Straßenbahn Berlin

Straßenbahnsystem der deutschen Hauptstadt
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Die Berliner Straßenbahn ist eines der ältesten und bis heute größten Straßenbahnnetze der Welt. Betreiberin ist seit 1929 die Berliner Verkehrsgesellschaft (BVG). Das normalspurige Netz hat eine Streckenlänge von 188 km und 377 Haltestellen.

Moderne Zweirichtungs-Niederflurtriebwagen der BVG.

Berlin besaß bereits seit 1865 eine Pferdebahn, 1881 fuhr hier die erste elektrische Straßenbahn der Welt. Zahlreiche private und städtische Verkehrsgesellschaften legten neue Strecken an. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wuchs das Netz rasant, wurde von Pferdebahnbetrieb auf elektrischen Betrieb umgestellt, um 1930 hatte es eine Streckenlänge von über 630 km und mehr als 90 Linien. 1929 wurden alle Verkehrsunternehmen in der BVG vereinigt. Nach dem 2. Weltkrieg wurde die BVG in einen westlichen und einen östlichen Betrieb gespalten, die 1992 wiedervereint wurden. Bis 1967 wurden alle Straßenbahnlinien in West-Berlin stillgelegt. Mit Ausnahme einer nach der Wiedervereinigung gebauten Strecke verkehrt die Berliner Straßenbahn deshalb ausschließlich im ehemaligen Ostteil der Stadt.


Vom Pferdeomnibus zur elektrischen Straßenbahn

 
Pferdebahnwagen der Großen Berliner Pferde-Eisenbahn, Bj. 1885.

Der Öffentliche Personennahverkehr Berlins ist der älteste in Deutschland. Bereits im Jahr 1847 wurde die erste Berliner Nahverkehrslinie eröffnet: Die Concessionierte Berliner Omnibus Compagnie betrieb ab dem 1. Januar des Jahres die erste Pferdeomnibuslinie der Stadt. Zahlreiche weitere Unternehmen drängten in den wachsenden Markt, 1864 gab es bereits 36 Omnibusbetriebe in Berlin.

Im Folgejahr, am 28. August 1865, begann das Zeitalter der Straßenbahn in Deutschland. Die erste Pferdebahnlinie Berlins nahm den Betrieb auf, sie führte vom Kupfergraben an der heutigen Museumsinsel über die heutige Straße des 17. Juni nach Charlottenburg. Wie zuvor beim Pferdebus, so folgten auch hier viele weitere Unternehmer der neuen Entwicklung und bauten in allen Teilen des heutigen Stadtgebiets Pferdebahnstrecken. 1873 eröffnete eine Strecke vom Rosenthaler Platz zum Gesundbrunnen, Betreiberin war die neu gegründete Große Berliner Pferde-Eisenbahn, die später unter dem Namen Große Berliner Straßenbahn (GBS) zum dominierenden Verkehrsunternehmen Berlins werden sollte.

Am 16. Mai 1881 schrieb die Region Berlin erneut Verkehrsgeschichte. In der Gemeinde Groß-Lichterfelde, die erst 39 Jahre später ein Teil von Berlin-Steglitz wurde, eröffnete Werner von Siemens die erste elektrische Straßenbahn der Welt. Die Strecke diente zunächst nur als Versuchsanlage, Siemens bezeichnete sie als „von den Säulen und Trägern genommene Hochbahn“, denn sein eigentliches Ziel war der Bau eines elektrischen Hochbahnnetzes in Berlin. Um die zögernden politischen Entscheidungsträger von den Vorteilen des elektrischen Antriebs zu überzeugen, wählte Siemens die Kleinbahnstrecke in Lichterfelde als Demonstrationsobjekt. Die Bedenkenträger im Magistrat behielten trotzdem weiterhin die Oberhand, und Siemens konnte die erste Berliner Hochbahnstrecke erst 21 Jahre später in Betrieb nehmen (siehe Geschichte der Berliner U-Bahn).

 
Elektrischer Triebwagen der Großen Berliner Straßenbahn, Bj. 1901.

Die elektrische Straßenbahn in Lichterfelde erhielt ihren Fahrstrom über die Gleise, sodass die Strecke aus Sicherheitsgründen eingezäunt werden musste. Die meterspurige Strecke verlief vom heutigen S-Bahnhof Lichterfelde-Ost zur Kadettenanstalt in der Finckensteinallee. Eine Fahrt kostete mehr als ein damaliger Durchschnittsstundenlohn. Die Strecke wurde am 15. Februar 1930 stillgelegt und durch eine Buslinie ersetzt.

Der elektrische Betrieb verlief zunächst noch nicht zufriedenstellend, und es blieb bei der einen Versuchsstrecke. Die Elektrifizierung der Pferdebahnstrecken begann wie in anderen Städten erst am Ende des Jahrhunderts. Am 1. Mai 1896 eröffnete die GBS die erste elektrische Strecke von der Innenstadt zum Gelände der Gewerbeausstellung in der Gemeinde Treptow. Der elektrische Betrieb lieferte diesmal bessere Ergebnisse, sodass in der Folge immer mehr Strecken elektrifiziert wurden, bis im Jahr 1902 fast alle Linien elektrisch betrieben wurden.

Ab dem 18. Dezember 1899 konnte man in Berlin aber bereits, trotz der Hindernisse bei der Planung der U-Bahn, unterirdisch Bahn fahren, sogar unter der Spree hindurch: Der zur Gewerbeausstellung 1896 schon gezeigte, 450 Meter lange Spreetunnel zwischen Treptow und Stralau wurde der Straßenbahn übergeben. Der Tunnel wies leider Baumängel auf und musste am 15. Februar 1932 stillgelegt werden; nachdem er im Krieg durch einen Bombentreffer schwer beschädigt und von Spreewasser geflutet wurde, wurde er nach 1945 zugeschüttet. Die Straßenbahn besaß außerdem einen zweiten Tunnel, den Lindentunnel, mit dem die Prachtstraße Unter den Linden unterirdisch gekreuzt werden konnte - Kaiser Wilhelm II. wollte den Boulevard nicht durch die Oberleitungen einer elektrischen Straßenbahn verunstaltet sehen.

Unternehmensvielfalt bis zur Gründung der BVG

 
Triebwagen Typ TD der GBS, Bj. 1912; dahinter Beiwagen der BVG-Ost, Werdau 1950.

Die Unternehmensgeschichte der Berliner Straßenbahn ist äußerst kompliziert. Neben privaten Unternehmen, die durch Übernahmen, Fusionen und Konkurse häufig wechselten, besaßen die Städte Berlin, Spandau, Köpenick, Rixdorf, die Gemeinden Steglitz, Mariendorf, Britz, Niederschönhausen, Friedrichshagen, Heiligensee und Französisch Buchholz sowie der Kreis Teltow zumindest zeitweise eigene kommunale Straßenbahnbetriebe.

Die wichtigste private Betreiberin war die Große Berliner Pferde-Eisenbahn, die sich nach Beginn der Elektrifizierung Große Berliner Straßenbahn (GBS) nannte und nach und nach fast alle anderen Unternehmen aufkaufte. 1920 fusionierte die GBS mit den städtischen Unternehmen BESTAG und SSB zur Berliner Straßenbahn, die 1929 in die neu gegründete, städtische Berliner Verkehrs-AG (BVG) überführt wurde. Die BVG übernahm außer der Straßenbahn auch die Hoch- und Untergrundbahnen sowie die überwiegend von der Allgemeinen Berliner Omnibus-Actien-Gesellschaft (ABOAG) betriebenen Buslinien.

Bis zur Gründung der BVG betrieben folgende Unternehmen Straßenbahnstrecken in Berlin (sortiert nach Eröffnungsjahr der ersten Strecke):

  • 1865: Berliner Pferde-Eisenbahn-Gesellschaft (BPfEG), ab 1894: Berlin-Charlottenburger Straßenbahn (BChS), 1919 übernommen durch GBS
  • 1871: Westend-Terrain-Gesellschaft, 1878 übernommen durch BPfEG
  • 1872: Große Internationale Pferde-Eisenbahn-Gesellschaft, 1879 übernommen durch GBPfE
  • 1873: Große Berliner Pferde-Eisenbahn (GBPfE), ab 1898 Große Berliner Straßenbahn (GBS), 1919 Kauf durch Zweckverband Groß-Berlin, 1920 Fusion mit BESTAG und SSB zur Berliner Straßenbahn, ab 1923 Berliner Strassenbahn Betriebs-GmbH, ab 1929 Berliner Verkehrs-Aktiengesellschaft (BVG)
  • 1876: Neue Berliner Pferdebahn-Gesellschaft, 1900 übernommen durch GBS
  • 1881: Pferdebahn Tegeler Chaussee - Tegel, 1882 übernommen durch GBPfE
  • 1881: Straßenbahn in Groß-Lichterfelde, ab 1895 Elektrische Straßenbahnen Groß-Lichterfelde - Lankwitz - Steglitz - Südende, 1906 übernommen durch Teltower Kreisbahnen, 1921 übernommen durch Berliner Straßenbahn
  • 1882: Cöpenicker Pferde-Eisenbahn, ab 1903 Städtische Straßenbahn Cöpenick (SSC), 1920 übernommen durch GBS
  • 1885: Pferde-Eisenbahn der Gemeinde Rixdorf, 1887 übernommen durch GBPfE
  • 1886: Davy, Donath & Co, 1888 übernommen durch Berliner Dampfstrassenbahn-Konsortium (BDK), 1898 übernommen durch Westliche Berliner Vorortbahn, 1919 übernommen durch GSB
  • 1887: Dampfstraßenbahn Groß-Lichterfelde - Seehof - Teltow, 1906 übernommen durch Teltower Kreisbahnen, 1921 übernommen durch Berliner Straßenbahn
  • 188?: Pferde-Eisenbahn der Gemeinde Mariendorf, 1888 übernommen durch GBPfE
  • 1888: Wilmersdorf-Schmargendorfer Dampfstraßenbahn Reymer & Masch (WSD), 1898 übernommen durch Westliche Berliner Vorortbahn, 1919 übernommen durch GBS
  • 18??: Pferde-Eisenbahn der Gemeinde Britz, 1891 übernommen durch GBPfE
  • 18??: Pferde-Eisenbahn der Gemeinde Niederschönhausen, 1892 übernommen durch GBPfE
  • 1891: Friedrichshagener Straßenbahn, 1894 übernommen durch Gemeinde Friedrichshagen, 1906 übernommen durch SSC
  • 1892: Spandauer Straßenbahn (SpS), 1894 übernommen durch Allgemeine Deutsche Kleinbahn-Gesellschaft, 1899 übernommen durch AEG, 1909 übernommen durch Stadt Spandau
  • 1895: Siemens & Halske, ab 1899 Berliner Elektrische Straßenbahn AG (BESTAG), 1920 Fusion mit GBS und SSB zur Berliner Straßenbahn, ab 1923 Berliner Strassenbahn Betriebs-GmbH, ab 1929 Berliner Verkehrs-Aktiengesellschaft (BVG)
  • 1899: Südliche Berliner Vorortbahn, 1919 übernommen durch GBS
  • 1899: Straßenbahn Berlin-Hohenschönhausen, 1906 übernommen durch Neue Berliner Straßenbahn Nordost, 1919 übernommen durch Nordöstliche Berliner Vorortbahn, 1919 übernommen durch GBS
  • 1899: Straßenbahn Schlesischer Bahnhof - Treptow (SST), 1909 Fusion mit SNC zu Berliner Ostbahnen, 1920 übernommen durch GBS
  • 1901: Straßenbahn Niederschöneweide-Cöpenick (SNC), 1909 Fusion mit SST zu Berliner Ostbahnen, 1920 übernommen durch GBS
  • 1901: Hochbahngesellschaft (Warschauer Brücke - Zentralviehhof), 1910 Übernahme durch SSB
  • 1904: Pferdebahn Französisch-Buchholz, 1907 übernommen durch BESTAG
  • 1905: Straßenbahn der Gemeinde Steglitz, 1921 übernommen durch Berliner Straßenbahn
  • 1908: Städtische Straßenbahnen Berlin (SSB), 1920 Fusion mit BESTAG und GBS zur Berliner Straßenbahn, ab 1923 Berliner Strassenbahn Betriebs-GmbH, ab 1929 Berliner Verkehrs-Aktiengesellschaft (BVG)
  • 1908: Elektrische Straßenbahn Spandau-Nonnendamm (gegr. 1908 durch Siemens & Halske), 1910 übernommen durch SpS
  • 1910: Straßenbahn Warschauer Brücke - Lichtenberg, 1928 übernommen durch Berliner Straßenbahn Betriebs-GmbH
  • 1912: Schmöckwitz-Grünauer Uferbahn, 1924 übernommen durch Berliner Verkehrs-GmbH, 1925 übernommen durch Berliner Straßenbahn Betriebs-GmbH
  • 1913: Straßenbahn Heiligensee, 1920 übernommen durch GBS
  • 1923: Kleinbahn Spandau-Hennigsdorf, 1945 stillgelegt

Am Gründungstag der BVG betrieb diese 89 Straßenbahnlinien und ein Netz mit 634 km Streckenlänge, besaß 4000 Straßenbahnfahrzeuge und beschäftigte 14.400 Personen allein bei der Straßenbahn. Die Straßenbahn leistete 170 Millionen Wagenkilometer pro Jahr und beförderte 1929 929 Millionen Fahrgäste. Ende diesen Jahres gab es bereits 93 Straßenbahnlinien.

Anfang der 30er Jahre begann langsam der Abstieg des riesigen Berliner Straßenbahnnetzes. Nachdem 1930 bereits die historische, erste elektrische Straßenbahnstrecke in Lichterfelde stillgelegt wurde, folgte am 31. Oktober 1934 die älteste Straßenbahnlinie Deutschlands: die Charlottenburger Chaussee (heute Straße des 17. Juni) wurde von den Stadtplanern der Nazis zur monumentalen Ost-West-Achse umgebaut, die Straßenbahn musste weichen. 1938 gab es noch 71 Straßenbahnlinien, 2800 Fahrzeuge und rund 12.500 Beschäftigte. Das Omnibusnetz wurde dagegen konsequent erweitert, seit 1933 gab es in Berlin außerdem Oberleitungsbusse.

Während des 2. Weltkriegs wurden zur Einsparung von Mineralöl einige Verkehrsaufgaben von Omnibus und Lastkraftwagen auf die Straßenbahn (zurück-)verlagert, unter anderem wurde ein umfangreicher Güterverkehr eingerichtet; viele Unternehmen und einige Häfen erhielten einen Gleisanschluss an die Straßenbahn. Durch Luftangriffe (ab März 1943), Personal- und Strommangel gingen die Fahrleistungen der Straßenbahn im Verlauf des Krieges immer weiter zurück, bis der Betrieb während des Endkampfs um Berlin am 23. April 1945 völlig zusammenbrach.

Die Straßenbahn seit 1945

Trotz immenser Zerstörungen an Strecken, Fahrzeugen und Betriebshöfen verkehrten am 20. Mai 1945 bereits wieder Straßenbahnlinien in Berliner Außenbezirken, bis Ende 1945 konnten 328 km Straßenbahnstrecke wiedereröffnet werden.

Die BVG wurde in Folge der politischen Spaltung Berlins am 1. August 1949 geteilt. Es entstanden zwei getrennte Unternehmen, die BVG-West in den drei Westsektoren (36 Straßenbahnlinien) und die BVG-Ost (13 Linien), ab 1969 VEB Kombinat Berliner Verkehrsbetriebe (BVB) im sowjetischen Sektor. Am 14. Oktober 1950 wurden die Straßenbahnlinien von West-Berlin ins brandenburgische Umland (nach Kleinmachnow und Schönefeld), am 15. Januar 1953 die Linien über die innerstädtische Sektorengrenze eingestellt. Anlass für letzteres Ereignis war die Tatsache, dass die BVG-Ost Frauen als Fahrerinnen einsetzte, was man im Westen als Provokation ansah und den gemeinsamen Linienbetrieb aufkündigte. Die Linien der einen Stadthälfte endeten nunmehr an der Grenze, die Fahrgäste überquerten diese zu Fuß und fuhren mit der gleichnamigen Linie der anderen Stadthälfte (und demselben Fahrschein) weiter.

West-Berlin

1952 fiel in West-Berlin die Entscheidung zur schrittweisen Stillegung der Straßenbahn; ab 1954 wurden ihre Linien durch Omnibusse und in Einzelfällen durch die in den Folgejahrzehnten großzügig ausgebaute U-Bahn ersetzt. Zuerst wurde der Norden West-Berlins „straßenbahnfrei“, 1958 schlossen die Betriebshöfe Müllerstraße und Tegel, am 30. September 1960 der Betriebshof Reinickendorf sowie die Straßenbahnlinie 35, die letzte im französischen Sektor der Stadt. Ende 1962 gab es im Westteil der Stadt noch 18 Straßenbahnlinien.

Am 22. März 1965 wurde die letzte Obuslinie Berlins stillgelegt. Das Verkehrsmittel konnte sich hier, anders als in anderen Großstädten, nie recht durchsetzen und wurde zu keiner ernsthaften Konkurrenz für die Straßenbahn.

Ende 1965 betrieb die BVG-West noch acht Straßenbahnlinien, die Stillegungen wurden in hohem Tempo fortgesetzt. Am 2. Oktober 1967 fuhr zum letzten Mal eine Straßenbahn in West-Berlin; die letzte Linie (Nr. 55, vom Bahnhof Zoo über den Spandauer Damm bis Spandau-Hakenfelde) wurde stillgelegt.

Ost-Berlin

 
Zweiachsige Trieb- und Beiwagen der BVG-Ost, Bj. 1961

Auch im Ostteil der Stadt mussten zahlreiche Straßenbahnstrecken der autoorientierten Verkehrsplanung der 50er und 60er Jahre weichen, vor allem in den Bezirken Mitte und Treptow. 1967 wurden etwa, mit Fertigstellung der Neubebauung am Alexanderplatz, die Linien durch das Zentrum Ost-Berlins stillgelegt. Angeblich enstanden aufgrund der vielen Unfälle und Straßenbahnverspätungen ein volkswirtschaftlicher Schaden von 2,5 Millionen Mark. Auch danach gab es noch Stilllegungen, unter anderem in der Baumschulenstraße und in der Leipziger Straße.

Ende der 70er Jahre wendete sich jedoch das Schicksal der Berliner Straßenbahn, denn um die neue enstandenen Großsiedlungen, wie Marzahn, später Hohenschönhausen und zuletzt Hellersdorf, zu erschließen, wurde viele verschieden Straßenbahnstrecken gebaut, denn die S-Bahn reichte dort als Schnellbahn nicht aus. Teilweise sind diese neuen Strecken bereits vor der Fertigstellung der Siedlungen entstanden, sodass sogar die Bauarbeiter mit der Straßenbahn zur Baustelle fahren konnten. Bei der Errichtung dieser Strecken achtete man auf die Geschwindigkeit und Integration in das Stadtbild, und so erhielten die neuen Strecken zum Großteil einen vom Straßenverkehr unabhängigen Gleiskörper mit Rasengleis. Auch aus energiepolitischen Gründen spielte die – im Gegensatz zum Dieselbus – durch heimische Energieträger (Braunkohle-Verstromung) angetriebene Straßenbahn, wie auch in vielen anderen Städten der DDR, die wichtigste Rolle im innerstädtischen Verkehr. Dennoch kam es nicht zu einer Wiedereinführung der Straßenbahn im Ost-Berliner Zentrum, hier wurden die Fahrgastströme durch die U-Bahnlinie A (heute Teil der Linie U2) und der S-Bahn aufgefangen.

Die Straßenbahn nach der Wiedervereinigung

 
Gelenktriebwagen KT4D der BVB, Bj. 1980

Im Jahr 1992 wurden BVG (West) und BVB (Ost) wieder zur BVG vereinigt, das Unternehmen nannte sich nun Berliner Verkehrsbetriebe. Neben Bus- und U-Bahnlinien betrieb die neue BVG nun auch die nur in den Ostbezirken verkehrende Straßenbahn. Es gab einige kritische Stimmen gegen die Straßenbahn, saßen doch die Beamten, die die Straßenbahn in West-Berlin abgeschafft hatten immer noch in den Cheftetagen. Vor allem gab es Überlegungen, das Pankower Straßenbahnnetz stillzulegen, da einerseits die Straßenbahnen in der Schönhauser Allee parallel zur U-Bahnlinie U2 fahren und andererseits weil der Streckenast nach Rosenthal nicht ausgelastet war. Dies war jedoch, auch im Zusammenhang mit dem Bau vieler neuer Straßenbahnnetze in Europa, kaum durchzusetzen und so präsentierte bald darauf der zuständige Senator für Verkehr, der CDU-Politiker Herwig Haase, Pläne für die Reaktivierung der Straßenbahn in West-Berlin. Eine neue Strecke sollte von der Warschauer Straße zum Hermannplatz führen, ebenso sollte die Straßenbahn von der Björnsonstraße die Seestraße weiter entlang fahren. Ebenso war es angedacht, Strecken durch die Leipziger Straße zum Potsdamer Platz zu bauen, ebenso wie eine isolierte Straßenbahnlinie in Spandau.

1995 wurde die erste und bisher einzige Strecke in drei Etappen Richtung Westen eröffnet, das Rudolf-Virchow-Klinikum, die Osloer Straße und die Müllerstraße, die alle im Bezirk Wedding liegen, sind seitdem wieder an das Straßenbahnnetz angeschlossen.

Seit 1997 hält die Straßenbahn wieder direkt am Bahnhof Friedrichstraße. Zuvor war ein langer Fußweg zurückzulegen, um zu dem in der gleichen Zeit sanierten Bahnhof zu kommen. Seitdem halten die Straßenbahnen in der neu angelegten Wendeschleife „Am Kupfergraben“ in der Nähe der Humboldt-Universität und der Museumsinsel.

Im Jahr darauf folgte die Wiedereröffnung der Straßenbahn am Alexanderplatz. Diese fährt nun direkt über den Platz und hält sowohl einmal am U-Bahnhof der U2 und einmal am Bahnhofsgebäude der Regional- und S-Bahn, wo auch ein direkter Übergang zur U8 besteht. Kritiker befürchteten vermehrt Personenunfälle, da die Straßenbahn direkt durch eine Fußgängerzone fährt. Dies bewahrheitete sich jedoch nicht.

Im Jahr 2000 wurden die Straßenbahngleise vom S-Bahnhof Warschauer Straße direkt bis an den U-Bahnhof verlängert. Da hier jedoch kein Platz für eine Wendeschleife bestand, beschloss die BVG hier ein stumpfendendes Gleis einzurichten. Dafür wurden extra Zweirichtungsfahrzeuge beschafft. Die Gleise, die auf der Oberbaumbrücke bereits 1995 verlegt worden sind, bleiben jedoch bis heute ungenutzt, da eine Verlängerung der Straßenbahn bis zum Hermannplatz derzeit finanziell nicht realisierbar erscheint.

Seit dem gleichen Jahr fährt die Straßenbahn im Pankower Netz nun nicht mehr nur bis Französisch Buchholz Kirche, sondern noch weiter bis zur Guyotstraße. Mit dieser Verlängerung, vom Berliner Fahrgastverband IGEB „Wiesenbahn“ genannt, erhielt auch die dortigen Neubaugebiete mit Einfamilienhäusern einen Bahnanschluss.

Dennoch werden wesentlich weniger Neueröffnungen und Reaktivierungen von Straßenbahnstrecken realisiert, da sich Berlin in einer extremen Haushaltsnotlage befindet.

Heute befördert die Berliner Straßenbahn pro Jahr um die 160 Millionen Fahrgäste.

Netz

Das 187,7 Kilometer lange Straßenbahnnetz erstreckt sich, mit wenigen Ausnahmen, auf die nördlich der Spree gelegenen Stadtteile des früheren Ost-Berlin. In den Bezirken Pankow und Köpenick bestehen weitgehend eigenständige Teilnetze, die nur über jeweils eine Strecke mit dem übrigen Netz verbunden sind. Dieses gliedert sich im Wesentlichen in die vom Bezirk Mitte ausgehenden Radiallinien und die quer dazu verlaufenden Teilring- und Tangentialstrecken. Letztere haben in Berlin eine lange Tradition; vor der Spaltung des Straßenbahnbetriebs gab es mehrere in unterschiedlichem Radius das Zentrum umfahrende, geschlossene Ringlinien. Reste dieser Ringstrecken werden von den Metrotramlinien M10, M13 und M17 befahren. Langfristig sollen diese Ringe wieder geschlossen werden. Ein erster Schritt ist dazu die Verlängerung der M10 2008 zum Lehrter Bahnhof.

Seit der Neukonzeption des Liniennetzes im Dezember 2004 gibt es in Berlin 21 Straßenbahnlinien:

Fahrzeuge

 
Modernisierter Tatra-Vierachser T6A2-M, Bj. 1988.

Die Berliner Straßenbahn verfügt heute über zwei verschiedene Fahrzeugfamilien.

Neben in den Jahren 1993-97 modernisierten Hochflurfahrzeugen des tschechischen Herstellers Tatra (vierachsige Gelenkwagen KT4D und vierachsige Großraumwagen T6A2) gibt es niederflurige, sechsachsige Doppelgelenktriebwagen in Ein- und Zweirichtungsausführung (GT6N und GT6N-Z).

Die Anzahl der Straßenbahnfahrzeuge wird seit der Wende kontinuierlich reduziert. Zur Wende besaß die BVG 1.024 Fahrzeuge, derzeit sind es noch etwa 600. Die Reduzierung erfolgt, da neue, modernere Fahrzeuge im Durchschnitt eine mehr als doppelt so hohe Fahrleistung pro Jahr erreichen (bis zu 100.000 km).

Da die Straßenbahnen der Typen KT4D-t mod/KT4D mod und T6A2/B6A2 nur noch bis etwa 2010 wirtschaftlich zu betreiben sind, läuft gerade eine europaweite Ausschreibung für 152 neue Straßenbahnen, deren Bedingung es ist, dass sie zu 100% niederflurig sind. Geliefert werden sollen zur Hälfte Einrichtungs- und zur anderen Hälfte Zweirichtungsfahrzeuge, damit die BVG einerseits besser auf Baustellen und Störungen reagieren kann und andererseits auch, um zwecks Kosteneinsparung statt einer Wendeschleife eine Stumpfendstelle bauen zu können. Das Investitionsvolumen beträgt laut BVG 400 Millionen Euro. Bereits im Fahrgastbetrieb getestet wurde der Wiener Straßenbahntyp ULF und der für Nantes bestimmte Typ Incentro von Bombardier.

Zusammen mit den vorhandenen 150 Niederflurfahrzeugen wird in naher Zukunft die Fahrzeugflotte aus rund 300 Fahrzeugen bestehen.

Sonstiges

Das Berliner Straßenbahnnetz ist heute der größte Betrieb in Deutschland und, trotz der vielen Stillegungen, immer noch einer der größten weltweit.

Im Berliner Umland gibt es vier weitere Straßenbahnbetriebe, die nicht zur BVG gehören:

Die drei letztgenannten Betriebe liegen in kleinen Orten am östlichen Rand Berlins und besitzen jeweils nur eine einzige Linie.

Quellen

Literatur

  • Hilkenbach/Kramer: Die Straßenbahn der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG-Ost/BVB) 1949-1991. Transpress, Stuttgart, 1997.
  • Gympel: U-Bahn Berlin. Geschichte(n) für unterwegs. GVE, Berlin 2002.
  • Arbeitsgemeinschaft Blickpunkt Straßenbahn e.V.: Straßenbahnatlas Deutschland 1996. Berlin.
Commons: Berlin Tramway – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien
  • bvg.de Die Website der Betreibergesellschaft BVG.
  • strassenbahn-berlin.de Private Website von Ralf Müller, mit sehr umfangreichen Informationen zum Berliner Stadtverkehr und zur Straßenbahn. Nicht zuletzt zur Darstellung der schwer durchschaubaren Unternehmensgeschichte war sie die wichtigste Quelle für diesen Artikel.
  • chronik-berlin.de Website mit sehr ausführlicher Darstellung der Stadtgeschichte und drei langen, eigenen Seiten zur Straßenbahn. Die Nachkriegsentwicklung wird ausschließlich aus West-Berliner Sicht dargestellt.
  • berlin-straba.de Private Website des Berliner Straßenbahnfahrers M. Götze mit zahlreichen Bildern und aktuellen Informationen.
  • diegeschichteberlins.de Beitrag von Heinz Jung über die Einführung von Liniennummern auf der Berliner Straßenbahn 1902.