Naturschauspiel

in Erstaunen oder Furcht versetzender Vorgang in der Natur
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Ein Naturschauspiel ist ein deutscher Ausdruck vornehmlich des 19. Jahrhunderts für einen bewegten Vorgang in der Natur, der Menschen in Bewunderung und Staunen ohne Furcht versetzt. Er schließt an die Theatermetapher vom „Schauspiel“ an[1] und erklärt die Natur zur Bühne: Was hier vor sich geht und wahrgenommen wird, hat ästhetisch Bedeutung (ist „schön“, „einzigartig“ oder „erhaben“).

Kranichzug

Beispiele

Zu den Naturschauspielen gehören sehr oft optische Eindrücke, wie das Nordlicht, das Zodiakallicht und das Meeresleuchten, auch Alpenglühen, Wetterleuchten, Sternschnuppenschwärme, Regenbögen, Morgen- oder Abendrot. Akustisch kann auch ein Gewitter („Donnerwetter“) oder Wasserfall zum Naturschauspiel dienen. Manche Naturschauspiele sind selten, wie Geysire, Sonnenfinsternisse oder Kometen. Es kann sich auch um von Tieren ausgehende Naturschauspiele handeln, wie ein rufender Kranichzug.

Kultursoziologische Einordnung

In vorangehenden Jahrhunderten waren diese Naturerscheinungen durchaus auch auffällig, wurden aber als göttliche Anzeichen („Gottes Finger“, Omina) wichtiger genommen und eher als zu fürchtende und zu deutende Voraussagen aufgefasst. Insofern ist der soziale Wandel von der Anzeige eines möglichen Unheils zum (nur noch) „Naturschauspiel“ ein kultursoziologisch zu nehmendes Anzeichen, dass die Bedeutung (die mögliche Fürchterlichkeit) der Natur in einer Gesellschaft zurück getreten ist und der ungefährdeten Bewunderung Platz gemacht hat.[2]

Künstlerische Übernahmen

 
Caspar David Friedrich
Landschaft mit Regenbogen
um 1810

Zahlreiche Werke zumal der bildnerischen und dichterischen Kunst geben Naturschauspiele wieder. So zeigen viele Gemälde von Caspar David Friedrich Beobachter von Naturschauspielen (vgl. Abb. links). Ein hochpathetisches dichterisches Beispiel ist der Gesang der drei Erzengel als Prolog im Himmel von Goethes Faust: „Die Sonne tönt nach alter Weise . . .“ - Vgl. aber auch z. B. den „großen Kranichtanz auf dem Kullaberg“ (Kap. 5 von Selma Lagerlöfs Niels Holgersson von 1907).

Anmerkungen

  1. Bei Goethe ist diese Ableitung noch nahe, wenn er in seinen Indischen Dichtungen an der Sakuntala lobt: Weibliche Reinheit, schuldlose Nachgiebigkeit, Vergeßlichkeit des Mannes, mütterliche Abgesondertheit, Vater und Mutter durch den Sohn vereint, die allernatürlichsten Zustände, hier aber in die Regionen der Wunder, die zwischen Himmel und Erde wie fruchtbare Wolken schweben, poetisch erhöht, und ein ganz gewöhnliches Naturschauspiel, durch Götter und Götterkinder aufgeführt.
  2. Zum sozialen Wandel von der Bedrohlichkeit der Natur zu ihrer Ästhetisierung in der Soziologie des Landschaftsparks vgl. Volker von Borries/Lars Clausen/Karl Simons: Siedlungssoziologie, Kösel, München 1978.

Siehe auch