Besatzungskind
Als Besatzungskinder bezeichnet man Kinder, die einer Verbindung einer einheimischen Frau und eines Besatzungssoldaten entstammen. Besatzungskinder gab es nach vielen Kriegen in verschiedenen Ländern. In Deutschland und Österreich wurden viele Besatzungskinder in der Nachkriegszeit 1945 bis etwa 1955 geboren. Die Ursachen sind unterschiedlich.
Neben gewöhnlichen Liebesbeziehungen zwischen einheimischen Frauen und den Besatzern, denen die meisten sogenannten "Besatzungkinder" entstammen, gab es bereits während der Kriegszeit Vergewaltigungen an den Frauen der besetzten Länder, die von den Soldaten des deutschen Reiches begangen wurden. In der Nachkriegszeit vergingen sich die Besatzungssoldaten der Alliierten oder der Roten Armee an deutschen Frauen, denn Frauen wurden von allen Seiten oftmals als Kriegsbeute angesehen.
Auch verursachte der Krieg unter der Bevölkerung eine derartige Armut, dass die Prostitution für Frauen ein letztes Mittel war, um sich und ihre Familien irgendwie zu ernähren. Der Begriff der Überlebensprostitution wurde geprägt[1]
In diesen beiden Fällen war der leibliche Vater fast immer unbekannt und häufig bei der Geburt des Kindes nicht mehr im Lande. Leidtragende dieser Situation waren immer die zurückgelassenen Frauen, zusammen mit ihren Kindern. Häufig waren sie dem Spott und Hohn ihrer Umgebung ausgesetzt, was auch dazu führte, dass Frauen ihrer eigenen Familie die wahren Verhältnisse verschwiegen. Besonders schwierig war die Situation bei einer Schwängerung durch einen britischen oder französischen Soldaten afrikanischer Herkunft oder einen afroamerikanischen Soldaten der US Army - hier konnte man die Abstammung eines Kindes ebenso wenig übersehen wie in Fällen, in denen der Kindsvater eine andere nicht-europäische Herkunft hatte (was auch bei Soldaten der „Roten Armee“ vorkam).
Gegenüber Kindern wurde der Begriff Besatzungskind, vor allem in Österreich, Russenkind lange Zeit auch als Schimpfwort verwendet. In Frankreich war das entsprechende Wort Enfant maudit (Kind der Schande), das Kinder bezeichnete, die von den deutschen Besatzern gezeugt wurden. Eine besonders diskriminierende und erniedrigende Behandlung erlebten die ca. 12.000 Kinder deutscher Besatzungssoldaten in Norwegen (dort Tyskebarn, „Deutschenkinder“, genannt), worunter Anni-Frid Lyngstad (ehemalige Sängerin bei Abba) das berühmteste Beispiel sein dürfte. Die Kinder von deutschen Soldaten aus den von Deutschland besetzten Gebieten können sich bei der Suche nach ihren Vätern an die Deutsche Dienststelle (WASt) ehemals Wehrmachtauskunftstelle in Berlin wenden.
In den späteren Jahren, in denen die Zeiten ruhiger wurden, kam es zu regulären Verbindungen von Frauen mit fremden Soldaten, die auch zur Ehe führen konnten. So blieben nach der Besatzungszeit viele Soldaten im Land, oder die Frauen folgten ihnen in deren Herkunftsländer. Wieder bildeten sich Vorurteile, die aber im Laufe der Jahre abgebaut wurden.
Im Nachkriegsdeutschland wurden etwa 100.000 Besatzungskinder (Schätzung des Stat. Bundesamtes; aufgrund der Dunkelziffer vielleicht auch etwas mehr), nach anderen Quellen [2] über 220.000 Kinder alleine aus Beziehungen mit U.S. Militärangehörigen, geboren.
Folgen für die Kinder
Viele Kinder wurden aus materieller Not oder aus weiteren Gründen von der Mutter in Kinderheime und später zur Adoption freigegeben. Obwohl in Österreich von offiziellen Stellen Mütter ungewollter Kinder zur Adoptionsfreigabe aufgefordert wurden, stand ein Großteil der Mütter hinter ihren Kindern und behielten sie [3].
Der „Brown Baby Plan" vermittelte Anfang der fünfziger Jahre etwa 500 schwarze Besatzungskinder aus Deutschland in schwarze Familien in den USA.
Späte Suche
Auch heute noch sind viele Besatzungskinder auf der Suche nach ihren leiblichen Vätern, was nun durch die offenen Grenzen und die Öffnung verschiedener Archive erleichtert wird. Auch der Vermisstensuchdienst des Roten Kreuzes versucht dabei eine Hilfe zu geben.
Erschwert wird diese Suche aber durch den Umstand, dass die verschiedenen Besatzungsmächte oft rigorose Maßnahmen einsetzten, um Verbindungen mit der Bevölkerung der besetzten Gebiete zu verhindern und diese deshalb von den Betroffenen geheim gehalten wurden. Die jeweiligen Machthaber wollten so sicherstellen, dass es nicht zu viel Fraternisierung gab, denn durch sie bestand immer das Risiko des Verrats von geheimen Daten.
Zugleich schützten sie so die Väter vor Unterhaltsklagen von Kindern aus den besiegten Ländern.
Es gibt in der Zwischenzeit auch private Initiativen, die bei der Suche unterstützen (ehrenamtlich bzw. gewinnorientiert). Eine Qualitätskontrolle deren Arbeit findet bisher nicht statt.
Siehe auch
Literatur
- Ika Hügel-Marshall: Daheim Unterwegs. Ein deutsches Leben. Orlanda Frauenverlag, Berlin. 1998. 154 Seiten. Die Autobiographie eines „Besatzungskinds", einer schwarzen deutschen Frau.
- Marc Widmann, Mary Wiltenburg: Kinder des Feindes. In: Der Spiegel, 22. Dezember 2006 (online-URL)
- Jean-Paul Picaper, Ludwig Norz: Die Kinder der Schande. Das tragische Schicksal deutscher Besatzungskinder in Frankreich. München, Zürich 2005. ISBN 3-492-04697-5
- Charlotte Wiedemann: Der Zwischenmensch. In: Frankfurter Rundschau online, 31. Oktober 2003. Rudi Richardson kam als Besatzungskind zur Welt, 2003 sitzt er nach 50 Jahren in den USA als „unerwünschter Ausländer" in amerikanischer Abschiebehaft.
Quellen
Weblinks
- Amerikaner in Deutschland: Freier und Befreier und deren verdammte Kinder
- Auf US-amerikanische Soldaten spezialisierter Suchdienst
- "Enfants Maudits" Deutsche in Frankreich und deren verdammte Kinder
- Kanadische ehrenamtliche Organisation GI Trace
- Mochmann, Larsen: Kriegskinder in Europa. Aus Politik und Zeitgeschichte 18-19/2005
- Irina Repke, Peter Wensierski: "Warte auf mich." In: DER SPIEGEL 32/2007 vom 6. August 2007
- Rotarmisten in Österreich Freier und Befreier
- Kinder des Feindes ZDF auslandsjournal am 24. September 2008