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Meritokratie

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Eine Meritokratie (von lat. meritum "Verdienst" und griech. κρατείν "herrschen") ist eine Regierungsform, bei der die Amtsträger (Herrscher) aufgrund ihrer Leistung ausgewählt werden. Jedes Mitglied der Gesellschaft nimmt im Idealfall die verdiente Position ein. Impliziert ist, dass kein Missbrauch der Position stattfindet.

Die Idee der Meritokratie kann in Staaten sowie in politischen oder wirtschaftlichen Organisationen angewendet werden.

In einem abgeschwächten Sinne wird unter Meritokratie auch eine Regierungsform bezeichnet, die Kompetenz und formelle Ausbildung betont.

Der Meritokratie steht die Idee des Egalitarismus entgegen, die dem Einzelnen unabhängig von Leistung und Einsatz gleichen Einfluß und gleichen Zugang zu Gütern zuspricht.

Herkunft des Begriffs

Der Begriff Meriokratie wurde erstmals 1958 von Michael Young in seiner Satire Rise of the Meritocracy (dt. Es lebe die Ungleichheit: Auf dem Wege zur Meritokratie) verwendet. Young benutzte den Begriff, um eine zukünftige Gesellschaft zu beschreiben, in der die gesellschaftliche Position des Einzelnen durch Intelligenz (gemessen durch den Intelligenzquotienten) und Einsatz bestimmt ist. Die utopische meriokratische Gesellschaft entwickelt sich darin zu einer elitären Gesellschaft, deren Führer sich über der breiten Masse stehend sehen und letztendlich gewaltsam abgesetzt werden.

Bewertung der Idee

Trotz der ursprünglich negativ besetzten Begriffsbildung gibt es Befürworter meritokratischer Systeme, sowohl in der Vergangenheit als auch in der Gegenwart. Die Vorstellung, dass höhere Leistung belohnt werden soll, liegt vielen meritokratischen Argumenten zugrunde. Daneben wird behauptet, dass die Meriotkratie Anreiz biete, zum Aufbau der Gesellschaft beizutragen, und somit die Gesellschaft insgesamt Nutzen ziehe.

Eine Meritokratie unterscheidet sich grundlegend von der Aristokratie, die Positionen aufgrund einer ererbten oder ernannten gesellschaftlichen Klasse zuweist. Benachteiligung aufgrund der Zugehörigkeit zu einer Religion, einer Ethnie (Rassismus) oder dem Geschlecht vermeidet eine ideale Meritokratie ebenfalls.

Kritiker, unter anderem Michael Young, sehen eine Meritokratie als ungeeignetes Modell für eine stabile Gesellschaft. Zum einen ist ein objektives und gerechtes Maß von "Leistung" oder "Verdienst" zur Zuordnung von Individuen zu Positionen schwer aufzustellen; es besteht sogar die Gefahr, dass die Elite das Maß derart gestaltet, dass sie sich selbst (sowie ihre Nachkommen) legitimieren. Dann würde die Gesellschaft zur Oligarchie.

Weiter verurteilt eine Meritokratie alle Durchschnittsmenschen zu einem Leben im Mittelmaß, mit einem hohen Potential an Unzufriedenheit.

Das demokratische Prinzip, welches jedem Menschen ein gleiches Stimmrecht gibt, wird in einer Meritokratie ebenfalls aufgehoben. Gleichfalls sind weit akzeptierte Prinzipien wie eine allgemeine Gesundheitsversorgung und gleicher Status vor Gericht in einer Meritokratie nicht notwendigerweise gegeben.

Anwendung Meritokratischer Prinzipien

Eine völlig meritokratisch organisierten Gesellschaft ist bislang in keiner Gesellschaft realisiert worden. Viele moderne Regierungsformen betonen allerdings den Vorrang formaler Ausbildung und fachlicher Kompetenz bei der Verleihung von Ämtern gegenüber der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe.

Wenn im politischen Entscheidungsprozess auf eine Bewertung durch Fachleute zurückgegriffen wird, oder wenn militärische Organisationen das Leistungsprinzip heranziehen, um die Befehlshierarchie festzulegen, werden ebenfalls meritokratische Prinzipien eingesetzt.

Historische Beispiele

Konfuzius

"Im Lehren sollte kein Unterschied zwischen den Klassen gemacht werden."
- Analecte XV. 39. tr. Legge

Westliche Bewunderer Konfuzius (Voltaire, H. G. Creel) sehen in seinen Schriften eine revolutionäre Idee, in der der Blutadel durch den der Tugend ersetzt wird. Ein Jūnzǐ (君子), etwa als "Edler Man" zu übersetzen, konnte ein einfacher Mensch sein, der seine Fähigkeiten einsetzte. Konfuzius nahm Studenten aus jeder Gesellschaftsklasse an, ein Hinweis darauf, dass er das feudale System des alten China nicht vollständig unterstützte.


Dschingis Khan

Dschingis Khan besetzte Führungspositionen in seinem Mongolenreich aufgrund der Leistung der Amtsträger. Auch Angehörigen besiegter Feinde stand der Weg offen, solange sie sich loyal erklärten. Beispielsweise war Jebe ein feindlicher Soldat, der im Gefecht Dschingis Khans Pferd erschossen hatte, bevor er zum Khan wurde.

Napoleon

In der Französischen Revolution war die Elite weitgehend eliminiert. Napoleons Regime konnte daher auf keine bestehende Hierarchie zurückgreifen, sondern wählte die neue Elite zuerst nach Leistung, später aber auch aufgrund Loyalität und Verwandtschaft aus.


Literatur

  • Richard J. Herrnstein: Chancengleichheit - eine Utopie? Die IQ-bestimmte Klassengesellschaft. Stuttgart: Deutsche Verlags-Anstalt 1974, ISBN 3-421-02662-9 (engl.: I.Q. in the meritocracy).
  • Michael Young: Es lebe die Ungleichheit: Auf dem Wege zur Meritokratie. Düsseldorf: Econ 1961.


Siehe auch

Chancengleichheit, Utopie, IQ, Demokratie, Ungleichheit, Gerontokratie, Elite, Aristokratie, Sozialdarwinismus