): The meaning of 'meaning'. In Philosophical Papers, Vol. 2: Mind, Language and Reality., Cambridge University Press.
- ↑ Clark, A. und D. Chalmers (1998): The extended mind. Analysis 58(1): S. 8
- ↑ Clark, A. und D. Chalmers (1998): The extended mind. Analysis 58(1): S. 14
- ↑ Clark, A. und D. Chalmers (1998): The extended mind. Analysis 58(1): S. 8
- ↑ Dennett, Daniel C. (1978): Where Am I? in: Brainstorms - Philosophical Essays on Mind and Psychology, Daniel C. Dennett, Bradford Books.(Text als HTML)
- ↑ Adams, Fred and Aizawa, Ken (2008) ‘The Bounds of Cognition’, Malden, Mass. [u.a.]: Blackwell. S. 136f.
- ↑ Rowlands, M. (2003): Externalism: Putting Mind and World Back Together Again. Chesham: Acumen S. 166
- ↑ vgl. Clark, A. und D. Chalmers (1998): The extended mind. Analysis 58(1): 12-14
- ↑ Andy Clark (2006). Memento's Revenge: The Extended Mind, Extended. In Richard Menary (ed.), Objections and Replies to the Extended Mind. Ashgate. S. 7f. (Als PDF)
- ↑ vgl. Rowlands, M. (2003): Externalism: Putting Mind and World Back Together Again. Chesham: Acumen S. 175
- ↑ vgl. Kirsh, D. & Maglio, P. (1994): On Distinguishing Epistemic from Pragmatic Action, in Cognitive Science 18 S. 514 ([[1]])
- ↑ Aus Ernst Mach, Die Analyse der Empfindungen (1900), S. 15.
- ↑ vgl. Daniel C. Dennett (1978): Brainstorms - Philosophical Essays on Mind and Psychology, Bradford Books.(als HTML)
- ↑ vgl. The Extended Mind: Recent Experimental Evidence
- ↑ vgl. Clark, A. und D. Chalmers (1998): The extended mind. Analysis 58(1): 17
- ↑ Chalmers, D. (2008): Foreword to Andy Clark’s Supersizing the Mind. Oxford: Oxford University Press. S. XI
- ↑ Adams, Fred and Aizawa, Ken (2001) ‘The Bounds of Cognition’, Philosophical Psychology 14, 48.
- ↑ Adams, Fred and Aizawa, Ken (2001) ‘The Bounds of Cognition’, Philosophical Psychology 14, S. 63
- ↑ Andy Clark (2005) 'Intrinsic content, active memory and the extended mind', Analysis 65.1, S. 1-11
- ↑ vgl. Fred and Aizawa, Ken (2008) ‘The Bounds of Cognition’, Malden, Mass. [u.a.]: Blackwell. S. 70
- ↑ Beispiele von Ryan Victor: The Extended Room, Or, What Otto Didn’t Know (Als HTML)
- ↑ vgl. Clark, A. und D. Chalmers (1998): The extended mind. Analysis 58(1): S. 15
Siehe auch
Kategorie:Philosophie des Geistes Kategorie:Kognitionswissenschaft
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