Ricin oder Rizin, ein äußerst toxisches Lektin aus den Samen von Ricinus communis - Familie der Wolfsmilchgewächse-, ist ein starker Inhibitor der eukaryotischen Proteinsynthese. Rizin ist einer der giftigsten Eiweißstoffe, welcher in der Natur vorkommt. Gelangt das Gift in den menschlichen Organismus, so bringt es die kontaminierten Zellen zum Absterben. Für eine tödliche Vergiftung eines Erwachsenen sollen 0,25 Milligramm isoliertes Rizin oder einige der schön ornamentierten, Samenkörner genügen. Bei Kindern entsprechend weniger. Hier können, je nach Alter und Konstitution, schon 0,5 Samenkörner tödlich wirken!
Ricin ist nicht fettlöslich. Deshalb ist es auch nicht im Rizinusöl enthalten, das durch Pressen der Samen gewonnen wird.
Vergiftungsfolgen
Da Rizin meist versehentlich durch den Verzehr von Rizinus-Samen aufgenommen wird, werden vor allem Zellen des Verdauungstraktes in Mitleidenschaft gezogen (Magen, Darm, Leber, Nieren). Letztlich führt eine Vergiftung mit Rizin auch zu einer Zerstörung der roten Blutkörperchen. Nach der Aufnahme einer tödlichen Dosis tritt der Tod nach 36 bis 72 Stunden ein.
Das Gift kann auch inhaliert (als Aerosol eingeatmet) oder injiziert werden. Die Symptome ändern sich dementsprechend: Lungenödem und Atemstillstand bzw. schwere Lähmungen sind die Folge.
Symptome
Etwa 4 bis 8 Stunden nach dem Verzehr der Samen:
Erste Hilfe
- Erbrechen lassen
- Aktivkohlepulver
- In der Klinik: Sofortige Magenspülung
Gegen eine Vergiftung mit Rizin gibt es zurzeit noch kein öffentlich bekanntes Antidot.
Wirkungsweise
Rizin besteht aus zwei verschiedenen Polypeptiden - die A- und die B-Kette - die durch Sulfidbrücken miteinander verbunden sind. Dabei dient die B-Kette zur Bindung an die Zelloberfläche und unterstützt dadurch das Eindringen der A-Kette in das Cytoplasma.
Die in das Zytoplasma eingedrungene A-Kette, oder Ricin A, wirkt wie ein Enzym - genauer: wie eine RNA-N-Glycosidase - welches Ribosomen inaktiviert. Ricin A modifiziert ferner die betroffenen Ribosomen derart, dass zum einen die Bildung des Initiationskomplexes während der Initiation beeinträchtigt - es erfolgt eine starke Verlangsamung dieses Vorgangs der Translation auf ein Sechstel der sonst üblichen Geschwindigkeit - und zum anderen der Translokationsschritt während der Elongation unterbunden wird.
Wegen ihrer zytostatischen, also einer wachstumshemmenden Wirkung auf Zellen, werden Toxine vom Typ des Rizins inzwischen vermehrt auf ihre Eignung als Therapeutika bei Tumoren untersucht.
Gebrauch als Biowaffe
Rizin wurde von der britischen Armee aufgrund seiner extremen Toxizitätauf eine Verwendbarkeit als Kampfmittel geprüft, sein Einsatz jedoch verworfen und die entsprechenden Vorräte vernichtet, insbesondere, da es sich nur schwer als Aerosol verbreiten läßt und eher für Anschläge auf Einzelpersonen geeignet ist. Es fällt sowohl unter die Biowaffenkonvention als auch unter die Chemiewaffenkonvention.
Ob das Gift auch von Saddam Hussein, wie verlautet, im Rahmen der im Irak zeitweise betriebenen Produktion von Massenvernichtungsmitteln hergestellt wurde, lässt sich nicht eindeutig beurteilen.
Traurige Berühmtheit erlangte der Mordanschlag mit Rizin als "Regenschirmattentat" auf den bulgarischen Schriftsteller und Dissidenten Georgi Markov in London 1978. Der Täter, ein mutmaßlicher Agent des damaligen bulgarischen Geheimdienstes, verletzte das Opfer scheinbar zufällig mit einer präparierten Regenschirmspitze. Dabei wurde ein winziges Platinkügelchen von ca. 1 mm Durchmesser in den Oberschenkel des Opfers injiziert. In der Platinkugel fanden sich 2 dünne Röhren, die mit 40 mg Rizin gefüllt waren und die daraufhin kontinuierlich dieses Gift freisetzten. Das Platinkügelchen wurde bei der Obduktion entdeckt. Zunächst als harmloser Zwischenfall abgetan, wurde die Ursache der spät einsetzenden Symptome der Vergiftung erst spät erkannt. Markov starb 3 Tage nach dem Attentat.
1991 wurden in Minnesota mehrere Mitglieder der rechtsextremistischen Gruppe Patriot's Council festgenommen, weil sie für einen Anschlag auf Bundespolizisten eine Menge an Rizin hergestellt hatten, die für über 100 Tote ausreichend gewesen wäre. Vier von ihnen wurden gemäß dem "Biological Weapons Anti‑Terrorism Act" von 1989 für schuldig befunden, sie waren die ersten nach diesem Gesetz Verurteilten überhaupt.
1995 wurde an der kanadisch-amerikanischen Grenze ein ebenfalls dem rechtsextremistischen Lager zugerechneter Mann beim versuchten Schmuggel von 130 Gramm pulverisiertem Rizin festgenommen.
Die Londoner Times berichtete am 16. November 2001, dass in verlassenen al-Qaida-Häusern in Kabul Herstellungsanleitungen für Rizin gefunden wurden; allerdings kein Rizin selbst.
Im August 2002 gaben US-Behörden bekannt, dass die islamistische Terrororganisation Ansar al-Islam Versuche mit Rizin und mit anderen chemischen und biologischen Kampfstoffen im Nord-Irak angestellt habe.
Am 9. Januar 2003 meldete dpa, daß in London kleinere Mengen Rizin sowie Geräte zu seiner Herstellung gefunden wurden. In diesem Zusammenhang wurden sechs Algerier festgenommen.
Weblinks
Literatur
- Roth, Daunderer, Kormann: Giftpflanzen, Pflanzengifte. ecomed, Landsberg/Lech, 1994. ISBN 3-933203-31-7