Russlandmennoniten

Ethnie
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Die Russlandmennoniten sind Mennoniten, die sich im 16. und 17. Jahrhundert im westpreußischen Weichseldelta angesiedelt haben, später für ca. 200 Jahre in der Ukraine zuhause waren und sich dann in verschiedenen Migrationswellen über den gesamten Erdball verstreut haben. Die eigentliche Sprache der Russlandmennoniten ist Plautdietsch, eine westpreußische Varietät des Niederdeutschen. Diese Sprache ist im Weichseldelta als Verschmelzung von verschiedenen mitgebrachten (niederländischen, friesischen und flämischen) Dialekten und niederpreußischen Dialekten entstanden und wird heute noch weltweit von ca. einer halben Million Menschen gesprochen. Ein großer Teil der Russlandmennoniten bekennt sich heute nicht mehr zu den ursprünglichen Glaubensüberzeugungen der Mennoniten und stellt als ethno-religiöse Sprachgemeinschaft eine weltweit verstreute ethnische Minderheit dar. In Deutschland leben heute ca. 200.000 russlanddeutsche Aussiedler mit plautdietschen bzw. russlandmennonitischem Hintergrund.

Geschichte

Viele Anhänger der (im Zuge der Reformation entstandenen) protestantischen Freikirche der Mennoniten - benannt nach dem holländischen Reformator Menno Simons aus der Bewegung der Wiedertäufer - siedelten sich im Weichseldelta (bei Danzig) an. Auf Einladung von Katharina II. bzw. Paul I., also Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts, wanderten Tausende dieser Mennoniten von Westpreußen nach Südrussland (in die heutige Ukraine) aus. Die neuen Siedler niederländisch-niederdeutscher Herkunft - versehen mit Privilegien wie Religionsfreiheit und Aussicht auf Landerwerb - sollten die von den Türken zurückeroberten Landstriche urbar machen und den ukrainischen Nachbarn als Muster-Landwirte dienen. Im Laufe einiger Jahrzehnte gründeten die Russland-Mennoniten in ihrer neuen Heimat am Dnjepr zwei große "Mutterkolonien" mit insgesamt fast hundert Dörfern. Die erste, auch "Alt-Kolonie" genannt, ist als die Chortizaer Ansiedlung bekannt geworden. Heute ist dort die ukrainische Großstadt Saporoshje. Das zweite mennonitische Siedlungszentrum, entsprechend als "Neu-Kolonie" bezeichnet, lag an einem kleinen Fluss namens Molotschna und wurde daher Molotschnaer Ansiedlung genannt. In diesen Kolonien wurde ziemlich bald der Landmangel, der in der Erbteilungstradition begründet war, zu einem großen Problem. Während der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts (und später) entstanden daher unzählige "Tochterkolonien", die über weite Gebiete des Russischen Reiches verstreut lagen.

Da sich am Ende des 18. Jahrhunderts in der Kirchensprache Westpreußens gerade ein Wandel vom Niederländischen zum Hochdeutschen hin vollzog, nahmen die Auswanderer größtenteils schon deutsche Bibeln und Gesangbücher mit nach Südrussland bzw. in die heutige Ukraine. In den folgenden Jahrhunderten war nun Hochdeutsch die Sprache für Kirche und Schule; Plautdietsch blieb nicht nur Umgangssprache, es wurde neben den religiösen Traditionen auch zu einem Faktor, der wichtig für Identität und Selbstbewusstsein wurde. Diese gemeinsame Sprache war ein starkes Bindeglied und deutliches Erkennungsmerkmal einerseits, aber es bot auch eine (hauptsächlich aus religiösen Gründen erwünschte) Abgrenzung von den übrigen deutschstämmigen Siedlern in Russland.

Die Russlandmennoniten wanderten schon im vorigen Jahrhundert aus den russischen Siedlungsgebieten zunächst hauptsächlich nach Kanada und in die USA aus. Von dort aus gingen die Wanderströme später auch nach Mexiko, Paraguay und in andere Länder Mittel- und Südamerikas. Größere Migrationsbewegungen in die verschiedensten Richtungen gab es auch infolge des zweiten Weltkrieges, vor allem auch über Deutschland nach Lateinamerika. Schon in den 70er Jahren begann zudem auch die Emigration von den im Sowjetreich eingeschlossen gebliebenen Russland-Mennoniten, die inzwischen größtenteils in Deutschland leben: Schätzungsweise jeder 10. russlanddeutsche Aussiedler stammt aus einer plautdietschen Familie mit dem oben skizzierten russlandmennonitischen Hintergrund, während fast alle anderen Aussiedler aus süddeutschen Regionen stammen.

Die Russlandmennoniten leben heute auf dem gesamten Globus, vor allem aber in Kanada, in den USA, in Paraguay und (hauptsächlich als Aussiedler) auch in Deutschland. Offizielle Zahlen zu den Russlandmennoniten bzw. Plautdietsch-Sprechern existieren nicht, es werden wohl ca. eine halbe Million weltweit sein, davon ca. 200.000 in Deutschland. Die Plautdietschen haben aufgrund ihrer von weltweiter Migration geprägten Sprachgeschichte und als russlandmennonitische / ethno-religiöse Sprachgemeinschaft eine etwas komplizierte Identität. Sie gehören (jeweils teilweise) zu den folgenden vier Gruppen von Menschen:

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