Hamburger Schule (Popmusik)

Musikbewegung
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Die Hamburger Schule ist eine lose Musikbewegung, die Ende der 1980er Jahre entstand und bis Mitte der 90er Jahre aktiv war. Sie knüpfte an Traditionen der NDW an und verband sie mit Elementen von Punk, Grunge und Pop. Sie war (und ist) damit ein wichtiger Teil der deutschen Jugendkultur und brachte ein neues Selbstverständnis für den Gebrauch der deutschen Sprache in der Popmusik mit sich.

Begriff

Anfangs rein von Hamburger Bands wie Cpt. Kirk, Kolossale Jugend, Ostzonensuppenwürfelmachenkrebs, Die Erde, Blumfeld oder Huah! getragen, ist die Hamburger Schule nicht einfach ein "Sammelbecken ähnlich klingender Musik". Sie zeichnet sich vor allem durch deutschsprachige Texte aus, die oft hohen intellektuellen Anspruch haben und umfangreich mit Gesellschaftskritik und postmodernen Theorien verbunden sind. Darum war und ist es auch nicht verwunderlich, dass ihr insbesondere von der linksintellektuellen Musikpresse wie etwa der Spex gehuldigt wurde. Im Vordergrund steht aber nicht allein die deutsche Sprache, denn wie schon bei den frühen Punks in Deutschland wurde diese weniger bewusst gewählt, sondern war ganz natürlich als Muttersprache das Medium Ausdruck und Inhalt. Die Homogenität findet sich somit im Hintergrund - in der Musik - vielleicht auch einer der Gründe, warum vor allem die frühen Bands der Hamburger Schule deren Existenz gerne bestreiten. Die sozialen und insbesondere politischen Verflechtungen und Kooperationen allerdings unterstützten den Bewegungsgedanken wiederum.

Die Anfänge

Ende der 1980er entstand in Hamburg eine deutschsprachige Musikszene, deren Bands aber bis auf "Die Antwort" keinen Plattenvertrag hatten und nicht veröffentlichten. Erst mit der Gründung des Labels L'age d'or im Oktober 1988 bekam diese Musik ihre Plattform. Dessen Gründer Carol von Rautenkranz und Pascal Fuhlbrügge gaben vielen Bands Verträge und veröffentlichten eine Vielzahl Alben. Großen Anteil an der Hamburger Schule hatte von Beginn an auch Chris von Rautenkranz. Der Bruder von Carol von Rautenkranz produzierte und produziert viele L'age d'or-Bands im bereits legendären Hamburger Tonstudio "Soundgarden". Ebenfalls großen Einfluss auf das Wirken der Hamburger Schule hatte Alfred Hilsbergs Label What's so funny about?. Hier erschienen beispielsweise die revolutionären ersten Blumfeld-Alben, Die Erde, Cpt. Kirk und Mutter.

Bald zählte man auch andere deutschsprachige Bands aus anderen Teilen des Landes zur Hamburger Schule. Es entstand zum Beispiel die "Hamburg-Ostwestfalen-Verbindung": In Bad Salzuflen, Ostwestfalen hatte sich eine eigene Szene deutschsprachiger Musik gebildet, aus der das Label Fast Weltweit entstanden ist. Zu den Gründern gehörten Frank Werner, Frank Spilker (Die Sterne), Michael Girke, Bernadette La Hengst (Die Braut haut ins Auge) und Jochen Distelmeyer (damals "Bienenjäger", heute Blumfeld). Die Hamburgverbindung entstand durch Bernd Begemann, der, auch aus Bad Salzuflen stammend, als erster nach Hamburg zog um dort die Band "Die Antwort" zu gründen. Dadurch traten immer wieder Fast-weltweit Bands in Hamburg auf, bis viele der Musiker schließlich selbst nach Hamburg zogen. Tilman Rossmys Die Regierung, eine weitere Hamburger-Schule-Band der ersten Generation, die bereits 1980 als NDW-Band gegründet wurde, stammt ebenfalls nicht aus Hamburg sondern aus Essen.

Aufstieg und Fall

Mitte der 1990er Jahre wurden insbesondere drei Bands sehr erfolgreich: Blumfeld, Die Sterne und Tocotronic. Die Hamburger Schule galt zu dieser Zeit als Inbegriff und Begründer des deutschen Indiepops. Ferner erlangten durch den Erfolg der Hamburger Schule auch viele deutschsprachige Gitarrenbands eine höhere Bekanntheit, deren Ansätze in Musik und Text nicht unbedingt mit der Hamburger Schule zu vergleichen waren. Durch die Etablierung einer landesweiten, deutschsprachigen Indiepopszene verlor der Begriff "Hamburger Schule" allerdings allmählich an Bedeutung.

Weitere Künstler, die der Hamburger Schule zugeordnet werden, sind: etwa die Lassie Singers, Milch, Mutter, Rocko Schamoni oder auch die Moulinettes. Allerdings muß hier festgestellt werden, daß die Bandbreite der musikalischen Inhalte mit der Zeit derart zunahm, daß von einem einheitlichen Musikstil kaum mehr gesprochen werden kann. Da einige Bands aus dem musikalischen Umfeld inzwischen teils auch wieder fremdsprachige Texte verwenden löst sich der Genrebegriff zusehends mehr auf.

Wiederbelebung

Ende der 90er kam es zu einer neuen Welle deutscher Gitarrenmusik mit intellektuellem Anspruch: Eine neue Generation von Musikern, die sich erkennbar an deren Tradition orientiert und sich eine durch höhere musikalische Homogenität (Gitarrenpop mit Punk-Anleihen)auszeichnet. Zu dieser neuen Generation gehören zum Beispiel Spillsbury, Kettcar, Erdmöbel, Kajak, Justin Balk, Virginia Jetzt!, Astra Kid, Anajo oder Tomte.

Ein sehr eng mit dieser Musik zusammenstehendes Fanzine ist die Zeitschrift Pittiplatsch3000, die sich zwar nicht ausschließlich, aber mit sehr viel Liebe den unbekannten deutschsprachigen Bands verschrieben hat. Und mit ihren kleinen aber feinen pOP yOU - Compilations einen schönen Überblick über die unbekannte deutsche Szene gibt.

Im September 2002 gründeten Thees Uhlmann von Tomte und Marcus Wiebusch und Reimer Bustorff von Kettcar in Hamburg das Label Grand Hotel van Cleef, das sich wie auch L'age d'or besonders um die regionale Szene verdient macht. Obwohl die Gründung von GHVC vielleicht eine der bedeutenden in diesem Bereich ist gibt es auch viele neue kleine Labels und Bands, die die Szene in der jüngeren Zeit deutlich vorangebracht haben. Ein jährliches Treffen der manchmal scherzhaft als "Trainingsjackenfraktion" benannten Gitarrenpopfans ist das Immergutfestival bei Neustrelitz, nördlich von Berlin.