Archangelsk (russisch Архангельск) ist eine Hafenstadt in Nordrussland mit 343.000 Einwohnern (Stand: 2004) oberhalb der Mündung der Nördlichen Dwina in das Weiße Meer. Die geographische Lage ist: 64,57° Nord, 40,53° Ost.
Zur gleichnamigen Region zählen außer dem Archangelsker Gebiet auch der Autonome Bezirk der Nenzen sowie die Inseln Nowaja Semlja und Franz-Josef-Land.
Geschichte
918/970 : Bjarmeland
Für das Jahr 918 erzählt die Heimskringla eine Geschichte von Eirik Blodøks (Blutaxt), der nach Bjarmeland (Russland) fuhr. In der Egil Saga heißt es: "Viele Dinge geschahen während dieser Reise. Eirik kämpfte eine große Schlacht am Fluß Dwina, in Bjarmeland, und war siegreich." Weiter erzählt die Heimskringla, wie Harald Gråfell (Graufell) seine Armee im Sommer 970 nach Norden, nach Bjarmeland führte, plünderte und am Ufer der Dwina eine große Schlacht gegen die Bjarmen (Russen) führte. Harald gewann die Schlacht, tötete viele Menschen und machte reiche Beute.
12. Jhdt. : Erzengel-Michael-Kloster
Am Kap Pur-Nawolok, dem Kap der Nebel, wo das Delta der Nördlichen Dwina beginnt, bevor der Fluß sich in eine Vielzahl von Armen verzweigt und 40 km weiter ins Weiße Meer fließt, gründeten Novgoroder Mönche im 12. Jahrhundert das Erzengel-Michael-Kloster, an das eine Siedlung und eine Anlegestelle für Fischerboote grenzten. Die Gründung des Klosters wird dem Heiligen Johannes, Erzbischof von Nowgorod, zugeschrieben.
1419 : Streit um Kola
Nowgorod, neben Kiew das zweite, nördliche Zentrum des alten Russland, hatte seinen Einflussbereich seit dem 12. Jahrhundert weit nach Nordwesten, bis zur Halbinsel Kola ausgedehnt, doch auch Norwegen erhob Anspruch auf den ertragreichen Pelzhandel und die Steuerhoheit. 1251 wurde eine Vereinbarung getroffen, die die Steuererhebung regelte, doch diese Vereinbarung wurde bald gebrochen.
1411 führte der Nowgoroder Jakow Stepanowitsch einen Feldzug gegen Nordnorwegen. Dies scheint der Anfang einer Reihe kriegerischer Auseinandersetzungen zwischen Russen und Norwegern in der ersten Hälte des 15. Jahrhunderts gewesen zu sein, und 1419 drangen norwegische Schiffe mit 500 Soldaten bis ins Weiße Meer. Die "murman", wie die Norweger damals genannt wurden (s. Murmansk), plünderten zahlreiche russische Siedlungen an der Küste, darunter auch das Erzengel-Michael-Kloster an der Mündung der Nördlichen Dwina.
Letztenendes gelang es der Republik Nowgorod seine Besitztümer gegen Norwegen zu verteidigen, aber 1478 fielen die Nowgoroder Ländereien, und mit ihnen das Erzengel-Michael-Kloster an der Dwina, an das expandierende Großfürstentum Moskau.
1553 : Muscovy Company
1553 entsandte die englische Company of Merchant Adventurers ihre erste Expedition. Die "Gesellschaft der kaufmännischen Abenteurer" war 1551 von Sebastian Cabot (dem Sohn des Entdeckers von Neufundland 1497, John Cabot) und einer Gruppe englischer Kaufleute mit dem Ziel gegründet worden, für England eine von Portugal unabhängige Handelsroute nach China und Indien zu finden. Von den drei möglichen Routen – die Nordwestpassage, die Nordostpassage und der Weg über den Nordpol – entschied sich Cabot für die zweite. Am 10. May 1553 brachen drei Schiffe von London auf, um unter der Leitung von Admiral Sir Hugh Willoughby und seinem Navigator Richard Chancellor eine Nordostpassage durch das Nordpolarmeer zu finden. Nahe der Lofoten jedoch geriet die kleine Flotte in einen Sturm, und Chancellors Schiff wurde von den anderen beiden Schiffen und Willoughby getrennt.
Willoughby überquerte mit den verbliebenen beiden Schiffen die Barentssee und erreichte Nowaja Zemlja. Er verbrachte, auf der Suche nach einer Passage nach Osten, einige Zeit an der Küste und kehrte dann nach Skandinavien zurück. An der Küste in der Nähe von Murmansk wurden seine Schiffe in einer Flußmündung von Eis eingeschlossen. Die Expedition war nicht auf die Kälte vorbereitet, und nach einigen Versuchen, Hilfe zu finden, starben Willoughby und seine Männer, vermutlich den Kältetod. Im folgenden Jahr fanden russische Fischer die beiden Schiffe mit den Toten.
Chancellor hatte mehr Glück. Er erreichte das Weiße Meer, und am 24. August 1553 ging er in der Nikolsky-Mündung der Nördlichen Dwina vor Anker. Mit Booten fuhren sie weiter flußaufwärts und erreichten Cholmogory, das, 119 km von der Mündung des Flusses im Landesinneren gelegen, seit dem 15. Jahrhundert das Handelszentrum der Nowgoroder Kaufleute war.
Die Engländer boten den Russen zum Handel Waren an, diese weigerten sich jedoch, ohne einen Erlaß aus Moskau einzuwilligen. Als Zar Iwan IV., genannt der Schreckliche, von Chancellors Ankunft hörte, lud er ihn nach Moskau ein. Chancellor unternahm die mehr als 1000 km lange Reise durch Eis und Schnee mit dem Schlitten. Er wurde der erste Engländer der Moskau erblickte. Die Stadt erschien ihm größer als London, wenngleich die meisten Häuser nur aus Holz erbaut waren. Der Palast des Zaren aber war prachtvoll und luxuriös, ebenso die Mahlzeiten, die dieser seinem englischen Gast anbot.
Zar Iwan IV. freute sich über die Ankunft Chancellors und die Möglichkeit, einen unmittelbaren Handel ohne Zwischenhändler mit England beginnen zu können. Russland hatte damals noch keinen Zugang zur Ostsee, und die Hanse beherrschte den Handel zwischen Russland und Mittel- und Westeuropa. Russland war wegen seiner Isolierung in Handel und Politik dem Ersticken nahe. Als Chancellor im März 1554 nach England zurückkehrte, brachte er Briefe des Zaren mit, die die englischen Kaufleute, aber auch Geologen und andere Handwerker einluden und Handelsprivilegien versprachen.
Die Engländer betrachteten Chancellors Reise als die Entdeckung eines neuen Landes, welche der Entdeckung Amerikas gleichkomme. Am 26. Februar 1555 erhielt die Company of Merchant Adventurers, nun als Muscovy Company (Moskauer Gesellschaft), von Königin Mary I. Tudor das Monopol auf den englisch-russischen Handel und entsandte noch im selben Jahr Richard Cancellor als ihren Vertreter zu einer neuen Expedition in das Weiße Meer. Vom Zaren wurde er erneut herzlich empfangen. Iwan IV. wies die russischen Händler an, mit den Engländern Handel zu treiben. Am 20. Juli 1556 brach Chancellor gemeinsam mit dem ersten russischen Botschafter für England, Ossip Gregorewitsch Nepeja aus Wologda, und zehn Kaufleuten aus Cholmogory vom Sankt Nikolas Hafen (dem heutigen Sewerodwinsk) nach England auf.
Vor der schottischen Küste, schon auf der Fahrt Richtung London, geriet Chancellors Schiff jedoch in einen Sturm. Chancellor ertrank im Meer, doch Nepeja erreichte die Küste, wo er von den Schotten einige Monate lang als Geisel gefangengehalten wurde, bevor er weiter nach London reisen konnte. Er traf in London ein und wurde dort feierlich und in allen Ehren empfangen. Im April 1557 wurde eine Erklärung verabschiedet, die die freundschaftliche Beziehung zwischen England und Russland zum Inhalt hatte. Eine zwischenstaatliche Handelsvereinbarung gab englischen Kaufleuten das Recht zu zollfreiem Handel in Russland und russischen Kaufleuten das Recht zu zollfreiem Handel in England. In Mai 1557 kehrte Ossip Nepeja in Begleitung von englischen Handwerkern nach Moskau zurück.
In den folgenden Jahren liefen jeweils im Frühjahr die Handelsflotillen der Engländer in der Dwina-Mündung ein. Im Herbst stachen sie, nun mit Waren beladen, erneut in See. Die Engländer brachten Tuch, Zucker, Gewürze, Edelsteine, Waffen, Munition und Waren aus dem Mittelmeerraum nach Russland; und sie kauften Felle, Leder, Wachs, Hanf, Teer, Getreide, Kerzen und Holz. Mit der Zeit verwandelte sich die Anlegestelle für Fischerboote am Erzengel-Michael-Kloster zuerst in einen Stützpunkt der "Moskauer Gesellschaft", die sich dem Handel mit den britischen Kaufleuten widmete. Bald jedoch kamen Kaufleute aus allen europäischen Ländern und vielen russischen Städten, und gewaltige Mengen Waren wurden hier umgeschlagen.
Die "Moskauer Gesellschaft" existierte über 300 Jahre lang bis zum Ende des 19. Jahrhunderts. Bis 1819 hatten die Agenten der Gesellschaft gleichzeitig den Rang englischer Konsuln in Archangelsk inne. 1991 wurde eine Straße in Sewerodwinsk nach Richard Chancellor benannt; ein Gedenkstein ihm zu Ehren wurde 1998 auf der Insel Jagry errichtet.
1583-1584 : Nowocholmogory
In den Jahren 1583-1584 errichteten die Heerführer Pjotr Afanasewitsch Naschtschokin und Zaleschanin Nikiforow Wolochow auf Erlaß des Zaren Iwan IV. eine hölzerne Festung um das Erzengel-Michael-Kloster und die Siedlung der Fischer und Kaufleute am Kap Pur-Nawolok. Als Datum der Gründung wird der 4. März 1583 angenommen – die heutige Stadt Archangelsk jedoch feiert als ihr Gründungsjahr das Jahr der Fertigstellung der Befestigungen: 1584. Ursprünglich hieß die Festung die Neue Stadt, Neue Cholmogorer Stadt (russ. Новый Холмогорский город) oder Nowocholmogory (Новохолмогоры), nach dem damaligen Handelsmittelpunkt Cholmogory, der jedoch bald an Wichtigkeit verlohr und heute nur noch ein kleiner Ort mit rund 5000 Einwohnern ist. Seit 1613 dann erhält die neue Stadt an der Dwinamündung ihren heutigen Namen: die Erzengelstadt (Архангельский город).
1667 : Brand
1667 zerstörte ein Brand die überwiegend aus Holzbauwerken bestehende Stadt, die daraufhin fast vollständig neu aufgebaut werden musste.
1693 : Peter I.
1693 traf der junge Zar Peter I., genannt Peter der Große, in Archangelsk ein. Er verlegte die Werft auf die Insel Solombala und gründete dort eine Admiralität als Grundlage für eine russische Kriegsmarine und Handelsflotte. Das erste Schiff, das Handelsschiff "Sankt Paul", lief im Juni 1694 vom Stapel. Im selben Jahr kehrte Peter I. nach Archangelsk zurück und erließ ein Handelsmonopol für die wichtigsten Exportgüter das bis 1719 anhielt.
Kriegsoperationen der schwedischen Flotte auf dem Weißem Meer zwangen Peter I. die Stadt weiter zu befestigen. 1701 begann auf seinen Befehl der Bau der Festung Nowodwinsk. Am 25. und 26. Juni 1701 hielt die Festung bereits dem ersten schwedischen Angriff stand. Dies war Russlands erster Sieg über Schweden. Die Festung Nowodwinsk wurde innerhalb von vier Jahren errichtet. Das aus dieser Zeit stammende barocke Dekor der Tore ist bis heute erhalten.
1702 verlegte Peter I. die Verwaltung des Pomorengebiets von Cholmogory nach Archangelsk, und seit dem 18. Dezember 1708 war Archangelsk Hauptstadt der Provinz Archangelogorod ("Provinz der Stadt Archangelsk"), einer von acht Provinzen, in die der russische Staat damals aufgeteilt war.
Nach der Gründung Sankt Petersburgs am 16. Mai 1703, und insbesondere nachdem Sankt Petersburg 1712 neue Hauptstadt wurde, verliert Archangelsk allmählich seine überragende Bedeutung als Außenhandelshafen.
Universitäten, Fachhochschulen, Berufsakademien
- Abteilung der Nordwestlichen Akademie für Staatsdienst Archangelsk
- Archangelsker Staatliche Medizinakademie
- Archangelsker Staatliche Technische Universität
- Fakultät des Allrussischen Ferninstituts für Finanzen und Ökonomie
- Filiale der Staatlichen Akademie für Meereskunde
- Filiale des Höheren Verwaltungsinstituts
- Institut für Verwaltung
- Internationale Pädagogische M. W. Lomonossow-Universität des Pomorje
- Nordische Akademie des Unternehmertums
- Staatliche M. W. Lomonossow-Universität des Pomorjegebiets (seit 2000)
Städtepartnerschaften
Mit folgenden Städten ist Archangelsk eine Städtepartnerschaft eingegangen:
- Portland (USA), seit 18. November 1988
- Vardø (Norwegen), seit 23. Februar 1989
- Stolp/Slupsk (Polen), seit 26. Juni 1989
- Emden (Deutschland), seit 26. November 1989
- Mülhausen/Mulhouse (Frankreich), seit 13. März 1992
- Oulu (Finnland), seit 3. Juni 1993
- Piräus (Griechenland), seit 28. Februar 1995
- Kiruna (Schweden), seit 9. August 1999
Weblink
- http://alenos.piranho.de/regionen/archangelsk.htm - Archangelsk und die dazugehörige Region
- http://www.arhcity.ru/
- http://www.archangelsk.narod.ru/
- http://arhangelsk.zarplata.ru/
- http://www.nordsia.ru/
- http://vodnik.arkhangelsk.ru/